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Was werden die Baudenkmale der Zukunft sein?

DAB-Leserinnen und Leser wünschen sich Gebäude, die Zeiten spiegeln, aber auch mit der Zeit gehen: Vorreiter-Projekte der Bauwende, besonders individuelle, ebenso wie anpassungsfähige und robuste Bauten

Zeichnung Effizienzhaus Plus mit E-Auto
Das Effizienzhaus Plus nahm schon 2011 Themen wie E-Mobilität, Photovoltaik und Wärmepumpen vorweg.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Was werden die Baudenkmale der Zukunft sein?“ im Deutschen Architektenblatt 08.2023 erschienen.


Denkmal für erneuerbare Energien

Das Effizienzhaus Plus hat für mich schon jetzt einen großen Zeitwert. Als Forschungsprojekt „Zukunft Bau“ wurde es 2011 für eine vierköpfige Familie mit E-Mobilität erbaut, wobei die nötige Energie mithilfe erneuerbarer Energien über das erforderliche Maß hinaus erzeugt werden soll. Sonne, Luft, Erdwärme, Wasser werden technisch mit Photovoltaik, Luft-Wasser-Wärmepumpe, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Batteriespeicher und Ladestation umgewandelt. Der Entwurf von Werner Sobek ging aus einem Wettbewerb hervor. Besonders architekturhistorisch bedeutsam ist die Architektur, die sich mit der Technik der Energieerwirtschaftung aus erneuerbaren Energiequellen vereint. Besonders lokalhistorisch bedeutsam ist die Ansiedelung des Forschungsobjektes direkt beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Berlin. 

Regina M. Fischer, Architektin, Lübeck


Segen für die Menschheit

Projekte, die vorbildlich die globalen Ziele der Erde lösen und so als Multiplikator der Menschheit zum Segen werden. Damit wird der Weltgemeinschaft nebenbei ein sozialer Dienst erwiesen.

Ulrich Hachmann, Architekt, Warendorf


Einzigartige bauliche Lösungen

Die Antwort auf die Frage sollte mit der Suche nach architektonischer Qualität beginnen. Zwar gilt bei Denkmalen auch, dass zunehmendes Alter und größere Seltenheit sie immer wertvoller machen. Doch ist es selten das letzte überkommene Beispiel einer Massenproduktion, das als schutzwürdig angesehen wird, sondern doch immer wieder die einzigartig gekonnte bauliche Lösung, die für ihre Zeit steht. Ein Ansporn für die zeitgenössische Architekturschaffenden ebenso wie für die Architekturfinanzierenden.

Dr. Ursula Schirmer, Deutsche Stiftung ­Denkmalschutz


Bezahlbaren Wohnraum schützen

Es wäre zu wünschen, dass künftig sogenannte Gesamtanlagen stärker in den Fokus rücken. So könnte zum Beispiel durch Stadtquartiere-Milieu-Schutz ein Beitrag zum bezahlbaren Wohnraum geleistet werden.

Ernst Frey, Architekt und Stadtplaner, ­Stuttgart


Ereignisse und Persönlichkeiten

Vermutlich werden zukünftig Bauwerke geschützt, die vor allem geschichtlichen Wert haben, wie etwa Schauplätze politischer Entwicklungen oder Geburtshäuser bekannter Personen. ­Vielleicht auch solche, die von bekannten ArchitektInnen ent­wickelt wurden. All dies halte ich für sinnvoll, frage mich jedoch gleichzeitig, wie viele Bauwerke es wohl sein werden und ob wir es zu irgendeinem Zeitpunkt eventuell übertreiben, Gebäude zu schützen. Lassen wir noch Raum für Neues oder „beschränken“ wir uns auf die Vergangenheit?

Chiara Palandra-Brown, ­Architekturstudentin, Münster


Zeugnisse der Energiewende und der Bauwende

Ich könnte mir vorstellen, dass Projekte mit hohen Innovationsgraden in Transformationszeiten in Zukunft Baudenkmäler werden. Sie sind und werden Zeitzeugen einer Wende in Bautechnik und Design, wohl auch in Nutzungskonzepten. Zu wünschen bleibt unabhängig davon, dass wirkliche Innovationen schneller Einzug finden können. Vielleicht mag eine „offensivere“ Darstellung einer möglichen Unterschutzstellung in frühen Phasen von Projekten Anreiz und Katalysator sein. Es mag ein neues und frisches Bild in gesellschaftlicher Wahrnehmung des Denkmalschutzes fördern, auch in zusätzlicher gesellschaftlicher Akzeptanz. Eine Art Stufenverfahren (Bronze, Silber, Gold !?!), das die mögliche Würdigung nach einer gewissen Zeit prüft, könnte gegebenenfalls ein Kompromiss zu bisherigen vornehmlich historischen Betrachtungen sein. Es könnte die dringende Aufgabe energetischer Sanierung im Bestand zusätzlich fördern.

Henning Bökamp, Architekt, Bad Oeynhausen


Reparaturfähig und anpassungsfähig

Baudenkmale sind Zeugnisse der Vergangenheit, die in der Gegenwart für uns und unsere kulturelle Identität relevant sind. Die aktuellen gesellschaftlichen Megatrends wie Gendershift, Konnektivität oder Neoökologie lassen erahnen, was in Zukunft gesellschaftlich relevant sein wird. Wir benötigen aber immer einen Blick aus historischer Distanz, um beurteilen zu können, ob ein Objekt denkmalwürdig ist. Daher lässt sich über zukünftige Baudenkmal-Gattungen nur spekulieren. Über zukünftige Baudenkmal-Eigenschaften können wir hingegen jetzt schon etwas sagen: Unsere heutigen Baudenkmale sind aufgrund ihrer soliden und reparaturfähigen Materialien und Konstruktionsweisen besonders anpassungs-, wandlungs- und widerstandsfähig. Diese Eigenschaften werden Baudenkmale auch in Zukunft auszeichnen.

Dr. Annika Tillmann, Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL)


Banalität oder Exzellenz

Die Baudenkmale müssen ­mindestens 25 bis 30 Jahre ­überstanden haben und Aussicht auf Bestand haben. Sie können dann die Banalität heutiger Gestaltung ­repräsentieren, den Shitstorm heutiger Tagespresse überstanden haben, in der Fachpresse hochgelobt und mit einschlägigen Architekturpreisen charakterisiert worden sein. Wenn sie nicht zwischenzeitlich schon verunstaltet oder unkenntlich gemacht wurden und wenn die, die das Siegel Denkmalschutz erreicht haben, nicht durch politische oder wirtschaftliche Entscheidungsträger vernichtet werden.

Anna Katharina Zülch, Architektin, Hamburg


Der Ritterschlag

Wenn die Architektenschaft historische Gebäude als Baudenkmäler erhält und pflegt, dann hat dies auf den ersten Blick scheinbar etwas Selbstverliebtes, denn schließlich bewahrt man die Werke der vorangegangenen Architekt*innen-Generationen. Dies ist ehrenwert, aber die Aufgabe folgt natürlich einem höheren Ziel. Denkmalschutz versteht sich als Teil des nationalen Kulturgutschutzes. So wie eine Urkunde in einem Archiv oder ein historisches Buch in einer Bibliothek, zeigen sich Baudenkmäler als Zeugen und Quellen unserer Geschichte. Und diese Zeugen benötigen wir im Original, nicht nur als digitales Bild. Denkmalpfleger*innen verstehen sich daher als Architekturarchivare, die Objekte aus den unterschiedlichsten Gebäudegattungen und Epochen für zukünftige Generationen bewahren. So wird Denkmalschutz eben nicht mit dem vorrangigen Ziel unternommen, ein romantisiertes Stadt- oder Ortsbild zu erhalten, oder gar, um Wirtschaft und Tourismus zu fördern.

Während allerdings bei einer historischen Urkunde oder einem Kunstwerk bereits die sichere Unterbringung in einem Magazin als Schutz ausreicht, bedarf es bei den Baudenkmälern in aller Regel einer denkmalgerechten Nutzung. Hierbei dürfen „Ziel“ und „Mittel“ nicht verwechselt werden. Ziel aller denkmalpflegerischen Maßnahmen ist die möglichst authentische Bewahrung des historischen Objektes. Die (Um-)Nutzung, in der Regel auch verbunden mit modernisierenden Eingriffen, ist lediglich das Mittel, um das historische Objekt zu bewahren. Denkmalwert ist eben nicht das, was alt aussieht, sondern das, was alt ist. Alle Interventionen an einem Baudenkmal müssen sich daher daran messen, in welchem Umfang der historische Zeugniswert bewahrt bleibt.

Der Denkmalschutz steht in dem Ruf, die moderne und zukunftsorientierte Entwicklung von Städten und Dörfern zu behindern. Würde dies stimmen, dann wäre dies eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass lediglich zwei bis vier Prozent aller Gebäude (je nach Bundesland und je nachdem, wie man es zählt) als Baudenkmal ausgewiesen sind. Diese Zahl bedeutet aber auch, dass 96 bis 98 Prozent aller Gebäude eben nicht als erhaltenswertes Kulturgut eingestuft werden. Selbst wenn man jene 30 Prozent Gebäudebestand abrechnet, die aufgrund ihres jungen Baualters noch nicht unter Denkmalverdacht geraten, dann ist dies eine für die Baukultur ernüchternde Zahl. Ein Spaziergang durch manches Stadtquartier oder Dorf scheint dieses Zahlenverhältnis allerdings zu bestätigen.

Nur wenige Architekt*innen erleben persönlich, dass ihre Gebäude als bedeutende Kulturobjekte unter Denkmalschutz gestellt werden. Dies ist eigentlich der Ritterschlag.

Prof. Dr. Norbert Schöndeling, Architekt, Professor für Baugeschichte und Denkmalpflege, TH Köln

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