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[ Nachwuchs-Kolumne #139 ]

Architektur im Gesundheitswesen: Schlachthausflair in der Praxis

Durch einen Unfall lernte ich das Gesundheitswesen kennen – und dessen Räume. In langen Wartezeiten studierte ich die Architektur, die mich auf dem Weg der Besserung begleitet. Manchmal tat mein angehendes Architektenherz mehr weh als mein gebrochener Arm

Ein steril wirkender, leerer Gang im Krankenhaus
Es scheint im Gesundheitswesen eine informelle Richtlinie zu geben, nach der möglichst alles nicht nur steril sein, sondern auch steril wirken muss.

Von Fabian P. Dahinten

Das deutsche Gesundheitswesen hat einige Probleme. Zu bekannten Punkten wie Personalmangel, schlechter Bezahlung der Mitarbeitenden oder zu viel Privatisierung kann ich mich nicht fundiert äußern. Ganz anders sieht es bei der räumlichen und architektonischen Qualität aus. Welche Räume, welche Architektur brauchen Menschen, wenn es ihnen schlecht geht und sie nach Hilfe und Genesung suchen?

Durch einen Fahrradunfall stürzte ich kürzlich in das sterile Gesundheitswesen und dessen Architektur. Ob Notaufnahme, ärztliche oder fachärztliche Praxen: Dank entschleunigten Wartezeiten hatte ich viel Zeit, die Räume, die mich auf dem Weg der Besserung begleiten sollen, genau zu studieren. Manchmal spürte ich mehr Schmerzen in meinem angehenden Architektenherz als in meinem gebrochenen Arm.

Wisch-und-Weg-Architektur

Was steht im Fokus bei der Gestaltung von Praxen und anderen Räumen im Gesundheitswesen? Sicherlich nicht Patient:innen, die sich wohlfühlen sollen. Nein, es scheint eine informelle Richtlinie zu geben, laut der möglichst alles nicht nur steril sein, sondern auch steril wirken muss. Wände in Weiß, Boden in anthrazit oder hellem grau, beides fugenlos natürlich. Und das alles gilt es dann in möglichst kaltem Licht so auszuleuchten, dass ein Fernsehstudio ohne zusätzliche Scheinwerfer an Ort und Stelle eingerichtet werden könnte.

Man sieht den Räumen förmlich an, wie sich mit wenigen Handgriffen jegliche glatte Oberfläche desinfizieren und reinigen lässt. Die Anordnung der Leuchten und der Beschriftungen an den Wänden scheinen die letzten verbleibenden Freiheiten zu sein, die den Gestalter:innen meiner besuchten Praxen geblieben sind. Selbst die Wartebänke in der Notaufnahme glänzen und quietschen so deutlich, als wollten sie mir schon vorab versichern: Hier könnte man auch schlachten, mit dem Hochdruckreiniger durchgehen – und nach fünf Minuten nähmen hier nichts ahnend wieder Patientinnen Platz. Selbst alle aufgehängten Infozettel sind laminiert!

Im Gesundheitswesen gilt: je größer desto schrecklicher

Die kleine Praxis meiner Hausärztin ist zwar minimalistisch möbliert, aber mit Bildern aus der Natur hier in Darmstadt immerhin auch ein wenig dekoriert. Mit der Größe der Institution scheint die Anonymität und Auswechselbarkeit zu steigen. So schafft es meine besuchte Notaufnahme mit ihrem Wartebereich nicht nur durch fehlende Gestaltung, eine unwohlige abwischbare Atmosphäre zu kreieren, sondern auch durch eine Anmeldung hinter schweren Glastüren, die sich nur von innen öffnen lassen, sogar eine gewisse Menschenfeindlichkeit aufzubauen. Das Ganze unterstreicht der in der Wand verankerte Wasserspender aus Edelstahl. Ob dieses Modell nicht nur im Gesundheitswesen sondern auch in Gefängnissen eingesetzt wird? Vor Vandalismus scheint er zumindest sicher zu sein.

Wohnzimmeratmosphäre im Wartebereich?

Meiner vorhergehenden Tirade liegt hauptsächlich Unverständnis zugrunde. Mit kreativen Ideen und selbstverständlich auch ein wenig Geld, könnten Wartezimmer, Warteflure und Behandlungsräume, in denen der Schmerz, die Unsicherheit und die Hektik vorherrschen, Menschen beruhigen. Gerade Innenarchitekt:innen sind Profis darin, auch abwischbare Materialien zu finden, die eine angenehme vielleicht sogar wohnliche Atmosphäre schaffen – auch im Gesundheitswesen. Gerade in Wartebereichen, wo man gefühlt endlose Stunden verbringen muss. Es könnten schon einfache Bilder und Farben sein, vielleicht sogar auch mal ein schallschluckendes Element, sodass ein gerolltes Bett über Fliesen sich nicht anhört, als fahre ein Kettenfahrzeug durch die Lobby.

Es gibt sie, gute Beispiele von Praxen in denen auch angenehme Räume geschaffen wurden. Bei meinem Zahnarzt beispielsweise kann ich mich mit Bildern von Bergen und Alpenmotiven wegträumen. Doch gute Räume entstehen nicht nur durch nette Bilder. Es bedarf mehr Wertschätzung und Augenmerk gegenüber guten Räumen in unserem Gesundheitswesen. Es braucht den Einsatz und die Arbeit von Innenarchitekt:innen und Architekt:innen.


Fabian P. Dahinten studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Lorenz Hahnheiser und Johanna Naara Ziebart.

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