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[ Bundestagswahl ]

Die Versorgungswerke helfen uns allen

Dr. Mathias Meyer, Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer Niedersachsen im Gespräch mit Hartmut Rüdiger, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. (ABV)

Goldenes Sparschwein im Symbolhaus
Dass die Architektenkammern mit den Versorgungswerken ein eigenes System der Altersvorsorge haben, ist historisch gewachsen und noch heute sinnvoll. (Foto: AdobeStock)

Mathias Meyer: Herr Rüdiger, wieso gibt es eigentlich Versorgungswerke?

Hartmut Rüdiger: Bei der „Adenauerschen“ Rentenreform im Jahr 1957 wurde die Mitgliedschaft zur gesetzlichen Rentenkasse bewusst so ausgestaltet, dass die Angehörigen der verkammerten Freien Berufe dort keine wirkungsvolle Absicherung erhalten konnten. In Folge dessen haben die Berufsstände zur Selbsthilfe gegriffen und damit begonnen, flächendeckend berufsständische Versorgungseinrichtungen zu gründen, um ihren Angehörigen eine leistungsfähige Absicherung vor Berufsunfähigkeit und Alter sowie für ihre Hinterbliebenen zu gewährleisten.

Versorgungswerke folgen grundsätzlich der föderalen Struktur der Berufskammer und sind deswegen auf Landesebene errichtet. Weshalb helfen Versorgungswerke dennoch uns allen?

Die gesetzliche Rentenkasse ist seit ihrer Gründung im Kaiserreich ein System, das durch Staatsmittel unterstützt werden muss. Versorgungswerke finanzieren sich hingegen ausschließlich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder und aus den mit diesen verdienten Kapitalerträgen. Versorgungswerke entlasten somit den Steuerzahler von der Fürsorge für ihre Mitglieder. Im Übrigen haben die Versorgungswerke bereits heute die statistische „Längerlebigkeit“ ihrer Mitglieder gegenfinanziert, sodass sie auch in dieser Hinsicht keine Belastung für die Allgemeinheit sein werden.

Versorgungswerke sichern die berufliche Freiheit ihrer Berufsstände. Das Selbstverständnis der Freien Berufe und die Erwartung der Gesellschaft an die freien Berufe ist es, dass ihre Berufsausübung nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, sondern dass immer auch das Gemeinwohl im Auge behalten wird. Diese Unabhängigkeit, sich von sachfremden Einflüssen frei zu halten, wird erleichtert, wenn die Sicherheit einer auskömmlichen Altersversorgung gegeben ist. Deshalb haben die Versorgungswerke für die Freiberufler und ihre Berufskammern eine so große Bedeutung.

Portrait Hartmut Rüdiger
Hartmut Rüdiger, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der ABV, Foto: privat

Und deshalb liegt es auch im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger, die Freien Berufe unabhängig und damit attraktiv zu halten. So hat die Corona-Krise beispielsweise sowohl die Bedeutung gut funktionierender Heilberufe als auch die Rolle von Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern unterstrichen. Oder nehmen Sie das Thema Nachhaltigkeit: Meinem eigenen Berufsstand, den der Architekten, musste keiner die Idee von Nachhaltigkeit erklären, wir arbeiteten mit dieser lange bevor sie populär wurde!

Am 26. September ist die Bundestagswahl. Immerhin drei im alten Bundestag vertretene Parteien fordern eine Erwerbstätigenversicherung. Herr Rüdiger, Sie sagen aber, eine Einbeziehung der Versorgungswerke in die gesetzliche Rentenkasse brächte dieser nichts. Wieso?

Kurzfristig würde die Einbeziehung berufsständisch Versorgter in die gesetzliche Rentenkasse dieser zwar zusätzliche Beiträge bringen, doch stehen diesen auch künftige Leistungsansprüche gegenüber. Es handelte sich also nur um eine Verschiebung der Lasten nach hinten.

Versicherungsmathematisch wäre dieses „Geschäft“ für die gesetzliche Rentenkasse sogar nachteilig: Berufsständische Versorgte haben eine rund vier Jahre höhere Lebenserwartung als die Gesamtbevölkerung, sie erhielten somit vier Jahre länger Rente. Durch die höhere Lebenserwartung erreichen auch vergleichsweise viele Personen das Rentenalter. Beides führt dazu, dass eine Einbeziehung mittelfristig ein „Zuschussgeschäft“ wäre.

Schließlich: In Versorgungswerken sind gut 500.000 angestellt tätige Angehörige der Freien Berufe abgesichert, in der gesetzlichen Rentenkasse sind aktuell etwa 56.727.000 Personen versichert. Dieses Zahlenverhältnis belegt bereits, dass eine Einbeziehung der Mitglieder der berufsständischen Versorgungswerke offensichtlich ungeeignet ist, etwaige Struktur- und Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenkasse zu lösen.

Wie Fachpolitiker der Grünen und der SPD unlängst einräumten, profitiert die gesetzliche Rentenkasse davon, dass die bei den Versicherungswerken abgesicherten Personengruppen mit höherer Lebenserwartung ihr nicht angehören. Die Versorgungswerke nehmen also der gesetzlichen Rentenkasse „Langlebigkeitsrisiken“ ab; mehr noch: Ein nennenswerter Teil der Rentenzahlungen kommt bekanntermaßen aus Bundeszuschüssen. Diese bringen die Freiberufler als Steuerzahler mit auf, sie haben aber nicht selbst etwas davon. Wenn Freiberufler in die gesetzlichen Rentenkasse einbezogen werden, würden auch sie von den Zuschüssen profitieren, was diese ohnehin erheblichen Zuschüsse nochmals erhöhen würde.

Dies zeigt, dass der Gedanke der „Adenauerschen“ Rentenreform im Jahr 1957, dass Bevölkerungs- und Berufsgruppen, die durch Selbstorganisation – wie die Freiberufler – in der Lage sind, die Altersversorgung Ihrer Berufsangehörigen zu sichern, der staatlichen Rentenkasse nicht bedürfen und diese demzufolge auch nicht belasten.

Warum fordern dennoch manche Parteien trotz dieser Argumente eine Erwerbstätigenversicherung? Haben Sie dafür eine Erklärung?

Diese Parteien wollen keine breiter aufgestellte, sondern eine grundlegend andere Rentenkasse. Die Einbeziehung von Beamten, Selbstständigen und Freiberuflern muss wegen deren höherer Lebenserwartung zu einem Minusgeschäft für die gesetzliche Rentenkasse werden – zumindest dann, wenn nicht intern massiv sozial umverteilt wird. Letzteres ist meiner Meinung nach das eigentliche Ziel.

Eine solche zusätzliche Umverteilung produziert aber viele Verlierer auch unter den Leistungsträgern innerhalb der gesetzlichen Rentenkasse. Denen wird aber suggeriert, die neuen Versicherten machten die Sache für sie billiger. So soll politische Unterstützung generiert werden. Doch liegt es auf der Hand, dass diese Rechnung nicht aufgehen kann.

Die berufsständische Versorgung ist ein gut funktionierendes System der Altersvorsorge, das unseren Mitgliedern eine sichere Altersversorgung bietet und somit auch dazu dient, sicherzustellen, dass die Freiberufler, die Ärzte, Anwälte und Architekten und die anderen Freien Berufe in ihrer Berufsausübung dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Dieses gut funktionierende System aufzugeben, nur weil kurzfristig mehr Geld in die gesetzliche Rentenkasse fließt oder weil selbstverwaltete, den Einflüssen der Politik nicht zugängliche Systeme politisch nicht gewollt sind, können die Freien Berufe nicht akzeptieren und kann auch die Gesellschaft nicht wollen.

Versorgungswerke finanzieren die Renten Ihrer Mitglieder überwiegend über Kapitalerträge. Ist dies in der heutigen Zeit bei dem geringen Zinsniveau überhaupt noch möglich und sinnvoll?

Die Kapitalanlage von Versorgungswerken zeichnet sich durch einen besonders langen Anlagehorizont aus. Deswegen sind Versorgungswerke gesuchte und nachhaltige Investoren. Ihnen geht es nicht um schnelle Rendite. Durch diesen langen Anlagehorizont sind Jahre mit geringerem Zins zwar anspruchsvoll für die für die Kapitalanlage Verantwortlichen, sie werden aber dann auch wieder kompensiert durch Zeiten mit höheren Erträge. Im Übrigen sind die Anlagen der Versorgungswerke stark diversifiziert, sodass einzelne Kapitalereignisse das System insgesamt nicht bedrohen.

Versorgungswerke haben auch einem nennenswerten Anteil ihrer Vermögen in Infrastrukturprojekten investiert, die einen Beitrag zur Lebensqualität und zur Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland leisten.

Nicht zuletzt sind viele Versorgungswerke auch Vorreiter in dem Ziel der „nachhaltigen Investments“ gewesen. Ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Aspekte sind für alle Versorgungswerke ein wichtiges Kriterium für die Auswahl ihrer Investitionen. „Verantwortungsvolles Investment“ wird natürlich auch von unseren Mitgliedern gefordert, welche diese Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt in ihrem eigenen Beruf „leben“.

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