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[ Kolumne ]

Stairway to Heaven

Wir sollten uns intensiver damit auseinandersetzen, was die Architektur im Innersten zusammenhält, ganz profan: welche Bauteile ein Gebäude unverwechselbar prägen. Heute: die Treppe.

Wolfgang Bachmann. (Foto: Myrzik Jarisch)
Wolfgang Bachmann. (Foto: Myrzik Jarisch)

Text: Wolfgang Bachmann

Mit einer Treppe erheben wir uns über unser Niveau. Sie bildet Hierarchien ab, weltliche und kirchliche Herrscher haben sich das jahrhundertelang zunutze gemacht. Soweit würde ich in unserem Haushalt nicht gehen. Dort hat die Treppe eine funktionale Aufgabe, die sie allerdings großartig meistert. Sie setzt eine spürbare vertikale Zäsur, ohne abzutrennen. Der erste Treppenlauf ins Obergeschoss muss aus den 1950er Jahren stammen. Er ist steil, von unten mehr eine Hühnerleiter, von oben betrachtet ein Niedergang wie auf einem Schiff.

Die schmalen Brettstufen schmiegen sich als Kastenmöbel an die Wand, die hat man bei irgendeinem Umbau verkürzt, so dass die unteren Tritte ohne Seitenwange in der Diele ankommen. Da bewähren sie sich als Sitzgelegenheit, wenn man mit den Enkeln spielt oder sich spontan mit einem Glas niederlässt. Bleibt die Haustür offen, gilt das als Einladung an die Nachbarn, auf ein Achtel hereinzukommen. Das schlanke Holzgeländer setzt sich im oberen Flur fort, es wirkt dadurch wie eine Brücke oder Galerie. Die Umkehrung des Verkehrswegs schafft Größe, man durchmisst das Haus in seiner ganzen Breite. Die freie Wand eignet sich zum Bilderhängen. Sie endet an einer Glastür vor dem Balkon. Dadurch wird das Stiegenhaus hell, die Sonne zeichnet einen wandernden Zackenfries in den Raum.

Unters Dach setzt sich die Treppe als Stahlkonstruktion fort. Auch sie freundet sich mit zwei freien Sitzstufen an. Die eisenglimmernden Geländerstäbe treffen sich am schlanken Handlauf, als sie dem hölzernen Vorfahr zeigen, wie filigran ein Tragwerk sein kann. Die offenen Stufen sind aus hellem Holz, sie begleiten jeden Schritt als musikalische Resonanz, verraten, wer dort geht und wie ihm zumute ist. Über dem Treppenschacht reicht der Blick bis unter das schräge Dach. Auch das ist ein besonderer Raum, den man nicht zufällig herstellen würde.

Es gibt noch drei weitere Treppen in unserem Haus. Ich gehe sie oft und gerne. Dadurch entsteht eine räumliche Beziehung zum Gebauten, irgendwie verdaut man bei jedem Weg den Innenraum, steigt oben und unten wie durch ein Gedärm, in dem sich der Leib des Hauses erkunden lässt.

Nein, barrierefrei ist das alles nicht. Aber vielleicht hilft die ständige Übung, dass es einem nie auffällt.

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