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Privatsphären

Architekten sind Experten für das Private von anderen. Doch an welchen Orten suchen sie selbst Muße und Entspannung? Vier persönliche Einblicke

Text: Cornelia Dörries

Wer sich von Architekten ein Wohnhaus bauen lässt, sucht meist auch im Privaten das Repräsentative und Vorzeigbare. Das belegen zumindest die perfekt ausgeleuchteten, menschenleeren Wohnzimmer in den entsprechenden Hochglanzpublikationen. Mitunter fragt man sich jedoch, wie es wohl dort aussieht, wenn anstelle von zwei dekorativen grünen Äpfeln oder einer schmucken Citterio-Glaskaraffe das wahre Leben mit seinem Zubehör einkehrt und in den aseptisch inszenierten Wohnlandschaften tatsächlich privater Alltag stattfindet. Eine These: Wenn die Räume auch mit Zetteln, Bücherstapeln, Teetassen und Kinderbildern immer noch einladend und schön aussehen, kann vermutlich von einem funktionierenden Privatbereich die Rede sein. Welche Qualitäten jedoch Architekten und Innenarchitekten mit einem gelungenen Rückzugsraum verbinden, lässt sich am besten an jenen Orten ermessen, an denen sie selbst Muße finden und sich ins Private zurückziehen.

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Weitsicht, beheizbar

Sobald es wärmer wird, gibt es für uns keinen schöneren Ort zum Entspannen als diese Sitzbank, geschützt und überdacht, direkt neben dem Essbereich im Haus. Nicht ganz draußen, nicht richtig drinnen, mit weitem Blick in den bäuerlichen Garten und die Natur. Hier finden wir Ruhe und Muße zu Gesprächen über Gott und die Welt. Das Büro liegt zwar gleich nebenan, doch hier fühlt es sich erholsam weit weg an. An diesem geschützten und inspirierenden Platz arbeiten wir ganz entspannt an Entwürfen, besprechen Ideen, überarbeiten Pläne. Am Wochenende oder an den Abenden sitzen wir oft hier, auch mit Freunden, von April an bis in den Spätherbst hinein. Damit wir hier so vieles in Ruhe und Abgeschiedenheit tun können, ist der Platz auch mit ein paar Annehmlichkeiten ausgestattet. Die gespeicherte Wärme der Sonne strahlt abends der Cortenstahl der Rückwand ab, für kühle Tage kann die Sitzfläche beheizt werden, und für die Lieblingsmusik kommt der Sound unsichtbar aus der Decke. Für unseren Rückzug brauchen wir weniger das stille Kämmerlein, sondern das Gefühl von Geborgenheit und Weite gleichermaßen. Das finden wir hier.n
Johannes und Gudrun Berschneider führen seit 2002 ein ­Architekturbüro in Neumarkt/Oberpfalz. Neben Einfamilienhäusern realisiert das Büro Berschneider + Berschneider auch Projekte für ­öffentliche und gewerbliche Bauherren.

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Someone has to be there

Dass es für mich ohne Musik nicht geht, sieht man wahrscheinlich schon an den Vinylplatten, die hier herumliegen. Ja, meine Musik und dieser alte Bertoia-Stuhl mit dem Schaffell bilden zusammen den Ort, an den ich mich abends zum Entspannen am liebsten zurückziehe. Hier kommen mir oft Ideen für Entwürfe, hier überdenke ich vieles, und auch meine beiden Bücher wären ohne diesen Platz und meine “Cure“-Platten nicht entstanden. Den Stuhl, ein echtes Vintage-Stück, habe ich vor gut 30 Jahren auf einem Pariser Flohmarkt gefunden und dann – man darf es gar nicht sagen – mit Felgenspray lackiert. Das Schaffell ist eigentlich nur eine Notlösung; man könnte sonst gar nicht auf dem Stuhl sitzen. Ein guter Privatbereich ist für mich ein Ort, an dem keine Repräsentationspflichten mehr gelten, sondern an dem ein Raum und meine Ansprüche daran in ein ausgewogenes, harmonisches Verhältnis gesetzt sind. Wenn in einer teuren Villa jedes Mal der Maler beauftragt wird, bloß weil das Kind mit seinen schmutzigen Händen mal die Wand angefasst hat, stimmt dieses Verhältnis nicht mehr.

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Innenarchitektin Sylvia Leydecker gründete 1997 nach ­verschiedenen Stationen im Ausland in Köln ihr Büro 100%interior und arbeitet vor allem im Bereich Health Care und Office Design. Ausgerechnet Privatwohnungen gehören nicht zu ­ihrem Portfolio.

Ein duftender Strauß Blumen und ein wärmender Tee

Den privaten Rückzugsraum bekommen nur Vertraute, Freunde und Familie zu sehen; er bleibt dem Rest der Welt verborgen.

Bei Privaträumen geht es immer auch um Erwartungen: Entsprechen Aussehen und Einrichtung dem Charakter der Person, die wir kennen oder kennenlernen, oder sind wir überrascht von dem, was wir zu sehen bekommen? Zwischen dem ordnungsliebenden Pedanten und dem besessenen Chaoten gibt es praktisch alles in unterschiedlichen Ausprägungen. Jeder richtet sich nach seinen Bedürfnissen und seinem Vermögen – im Sinne von Können – ein, und jeder braucht etwas anderes zum Wohlfühlen. Als Architektin muss ich diese Wünschen aufspüren und berücksichtigen. Denn ich versuche mit meinen Entwürfen, solchen privaten Bedürfnissen und Ansprüchen einen möglichst perfekten Raum zur Entfaltung zu schaffen. Ich selbst liebe das Leben und die schönen Dinge. Ich erfreue und erbaue mich an vielem, das meine Sinne anspricht: eine weiche Decke, ein duftender Strauß Blumen, ein wärmender Tee. In den privatesten Momenten möchte ich mich mit Literatur für die Gedanken umgeben, dazu wünsche ich mir vielschichtige Klänge fürs Gemüt und zweckfreie Kunst. Das kann etwas Persönliches sein, von Freunden und Familie in liebevoller Handarbeit gefertigt, aber auch Neues und Altes sowie Dinge, die mir Geschichten von Vorfahren erzählen. Gemeinsam bilden sie meinen Ort der Entspannung und Konzentration; hier fühle ich mich geborgen. Hier bin ich privat.

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Antje Freiesleben, Jahrgang 1965, ist Architektin in Berlin. Zusammen mit Johannes Modersohn gründete sie 1994 das Büro Modersohn & Freiesleben, das sich mit zahlreichen Wohnungsbauprojekten, Hotels und Umbauten einen Namen gemacht hat.

Arbeit als Privatsache

Das ist eigentlich ein Arbeitsplatz. Genauer: mein Arbeitsplatz. Doch weil ich hier den größten Teil meiner Zeit verbringe, ist dieser Ort gewissermaßen zu meinem Privatbereich geworden, den ich auch mit Muße und Einkehr verbinden kann. Hier höre ich abends gern Musik – meistens Jazz – und hänge meinen Gedanken nach, wenn die Tür zum Großraumbüro mit den Mitarbeitern geschlossen ist. Es gibt eben nicht nur unterschiedliche Vorstellungen von Privatheit, sondern auch ganz variierende Räume, in denen Menschen sich zu Hause fühlen. Bei unseren Villenprojekten zum Beispiel habe ich mit Bauherren zu tun, die sich von uns einen sehr exklusiven Rahmen für ihre jeweilige Privatheit schaffen lassen. Das kann bisweilen so weit gehen, dass wir sogar die zum Entwurf passenden Tassen und Küchenutensilien aussuchen müssen. Um ein Gefühl für die Erwartungen und Wünsche unserer Bauherren zu bekommen, besuchen wir sie auch zu Hause und sehen uns an, wie sie eingerichtet sind. Diese Form der Einfühlung, des Verstehens und Erfassens einer Persönlichkeit ist für die Planung von Privaträumen unverzichtbar. Ein guter Architekt ist ja letztendlich auch ein Raum-Psychologe, der am konkreten Ort sehr gut nachvollziehen kann, was den jeweiligen Nutzer umtreibt, wie er lebt und was er sich wünscht. Diese reale Erfahrung lässt sich nicht durch Fotos ersetzen. Ach so, was man übrigens auch hier nicht sieht: Gegenüber von meinem Arbeitstisch steht noch ein herrlich bequemer Sessel.

Thomas Hillig gründete 1994 in Berlin sein eigenes Architekturbüro und hat seither eine Vielzahl von Wohnungsbauprojekten im großen und kleinen Maßstab realisiert. Dazu gehören neben Neubauten auch zahlreiche Bestandsumbauten und Denkmalschutzprojekte

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