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[ Gebäudeautomation Wohnen ]

Was ist eigentlich Smart Home?

Smarte Gebäude, smartes Energiemanagement oder die feindliche Übernahme eines Gebäudes durch Hacker – der Begriff „Smart Home“ gehört zu den Lieblingen der Medien. Doch was ist dran an den Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren der Technologien?

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Text: Günther Ohland

Von einem „Smart Home“ spricht man gerade dann, wenn die im Haus oder in Wohnräumen verwendeten Geräte und Bedienelemente sowohl mit der elektrischen Anlage als auch der Heizungs-, Klimatisierungs- und Lüftungsanlagen, der Verschattungssysteme (Rollladen) sowie die Energieerzeugung und Stromspeicherung miteinander vernetzt und für bestimmte Aufgaben programmierbar sind. Die interne und externe Kommunikationstechnik, die Multimedia- und Sicherheitstechnik kann ebenso in das Smart Home eingebunden sein wie Elektrohaushaltsgeräte. Ferner lassen sich auch Assistenzfunktionen und Dienste für alltagsunterstützendes Leben und Wohnen (Ambient Assisted Living – AAL) sowie Sicherheitsfunktionen in ein intelligentes Gebäudesystem integrieren. Damit unterstützt das System Anwender oder Nutzer bei alltäglichen Lebensaufgaben. Das Smart Home kann auf Wunsch auch über das Internet angesprochen und mit Hilfe von Apps vom Anwender bedient werden.

Grafik: Statista 2015
Grafik: Statista 2015

Aktuell stellen sich viele so genannte smarte Produkte als nur per „Smartphone bedienbare Produkte“ heraus. Doch was bitte soll smart daran sein, ein Garagentor, das Licht oder ein Rollo per Smartphone zu „bedienen“? Smart wäre es, wenn die Produkte oder das Gebäude entsprechend den von den Bewohnern definierten Regeln selbst handeln würden. Der manuelle Eingriff in das Regelwerk per Taster oder Handy sollte nur die Ausnahme sein.

Darum wollen Menschen Smart Home

Menschen kaufen Nutzen, keine Technik. Ein Beispiel: Niemand möchte eine Heizung kaufen, man möchte es im Winter warm haben und dazu benötigt man eben eine Heizung. Niemand möchte „Common Rail Technologie“ kaufen, sondern ein Auto – in diesem Fall mit Dieselmotor – das möglichst wenig Kraftstoff verbraucht. Und das ist derzeit Common Rail. Ebenso verhält es sich bei Smart Home. Kunden möchten möglichst wenig Heizenergie verbrauchen und dazu im Winter Sonnenwärme über große Fenster einfangen, im Sommer aber auch die dann übermäßige Wärme aussperren. Dabei hilft eine intelligente Beschattungssteuerung, die den Standort, die Ausrichtung der Fenster, die sich täglich ändernde Bahn der Sonne um das Gebäude, die Lichtintensität und die Innentemperatur berücksichtigt. Für gesunde, bewegliche Menschen ist die Kontrolle der Zimmertemperatur eine Komfortfunktion, für beispielsweise bettlägerige Patienten bedeutet dieses Lebensqualität. Eine solche Steuerung soll natürlich auch dann funktionieren, wenn niemand zuhause ist. Für ein Smart Home ist diese komplexe Aufgabe kein Problem. Eine einfache Astro-Funktion löst die Aufgabe allerdings nicht.

Kunden möchten es im Bad am Morgen und vor dem Schlafengehen mollig warm haben. Die Temperatur während der übrigen Stunden ist für sie ohne Belang. Hier kann eine kombinierte Temperaur-Zeitsteuerung erheblich Heizkosten einsparen, ohne Komfortverlust. Eine reine Einzelraumregelung erfüllt den Zweck nicht.

Kunden möchten, dass im Brandfall der Rauchmelder sie nicht nur weckt, sondern dass gleichzeitig alle Rollläden hochfahren und das Licht im gesamten Gebäude eingeschaltet wird. So gibt es Orientierung und die Öffnung von Fluchtwegen. Für ein Smart Home bedeutet diese Funktion keine Zusatzkosten, sie ist eine reine softwareseitige Verknüpfung vom Sensor „Rauchmelder“ mit den Aktoren für Licht und Rollläden.

Kunden möchten den von ihrem Gebäude per Photovoltaik erzeugten Strom möglichst vollständig nutzen und unabhängig vom „Strom-Provider“, beispielsweise den Stadtwerken, sein. Inzwischen beginnt es sich zu rechnen in einen eigenen Batteriespeicher zu investieren. Ein Smart Home koordiniert die Stromerzeugung mit dem Verbrauch, verschiebt möglicherweise elektrische Lasten und erfüllt so die gestellte Aufgabe. Dazu müssen Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Spülmaschine und Trockner, aber auch Warmwasserbereiter und ggf. eine E-Mobil-Ladestation einbezogen werden. Die einfachen Produktangebote der PV-Hersteller sind für diese komplexen, gewerkeübergreifenden Aufgaben in der Regel nicht ausgelegt, ein gutes Smart Home System schon.

Grafik: Statista 2015
Grafik: Statista 2015

Architekt und Handwerker

Es ließen sich noch viele weitere Beispiele anführen, viel wichtiger ist jedoch, dass Smart Home sich an den individuellen Wohnbedürfnissen der Menschen orientiert und nicht Spielzeug für Technikfreunde ist. Für diese Optimierungen und Komfortwünsche ist der Architekt oder der Innenarchitekt die kompetente Person. Das Handwerk setzt deren Planung fachgerecht um. Man kann nicht erwarten, dass ein Handwerker ein gewerkeübergreifendes smartes Konzept vorschlägt. Wir haben in Deutschland keinen „Smart Home Handwerker“. Smarte Gebäude benötigen die koordinierte Arbeit von Elektroinstallateur, Heizung-, Klima-, Sanitär-Handwerk, Beschattungshandwerker, Fenster- und Türenbauer, sowie einen Telekommunikationsspezialisten. Wer bespricht was mit dem Kunden bzw. Auftraggeber? Wer koordiniert die einzelnen Aufgaben? Wer ist Ansprechpartner bei Problemen? Es lohnt, einen so genannten SmartHome Systemintegrator einzubeziehen. Er kostet zwar zusätzlich Geld, spart in der Regel aber im Endeffekt ein Vielfaches ein. Systemintegratoren und von der SmartHome Initiative Deutschland geprüfte und zertifizierte Fachbetriebe finden sich hier (Hinweis der Redaktion: Der Autor ist Geschäftsführer dieser Initiative). Der Einsatz eines Systemintegrators bedeutet allerdings nicht, dass Architekten auf ein Basiswissen über Smart Home verzichten können, sonst können sie nicht beraten.

Technologien, System und Kompatibilität

Bis vor wenigen Jahren galt, dass Smart Home nur im Neubau realisierbar sei. Diese damals richtige Aussage war den ausschließlich kabelgebundenen Systemen EIB (Europäischer Installations-Bus), der heute KNX heißt, der Alternative LCN (Local Control Network) und dem LON (Local Operating Network) geschuldet. Heute bieten funkbasierte Systeme gute Alternativen. Sie ermöglichen Architekten und Planern vielfältige Gestaltungsoptionen. Eine Montage auf Glas oder einer Betonwand stellt kein Problem mehr dar. Der für die Gebäudetechnik verwendete Funk unterscheidet sich deutlich von den bekannten Technologien für Handy, Schurlostelefonie (DECT) oder WLAN. Die Daten-Telegramme sind viel kürzer (ein/aus) und auch die Sendeleistung ist viel geringer. Ein Gutachten des ECOLOG-Instituts Hannover (pdf) zu „Hochfrequenzemissionen von Funkschaltern“ belegt dies. Danach ist die Elektrosmog-Belastung der EnOcean Funkschalter sogar um Größenordnungen geringer, als die einer konventionellen Elektroinstallation.

Als optimal hat sich in vielen Projekten die Kombination von Funk und Kabel herausgestellt. Stromschalter, Dimmer und Aktoren für die Fußbodenheizungsventile sollten die Handwerker zentral in der Haupt- oder einer Unterverteilung anbringen. Sensoren, also Licht- und Rollotaster, Temperatur-, Luftfeuchte- und Licht-Messer sowie Bewegungsmelder lassen sich sehr gut ohne Kabel flexibel platzieren. Je nach verwendetem Funkstandard sind in den Sensoren langlebige Batterien oder bei der EnOcean-Technologie (ISO/IEC 14543-3-10 ) noch nicht einmal diese erforderlich. Die Verwendung von Funksensoren hat in großen Gebäuden noch weitere Vorteile. So werden viele Kabel und damit PVC und Brandlast vermieden.

Das Thema „Kompatibilität und Interoperabilität“ wird häufig und fälschlicherweise noch als ungelöstes Problem dargestellt. Zum Vergleich: Wenn man sich für ein Benzin-Automobil entscheidet, kann man keinem Diesel tanken, auch wenn dies billiger ist. Entscheidet man sich beispielsweise für das System KNX, beschränkt man sich vordergründig auf Produkte, die für dieses System angeboten werde. Die Angebotspalette ist allerdings so reichhaltig, dass es keinen Grund gibt, auf andere Systeme zurückgreifen zu müssen. Möchte man trotzdem gerne Lichttaster mit EnOcean-Technologie einsetzen, so geht auch dies. Es gibt so genannte Gateways, die die Signale zwischen beiden Systemen übersetzen. Leider ist dies dem Handwerker nicht immer bekannt, da er seine Informationen meist von den einzelnen Herstellern bezieht, die keine Werbung für Konkurrenzprodukte machen wollen. Herstellerunabhängige Softwareprodukte wie beispielsweise die Schweizer Software myHomeControl unterstützen mehrere Hardware-Systeme gleichzeitig. Eine Inkompatibilität zwischen den unterschiedlichen Bus-Systemen wirkt sich also nicht aus, die oftmals geäußerten Bedenken sind daher für die Praxis nicht relevant.

Möglichkeiten und Grenzen

Grafik: Statista 2015
Grafik: Statista 2015

Die Möglichkeiten, die uns die smarte Technik bietet, übersteigen die Fantasie der meisten Kunden. Technische Grenzen gibt es kaum, wohl aber gesetzliche und moralische. Automatische Sensoren sammeln Daten über die Art, wie wir leben. Diese Daten werden benötigt, damit das smarte Haus perfekt funktioniert, sie sollten das Haus aber niemals verlassen. So genannten Cloud-Lösungen, bei denen die Daten über das Internet zu einem Server übertragen und dort verarbeitet werden, kann man deshalb durchaus skeptisch gegenüberstehen. Smart Home bedeutet auch nicht zwangsläufig Internet, sondern nur dann, wenn man sein Gebäude aus der Ferne überwachen und beeinflussen möchte. Bei Mehrfamilienhäusern und Mietwohnungen unterliegt die Speicherung von personenbezogenen Daten der Mieter gesetzlichen Vorschriften. Vereinfacht gesagt: Speichern der Daten ist verboten, außer und nur so lange, wie sie zur Erfüllung des Zwecks benötigt werden. Also keine Langzeitaufzeichung von Temperatur und Lüftungszeiten, auch nicht zur Schimmelvorbeugung. Die Feststellung, dass ein Fenster geöffnet wurde, um dann sofort den Heizkörper unter dem Fenster auszuschalten, durchaus.

Ein weiterer Aspekt ist der Einbruchschutz: Smarte Gebäude sind grundsätzlich sicherer als konventionelle. Sie helfen Einbrüche zu vermeiden, da sie nach entsprechend vorgegebenen Regeln agieren. Sie simulieren die Anwesenheit per Rollo und Licht, sorgen nachts für perfekt geschlossene und durch den Motor blockierte Rollläden und verschließen elektrisch die Haus- und Wohnungstür. Sollte trotzdem ein Einbruch erfolgen, werden also Türen oder Fenster zu einem Zeitpunkt geöffnet, zu dem eigentlich niemand zuhause ist, erkennt eine smarte Wohnung dies und handelt: Licht an, alle Rollos hoch, um die Einbrecher zu verscheuchen, vielleicht sogar noch eine Ansage über die Lautsprecher der Stereoanlage. Gleichzeitig sendet das System eine E-Mail oder SMS an seine Bewohner. Ab jetzt müssen die Menschen handeln. Das Smart Home System darf die Polizei nicht anrufen, auch wenn es das natürlich könnte.

Umgekehrt befürchten Bewohner, dass Einbrecher per Smartphone die Tür öffnen könnten. In Deutschland ist der Polizei bisher kein einziger Fall bekannt, bei dem so etwas passiert wäre. Auch wenn es rein theoretisch ginge, die Wahrscheinlichkeit ist hypothetisch. Zu diesem Themenbereich hat das Landeskriminalamt NRW, die VdS Schadenverhütung GmbH und unsere SmartHome Initiative Deutschland eine kleine Broschüre für Bürger und eine umfangreichere für Handel und Handwerk herausgebracht. Beide finden Sie hier.

Günther Ohland ist Fachjournalist und Initiator des Musterhauses SmartHome Paderborn sowie Gründungsmitglied der SmartHome Initiative Deutschland e.V.


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