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[ Schwerpunkt: Gefahr ]

Kampf dem Hebeln, Bohren, Picken

Häuser ohne Nischen, feste Wände und vor allem einbruchhemmende Türen und Fenster halten Einbrecher fern

Text: Jens Pickelmann, Jürgen Benitz-Wildenburg

Alle dreieinhalb Minuten wird in Deutschland ein Einbruch verübt. Das ist der aktuellen Kriminalstatistik zufolge der höchste Stand seit 15 Jahren. Die meisten Einbrüche bei Ein- und Zweifamilienhäusern erfolgen über ebenerdige Terrassentüren und Fenster. In 75 Prozent der Fälle gelangen die Diebe durch einfaches Aufhebeln der Bauteile ins Haus. Viel seltener kommt das oft medienwirksam dargestellte Aufbohren oder das sogenannte „Picken“ von Schließzylindern vor. Es zeigt sich auch, dass einbruchhemmende Maßnahmen in 43 Prozent der Fälle wirksam sind, weil der Einbruch abgebrochen wird. Denn je mehr Zeit der Täter benötigt, desto nervöser wird er. Das System der Einbruchhemmung wirkt wie eine Kette und ist immer nur so gut wie das schwächste Glied.

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Einbrecher bevorzugen nicht einsehbare Bereiche wie Kellereingänge, Terrassen oder Türen in Nischen. Diese sollten schon bei der Gebäudeplanung möglichst vermieden werden. Auch die Dimensionierung der Außen- oder Wohnungstrennwände sowie die Wahl des Wandbaustoffs haben Einfluss auf die Einbruchhemmung. Kritisch ist der Einbau von einbruchhemmenden Elementen in Wände mit hoch wärmedämmenden, sehr porösen Steinen. Werden die Mindestanforderungen an Wanddicke und Druckfestigkeit nicht erfüllt, kann auch insgesamt keine einbruchhemmende Wirkung erreicht werden.

Nachweise, Prüfung und Zertifizierung

Die Einbruchhemmung von Fenstern und Außentüren ist im Absatz 4.23 der Produktnorm EN 14351-1 geregelt und verweist für die Prüfung und Klassifizierung der Widerstandsklassen auf die Normenreihe EN 1627 bis EN 1630, die auch Vorhangfassaden und Gitterelemente umfasst. DIN EN 1627 bietet sechs Klassifizierungsmöglichkeiten für einbruchhemmende Fenster, Türen, Rollläden und sonstige Abschlüsse. Die unterschiedlichen Widerstandsklassen werden einer gemäß Norm zu erwartenden Täterbeschreibung und Widerstandszeit mit entsprechenden Werkzeugen gegenübergestellt. Bei öffentlichen Ausschreibungen ist die Widerstandsklasse RC 2 nahezu zum Standard geworden. Höhere Klassen sind keine Seltenheit mehr.

Die Einbruchprüfung hat drei Teile: eine statische und eine dynamische Lastprüfung sowie den manuellen Angriff. Am ift Rosenheim wurden Hunderte solcher Prüfungen durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Prüfkörper im Allgemeinen die ersten beiden Tests bestehen und die manuelle Prüfung die ausschlaggebenden Ergebnisse bringt. Bei dieser Prüfung wird ein realistischer Einbruchversuch durchgeführt (Werkzeugangriff), der sich an dem Verhalten professioneller ­Einbrecher ­orientiert und mit einem je nach Widerstandsklasse definierten Werkzeugsatz erfolgt. Zuvor ermittelt der Prüfer die Schwachstellen am Element, die dann in der Hauptprüfung gezielt angegriffen werden. Ausschlaggebend ist hier die Zeit, die der Prüfer bis zum Aufbringen der Tür oder des Fensters braucht. Je nach Widerstandszeit erfolgt dann die Einstufung des Bauelements in die zugehörige „Resistance Class (RC)“.

Die Herstellung und Produktion einbruchhemmender Fenster, Türen und sonstiger Abschlüsse erfordert ein hohes Maß an Fachwissen und Know-how. Gefordert ist es vom Anbieter der Bauteilkomponenten (Beschläge, Fensterprofile und Glas), vom Hersteller und vom Monteur. Bei unsachgemäßer Verarbeitung versagt diese Technik. Beispielsweise lassen sich die sicheren Pilzkopfverriegelungen leicht überwinden, wenn diese falsch montiert werden und nicht richtig greifen.

Produkte und Hersteller mit hoher Qualität können sich deshalb auch zertifizieren lassen und werden regelmäßig durch eine hierfür autorisierte Prüfstelle überwacht. Ein Schild kennzeichnet zertifizierte Produkte, die ebenso wie zertifizierte Hersteller und Montagebetriebe in die Herstellerlisten der Landeskriminalämter (KPK-Listen) aufgenommen werden, auf die bei der kostenlosen Beratung von Planern und Bauherren verwiesen wird.

Architektur und Sicherheit

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Gefahrenzonen: Typische Einbruchstellen bei Einfamilienhäusern

Bei der Konstruktion von einbruchhemmenden Bauteilen muss die gesamte Sicherheitskette geschlossen sein. Auf die Einbruchhemmung muss jedes Detail abgestimmt werden – von der Befestigung in der Wand über Material und Falzausbildung, eine geeignete Schlossauswahl und -befestigung sowie die Beschlagauswahl bis zur eingesetzten Verglasung. Hier ergibt sich oft ein „Spagat“ zwischen Design und Eigenschaften wie Wärme- oder Schallschutz, beispielsweise durch verdeckte Beschläge oder schmale Profile. Erfolgreiche Prüfungen zeigen aber, dass sowohl Sicherheits- als auch die architektonischen und energetischen Anforderungen erfüllt werden können. Einbruchhemmende Fenster benötigen größere Glasdicken und darum größere Profilquerschnitte. Die Industrie bietet Beschläge für die verschiedenen Widerstandsklassen; ihre Montageanleitungen enthalten Angaben zur Verschraubung und Montage. Wichtig sind auch abschließbare Fenstergriffe, um ein Öffnen nach einem lokalen Durchbruch durch das Glas zu vermeiden.

Fenster- und Türelemente im Bestand können auch durch Beschläge nach DIN 18104-1 für Aufschraubsicherungen und DIN 18104-2 für verdeckt liegende Beschläge nachgerüstet werden. Hiermit lassen sich Bauelemente, die nur über Standardbeschläge verfügen, verstärken. Zwar kann dadurch keine höhere Widerstandsklasse erreicht werden, Gelegenheitsdieben widerstehen sie dennoch gut.

Wahl der Verglasung

Die für einbruchhemmende Bauteile erforderlichen Verglasungen werden in EN 356 geregelt. Anforderungen je nach angestrebter Widerstandsklasse stellt die EN 1627, die auch eine Einteilung der Widerstandsklasse RC 2 in zwei unterschiedliche Klassen erlaubt. Der Zusatz „N“ bei den Widerstandsklassen „RC 1 N“ und bei „RC 2 N“ steht für „nationale Anforderung“. In Deutschland ist in der Klasse RC 2 N der Einsatz von Normalglas ohne angriffhemmende Eigenschaften möglich, jedoch mit einem Grundschutz gegen Hebelwerkzeug. Dies ist eine kostengünstige Möglichkeit, den Einbruchschutz wirksam zu verbessern. Wesentlich ist das Einbringen einer zusätzlichen Distanzverklotzung zwischen Glas und Flügel sowie zwischen Mauerwerk und Blendrahmen an allen Verriegelungsstellen.

Ein positiver Nebeneffekt von Sicherheitsglas (beispielsweise Klasse P4 A) ergibt sich auch, wenn es raumseitig angebracht wird. Dadurch wird innen die Verletzungsgefahr durch Glasbruch für Kinder reduziert und auf der Außenseite für den Einbrecher erhöht.

Die Sicherung von Ausfachungen (Glas und Paneele) auf der Angriffsseite kann durch eingeschraubte Metallwinkel erfolgen. Diese verhindern, dass der Profilüberschlag abgerissen und die Füllung ausgebaut wird. Wichtig ist eine versetzte Anordnung der Schrauben. Sind außerdem die Stahlprofile als verschweißte Eckwinkel ausgebildet, wird zusätzlich die Rahmenverbindung ausgesteift. Die Sicherung der Glasanbindung auf der Innenseite kann auch durch Verklebung der Scheiben zum Glasfalzgrund oder durch Verschraubung der Glashalteleisten erfolgen. Wichtig ist, dass die Entlüftung des Glasfalzes vollständig erhalten bleibt.

Fachgerechte Montage

Bei der Montage von geprüften einbruchhemmenden Fenstern und Fassaden sind die Vorgaben der Montageanleitung zu beachten. Sie legt fest, mit welchen Montagemitteln und Abständen die Elemente befestigt werden müssen und welche Bereiche (Verriegelungs- und Bandpunkte) des Bauteils eine besonders starre Befestigung (druckfeste Hinterfütterung) zum Mauerwerk benötigen, um die auftretenden Kräfte über die Befestigung in die Außenwand zu übertragen. Diese verhindert ein Auslenken zwischen Blend- und Flügelrahmen und somit ein Aushebeln der Beschläge. Bei großen Elementen, etwa Fensterbändern, können Probleme durch eine Begrenzung der Wärmedehnung im Bauanschlussbereich auftreten. Dies ist im Einzelfall bei der Planung und Konstruktion zu berücksichtigen.

Jens Pickelmann ist Produktingenieur und Dipl.-Ing. (FH); Jürgen Benitz-Wildenburg ist Leiter Öffentlichkeitsarbeit beim Institut für Fenstertechnik (ift) in Rosenheim.


Mehr Informationen

Verglasung sowie die Zuordnung der Widerstandsklassen zu massiven Wänden finden Sie, tabellarisch aufbereitet, auf der Seite des ift Rosenheim.

Auf unserer Seite DABpraxis lesen Sie informative Herstellerinformationen zum Thema Sicherheit.

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