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[ Glosse ]

Irre im Garten

Ein Haus für den Rasenmäher – ein Fall für Rilke

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Text: Roland Stimpel

Wäre Rainer Maria Rilke nicht 1875 geboren worden, sondern 1965, dann würde er vielleicht seine Lyrik von der Industrie unterstützen lassen – zum Beispiel aus der Rasenmäher-Branche. Rilke klänge dann nicht resigniert-melancholisch wie in seinem berühmten „Herbsttag“, sondern fanfarenhaft optimistisch: Wer jetzt ein Haus baut, baut für Mäher immer mehr! Dank der Initiative eines Rasenmäher-Herstellers gibt es nun wirklich eine baukulturell hochwertige Hütte für das Gerät – erdacht vom 1965 geborenen Jürgen Mayer H., dem Rainer Maria R. unter Deutschlands Gegenwartsarchitekten. Ganz wie dem Dichter fließt ihm eine lautmalerische Bau-Poesie aus der Feder, freie Assoziationen mit lyrischen Rundungen. So hat er der Stadt Sevilla über einem ganzen Quartier ein Gerüst-Dach nach Rilkes „Panther“-Motto geschenkt: Als ob es tausend Stäbe gäbe und unter tausend Stäben eine Welt.

Mayer H. war kürzlich einer von fünf Architekten, die der Hersteller des Roboter-Rasenmäher „Automower“ einlud, für das Maschinchen ein Heim zu entwerfen. Das schlaue Gartengerät ist laut Hersteller „für viele Gartenfreunde schon beinahe zu einem Haustier geworden“. Das begründet der Produzent mit einem Doppelhalbsatz von fast Rilkescher Rhythmik: „kürzt er den Rasen doch beständig wie ein Schaf und bewohnt manchmal sogar sein eigenes kleines Haus!“ Mayer H.s Siegermodell ist fürwahr Maschinchen-Architektur: Es sieht aus wie ein herausgebrochenes, geradegeklopftes und dann neu verbogenes Segment eines Zahnrads. Oder so ähnlich.

Tatsächlich ist es aber etwas ganz anderes, nämlich die ganz leicht variierte Miniaturausgabe einer Autobahnraststätte in Gori, Georgien, wo Mayer H. am liebsten baut. Er hat allerdings nicht etwa den Entwurf fürs Gartenhäuschen bei sich selbst heimlich abgekupfert, sondern den Rasenmäher-Leuten den Schrumpfprozess offengelegt – alles korrekt. Nun schleicht nach Feierabend das elektronische Haustier ins Heim und verdaut mit Rilke: Wie gut das Gras ist und wie leis! Das ist aus einem Gedicht, dessen Titel mit Mayer H. nun gar nichts zu tun hat: „Irre im Garten“.

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