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[ Schwerpunkt: Licht ]

Schlankes Wirtschaftswunder

Das Dreischeibenhaus in Düsseldorf steht für das Hellste der deutschen Nachkriegszeit. Jetzt ist es saniert – und noch luftiger als zuvor

Filigran: Das Dreischeibenhaus besticht durch seine schlanke Form (Foto: Ansgar M. van Treeck)
Filigran: Das Dreischeibenhaus besticht durch seine schlanke Form (Foto: Ansgar M. van Treeck)

Text: Roland Stimpel

Ein „Manhattan im Grünen“ feierte 1958 die „Welt“. Von drei „Ausrufezeichen des Wirtschaftswunders“ schwärmte die „Süddeutsche Zeitung“. Ein „Nonplusultra an Präzision, Transparenz, Schwerelosigkeit“ sah später der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt – wenn auch nur „für deutsche Verhältnisse“. Ein ganz uneingeschränktes Lob war Pehnt unmöglich, denn er ist Kölner und der Bau steht in Düsseldorf. Aber das Dreischeibenhaus, früher auch als Thyssen-Haus bekannt, ist von nationaler Bedeutung und nicht nur für Pehnt „ein Signet der westdeutschen Nachkriegsarchitektur“. Es steht für Wieder-, nein: Neuaufbau, für Amerika- und damit Weltoffenheit, fürs Helle und Transparente und für einen neuen, scheinbar aus dem Nichts heraus auf 25 Etagen hochgeschossenen Wohlstand.

„Es wurde unser größter Erfolg“, schrieb in seinen Memoiren der Architekt Helmut Hentrich, der das Haus zusammen mit seinem Partner Hubert Petschnigg und den jungen Architekten Fritz Eller, Erich Moser und Robert Walter entwarf. Den Aufbruch ins Neue, den das Haus für Düsseldorf und Deutschland im Allgemeinen symbolisierte, verkörperte es für Helmut Hentrich im Besonderen. Der hatte acht Jahre mit ­Albert Speer verbracht, dessen Stabsangehörige sich nach dem Krieg bevorzugt in Düsseldorf niederließen und erst mal ­konservativ weiterbauten. „Im Fall des Dreischeibenhauses wechselte das Team mit wehenden Fahnen ins Lager der Moderne“, schreibt Wolfgang Pehnt.

Fast 60 Jahre danach ist das heutige Büro HPP jetzt erneut mit wehenden Fahnen ins Haus gezogen und hat unter der Leitung seiner Projektpartnerin Claudia Roggenkämper erneuert, was erneuert werden musste. Das war weniger als bei anderen Häusern aus dieser Epoche. Herausgekommen sind noch mehr heller Raum, weniger dickleibige Technik und der Beweis, dass der Bau zeitlos und im Prinzip nicht veränderungsbedürftig ist. Sein Charakter wurde funktional und optisch bewahrt – nicht nur, weil es ein Denkmal ist.

Feines Foyer: Die Eingangshalle des Dreischeibenhauses steht für eine reiche Moderne – heute wie vor 55 Jahren. (Foto: Manfred Hanisch)
Feines Foyer: Die Eingangshalle des Dreischeibenhauses steht für eine reiche Moderne – heute wie vor 55 Jahren. (Foto: Manfred Hanisch)

Das beginnt bei seinem weit vorkragenden und im Inneren fortgesetzten Vordach, das vor Kurzem im Hollywoodfilm „Cloud Atlas“ zu sehen war. Das Dach führt ins zweigeschossige Foyer mit seinem grün glänzenden Marmorboden, für dessen Erneuerung der damals aktive Steinbruch in den österreichischen Tauern jetzt eigens neu aufgeschlossen wurde.

Aber sonst, da es das Haus eines Stahlkonzerns war: Wandverkleidungen aus Stahl. Stahlstützen, in der Farbe Petrol gestrichene­ Stahlsäulen hinter der Fassade, die sich bis in die 25. Etage durchziehen. Barcelona-Stahlrohrsessel, die an Hentrichs Vorbild Mies van der Rohe erinnern – wie das Erscheinungsbild des Foyers insgesamt. Eine Ausnahme machen hier nur die Schmalseiten mit ihren unverkleideten, verschiedenfarbig markierten Heizungs- und Wasserleitungen – 15 Jahre vor dem Centre Pompidou. Angenehm dezent sind die heute nötigen Brandschutzvorrichtungen: Ausgänge an den Längsseiten, aus der Decke fallende Vorhänge, um 90 Grad gedrehte Aufzugs- und Treppenschächte, die neue Fluchtwege erschließen.

Überm Foyer türmen sich die Büros. Am Boden vor den Fahrstühlen glänzt auf jeder Etage der grüne Marmor. Tritt man dann von der mittleren der drei Hausscheiben, die den Erschließungskern enthält, in die westliche oder östliche Außenscheibe, tut sich eine überraschende Weite auf. Sichtachsen führen zu den Fenstern an den Schmalseiten; überall sind Blicke durch das Haus in seiner ganzen Länge möglich.

Früher beherbergte das Haus die Verwaltung eines einzigen Konzerns; heute vermarktet man mit Erfolg Kleinflächen. Eine halbe Etage ist das Minimum: Jeweils die Gesamtfläche einer äußeren Scheibe, dazu ein Teil der mittleren. Die Räume zweier Mieter grenzen so annähernd L-förmig aneinander. Die Büroflächen waren zumindest in den Außenscheiben schon vor 55 Jahren so flexibel wie standardisiert, wie sich das heute jeder Flächenökonom wünscht: Fensterachsen von 1,40 Metern Breite, tauglich für Querwände an jeder gewünschten Stelle. Die Räume sind fast stützenfrei und taugen für die heute gefragte Vielfalt von Team-, Kombi- und Zellenbüros.

An den Fenstern zeigt sich der Fortschritt in technischer Abrüstung. Früher waren sie nicht zu öffnen. Die Jalousien hingen im Rauminneren: Sommerhitze strömte frei ins Haus. Das erforderte eine aufwendige Klimatisierung; für die Geräte brauchte es klobige Brüstungen. Nunmehr haben die Fenster Griffe. 9,5 Zentimeter davor sind weitere starre Scheiben angebracht, die unten und oben jeweils zwölf Zentimeter breite Spalte frei lassen, durch die Luft zirkuliert. Die Scheiben bleiben so leicht und dünn, dass auch die Rahmen nicht verstärkt werden müssen. Die Jalousien hängen am ­alten Ort und damit vor den jetzigen ­Innenscheiben. Und wo in den Brüstungen die Rohre der Zentralklimaanlage verliefen, ist nutz- und vermietbare Bürofläche entstanden.

All das ist eng abgestimmt mit den Düsseldorfer Denkmalpflegern, die es mit den Architekten leicht hatten: HPP hat natürlich größtes Interesse an der Pflege des Eigendenkmals. Projektpartnerin Claudia Roggenkämper plante auf der Basis von „wunderbarem Archivmaterial“ – bis hin zu „tollen alten Dias“ der Büro-Ikone. Jetzt entstanden in der 20. Etage Musterfenster, die bei Begutachtung von der Straße keinen Unterschied zu den alten zeigten. Von der Idee, teures Weißglas zu verwenden, kam man bald wieder ab: Normales Floatglas mit seinem leichten Eisenoxidanteil passt zum Haus besser – und billiger ist es auch.

Auch die Raumbeleuchtung prägt nachts das Erscheinungsbild des Baus. „Position und Proportion der Leuchtbänder an der Decke waren vom Denkmalschutz vorgegeben“, berichtet Roggenkämper. Neu ist, dass der Leuchten-Lieferant Regent und der Lüftungsbauer Trox eine gemeinsame, platzsparende Konstruktion entwickelten, sodass sich beide Medien jetzt dieselben Deckenschlitze teilen. Klimatisiert wird nur noch dezentral.

Für Architekten zu teuer

Um die Aura des Wirtschaftswunder-Symbolbaus wissen auch die Investoren Patrick Schwarz-Schütte und Ali-Reza Momeni, die in die Modernisierung 220 Millionen Euro gesteckt haben. Schwarz-Schütte zieht mit seiner Firma selbst in die obersten Etagen. Weiter unten residieren Unternehmensberater, Anwälte und als größter Einzelmieter der Reisekonzern Alltours, der von hier aus die Düsseldorf-Starts seiner Flieger aus dem Fenster verfolgen kann. Auch der Einzug von HPP hätte ideell sehr nahegelegen. Er scheiterte daran, dass ein Architekturbüro kaum je die „Flächenproduktivität“ aufbringen könnte, die die hier verlangten Höchstmieten tragen könnte.

Von draußen ist dem Bau die Erneuerung kaum anzusehen – was daran liegt, dass er vorher nicht ältlich wirkte. Aluminium und Glas, die die Querfassaden prägen, sind relativ zeitlos. Die für heutige Verhältnisse sündhaft teure Verkleidung der Längsfassaden mit gefaltetem Stahlblech zeigt gut tolerierbare Ansätze von Rost oder Schmutz. Zwischen ihnen ist ein Stück Konstruktion zu bewundern: die mal nach links und mal nach rechts geneigten Aussteifungselemente gegen den Wind. Selbstredend auch aus Stahl und hinter der Fassade so solide verschraubt, wie man das sonst nur an Brücken sieht. Im Haus erkennt man es nur während der Bauzeit, solange die Wandverkleidungen fehlen.

Frei stellen oder zubauen?

Unten vor dem Haus ist gerade ein anderes Denkmal aus derselben Epoche verschwunden, die „Tausendfüßler“ genannte Hochstraße. Sie war formal eine elegante Vertreterin dieses sonst meist brutal-plumpen Bautyps, stand aber funktional für all seine schlechten, gegenüber der Stadt rücksichtslosen Eigenschaften. Wo eben noch ihre Rampe war, ist jetzt das Dreischeibenhaus vom Hofgarten-Park aus in seiner Gänze zu bewundern – allerdings auch in der unendlichen Wiederholung seiner Normfenster und damit als Symbol einer fordistischen Großverwaltung. Das ist aber schon fast wieder beruhigend-angenehm, sieht man das Haus zugleich mit Daniel Libeskinds neuem Kö-Bogen gegenüber. Der trägt gezähmten, nicht mehr sehr spannenden Dekonstruktivismus als Marken-Gag zur Schau.

Umstritten ist in Düsseldorf noch der Umgang mit der Fläche südlich des Dreischeibenhauses, die nach Ersatz des Tausendfüßlers durch einen Autotunnel frei geworden ist. HPP plädiert lebhaft dafür, ihn frei zu halten – es gibt hier so schöne, neue Blicke aufs Dreischeibenhaus. Ein Wettbewerb der Stadt verlangte „bauliche Arrondierung“; außerhalb davon stellte der Architekt Caspar Schmitz-Morkramer das Projekt einer Markthalle vor. Anfang März präsentierten die Architekten Molestina und Fenner, Christoph Ingenhoven und Snøhetta neue Entwürfe. Die europäische Verdichtung mit Blöcken würde den unteren Bereich des Dreischeibenhauses beim Blick aus der City verdecken. Bliebe als Trost die neue freie Westsicht vom Hofgarten-Park. Von hier aus gesehen, spielt das Haus tatsächlich das „Manhattan im Grünen“, das bei seiner Errichtung vor 56 Jahren ausgerufen wurde.

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