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[ Europa ]

„Internationale Arbeit konzentrieren“

Mehr Engagement in Europa, dafür weniger globales: Die Bundesarchitektenkammer ändert ihre Auslands-Strategie. Vizepräsident Ralf Niebergall erklärt die Hintergründe

Foto: AK Sachsen-Anhalt
Weiter Horizont: Ralf Niebergall, Vizepräsident der BAK und Präsident der Kammer Sachsen-Anhalt, agiert europäisch und global (Foto: AK Sachsen-Anhalt)

Interview: Roland Stimpel

Warum arbeiten Architektenkammern auch international?

Die Rahmenbedingungen für die Architektentätigkeit werden immer stärker außerhalb Deutschlands geprägt – vor allem von der Europäischen Union. Sie erlässt zum Beispiel Regeln zur Ausbildung und Berufszulassung, zur Vergabe öffentlicher Aufträge und zur Niederlassungsfreiheit. Wir Architekten müssen das verfolgen und, so gut es geht, darauf Einfluss nehmen.

Wie gut geht das?

Gerade in jüngster Zeit können wir Erfolge verzeichnen. Die EU hat jetzt ein sogenanntes Vergaberechtspaket verabschiedet. Es schreibt fest, dass die Anforderungen bei der Auftragsvergabe in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragswert stehen müssen. Das heißt, dass an die Bewerber um einen kleinen oder mittleren Auftrag keine unangemessen hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Bisher ist das ja für viele Kollegen ein echtes Ärgernis. Jetzt aber müssen die einzelnen Staaten ihre Vergabevorschriften so ändern, dass es keine überhohen Hürden mehr gibt – auch nicht in Deutschland.

Die EU will das Arbeiten über Grenzen hinweg erleichtern. Das birgt Chancen, aber auch Angst vor unqualifizierter Konkurrenz.

Hier setzt die Berufsanerkennungs-Richtlinie Mindeststandards für die Qualifikation derer, die europaweit arbeiten wollen. Auch da gibt es eine erfreuliche Entwicklung – zumindest für die Architekten: Die EU schreibt eine fünfjährige Ausbildung als Standard fest. Wer nur vier Jahre lang studiert hat, braucht dazu eine qualifizierte zweijährige Praxis; dies gilt nicht, wie bisher, nur in Deutschland und wenigen anderen Ländern, sondern in ganz Europa.

Wir dürfen über die Grenzen gehen – aber werden wir dann nicht auch von dort überrannt?

Gerade bei größeren Projekten ist Deutschland sehr offen. Und ich finde, das bereichert unsere Baukultur. Die gleiche Offenheit würden wir uns anderswo oftmals wünschen. Bei kleineren Vorhaben sind Ausländern schon durch das komplizierte Baurecht Grenzen gesetzt. Manche Vorschriften verstehen wir selbst kaum. Wie mag es da jemandem gehen, für den Deutsch eine Fremdsprache ist?

Wer sorgt eigentlich konkret für die Vertretung der deutschen Architekten bei der EU in Brüssel?

Die Bundesarchitektenkammer unterhält dort eine eigene dreiköpfige Vertretung, die wir um eine weitere halbe Stelle im juristischen Bereich aufstocken wollen. Sie repräsentierte bisher auch andere Architekten- und Ingenieur-Organisationen, was zu Arbeitsüberlastung und gelegentlich auch zu Interessenkonflikten geführt hat. Jetzt können wir uns aber ganz auf unsere Belange fokussieren. Der komplexe Brüsseler Apparat erfordert ständige Beobachtung, Kontaktpflege und Intervention vor Ort. Die genannten Beispiele zeigen, dass sich das lohnt. Wir haben zwar nur begrenzte Mittel für die internationale Arbeit, aber diese konzentrieren wir weitgehend auf die Hauptstadt der EU.

Wie engagieren sich die deutschen Kammern in internationalen Architekten-Organisationen?

Da steht die Arbeit im Architect‘s Council of Europe im Vordergrund. Der ACE ist der Dachverband der nationalen Architekten-Organisationen und soll dafür sorgen, dass unser Berufsstand möglichst mit einer Stimme spricht und sein Gewicht in die Politik einbringen kann. Das gilt zum Beispiel für solche Themen wie Kammer-Eintragungen, Bauvorlagerecht und Haftpflicht. Hier betrachtet die EU-Kommission nationale Regeln stets kritisch. Wenn wir nicht intervenieren, droht die Abschaffung bewährter Standards. Wir setzen uns zusammen mit den Architekten anderer Länder dafür ein, dass für unseren Beruf die bestmöglichen Regeln gelten, um Verbraucherschutz, fairen Wettbewerb und nicht zuletzt eine hohe Architekturqualität zu sichern.

In Europa passiert eine Menge – aber aus dem Architekten-Weltverband UIA ist die Bundesarchitektenkammer jetzt ausgetreten.

Man tritt aus einem Weltverband nicht einfach mal so aus – es ist uns nicht leicht gefallen. Aber bei den begrenzten Ressourcen, die wir haben, mussten wir unsere Leistungsfähigkeit und unsere Möglichkeiten der berufspolitischen Einflussnahme abwägen. Wir sind gegenüber den Kammermitgliedern in der Pflicht, die Mittel dort einzusetzen, wo wir am wirksamsten für bessere berufliche Rahmenbedingungen sorgen können. Und das ist nun einmal in Brüssel.

Kann man die Mittel nicht teilen?

Das wären dann zwei halbe Sachen und keine ganze.

War die UIA-Arbeit bisher fruchtlos?

Das war sie keineswegs. Hier haben sich Kollegen von uns mit großem persönlichem Einsatz engagiert. Zuerst möchte ich Nina Nedelykov nennen, die sich als UIA-Council- Member besonders stark engagiert und wichtige Diskussionen angestoßen hat. Dann Hannes Hubrich, der in die UIA das Thema Architektur und Schule eingebracht und es zu einem regelrechten deutschen Exportschlager gemacht hat. Dass der Golden Cube Award seit dem letzten UIA-Weltkongress ein weltweiter Wettbewerb um kreative Ideen und Projekte der Architekturvermittlung wurde, ist zum großen Teil sein Verdienst. Sven Silcher und Klaus Wiechers haben unser Know-how bei der Ermittlung auskömmlicher ­Honorare erfolgreich in den internationalen Diskurs eingespeist. Wir unterstützen auch weiterhin Nina Nedelykov und Christiano Lepratti in ihrem bewundernswerten Engagement für das Durban Street Project, das in diesem Jahr den UIA-Weltkongress in Durban auf die Straße bringen und mit der lokalen Öffentlichkeit verknüpfen soll.

Und trotzdem ist die UIA unwichtig?

Nicht unwichtig, und wir haben den Unmut von Kollegen, die diesen Schritt nicht verstanden haben, sehr ernst genommen. Aber momentan knüpft die UIA nicht an ihre große Zeit an, in der sie mit dem sogenannten UIA-Accord weltweite Standards für Auftragsvergaben, Architektentätigkeit und Ausbildung definiert hat. Der Verband hat sich zuletzt leider zunehmend mit sich selbst beschäftigt und dringend notwendige Reformen nicht angepackt. Das hat nicht nur bei uns die Entscheidung für andere Prioritäten gefördert, sondern auch Architekten-Organisationen aus Belgien, Österreich und Tschechien zum Austritt bewogen.

Ist das nicht so, als würde Deutschland wegen europäischer Prioritäten aus der UNO austreten?

Die UIA ist zwar ein Weltverband, aber so hoch wie die UNO sollte man sie doch nicht hängen.

Die Welt ist größer als Europa. Für die Architektenkammern nicht?

Doch, natürlich. Wir betreiben das weltweite Architektur-Exportnetzwerk NAX, gehen auf internationale Messen und auf die Reisen von Wirtschaftsdelegationen, und wir pflegen bilaterale Beziehungen von Land zu Land, um den Austausch von Architektur zu erleichtern. Immer öfter ist übrigens europäische Arbeit auch weltweite Arbeit – aktuell zum Beispiel bei den Verhandlungen zwischen EU und USA über ein nordatlantisches Freihandelsabkommen. Auch das betrifft natürlich Architekten, und wir beobachten es in Brüssel aufmerksam.

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