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[ Hochwasser ]

Deichbruch in schönster Lage

Der Landschaftsarchitekt Bernd Knoblich arbeitet für den Hochwasser­schutz – und ist sehenden Auges direkt an den Fluss gezogen

Foto: Wikicommon; R. Stimpel
Fluss mit Launen: Bei Eilenburg windet sich die Mulde sanft durchs Flachland. Doch nach heftigem Erzgebirgs- Regen wird aus Idylle Tücke.

Text: Roland Stimpel

Träge fließt die Mulde bei Zschepplin durch das flache Nordsachsen. Bernd Knoblich steht auf dem kürzlich gebrochenen Deich hundert Meter neben seinem Haus, schaut aufs weite grüne Land und freut sich: „Es gibt keine schönere Lage für einen Landschaftsarchitekten, der mit Hochwasserschutz zu tun hat.“ Es tut seiner Freude wenig Abbruch, dass das Wasser sieben Zentimeter über seinem Erdgeschossboden stand und am Haus 24.000 Euro Schaden verursachte.

Denn Knoblich wusste, worauf er sich einließ. „Das Haus habe ich nach der Flut 2002 gefunden, als wir in dieser Gegend gearbeitet haben. Da waren die Rollläden immer unten, und der Besitzer war froh, dass er es loswurde.“ Seitdem wohnt und arbeitet er in dem historischen Forsthaus, dem letzten Gebäude an der Straße „Zur Mulde“, die vom höher gelegenen Dorf in die Flussaue führt.

Sieben Mitarbeiter hat er hier, elf weitere in seinem Zweitbüro in Erkner bei Berlin. Auch dieses residiert wassernah zwischen den Flüssen Spree und Löcknitz, zwischen Dämeritzsee, Flakensee und Karutzsee. Das passt einfach zu seiner Kernkompetenz, laut seiner Homepage die „umweltfachliche Begleitung von Maßnahmen der Gewässerentwicklung, des Hochwasserschutzes und des Wasserbaus“. Knoblich lebt im Allgemeinen gut mit den Fluten, deren Opfer er Anfang Juni wurde.

„Wir kannten die Pegelstände vom Oberlauf. Bei immerhin zwölf Stunden Vorwarnzeit konnten wir alles ausräumen.“ Und der Deichbruch? „Damit kann man hier definitiv rechnen. Es ist ein alter Deich ohne Spundwand.“ Als das Wasser dann im Haus stand, stapfte Knoblich mit einem Stück aus seiner Berufsgarderobe herum – „einer Wathose, mit der man den Pegel messen kann“.

Sein dringendstes Anliegen: endlich wieder Strom im Büro zu haben. Doch den ließ das Elektrizitätswerk wegen eines noch stärker betroffenen Nachbarhauses tagelang abgeschaltet. Das bedeutete für Knoblich einen Arbeitsausfall, der ihn mehr wurmt als der Sachschaden. „Unser zentraler Server lag still; alle Projekte blieben zeitweise liegen.“ Dabei hatte er schon vor der Flut bestens zu tun; die Arbeit dürfte jetzt nicht weniger werden.

Denn Knoblich praktiziert seit vielen Jahren, was nach der Flut viele fordern: „Wir müssen den Flüssen wieder mehr Raum schaffen.“ Das ist eine zähe Sache; Knoblich zählt auf: „Verfahrensbegleitung, Umweltprüfung, Machbarkeitsstudien zur Deichrückverlegung und noch mehr.“ Zwei Wochen nach der Flut ließ sich Bundes-Umweltminister Peter Altmaier an der Mulde zwei „steuerbare Polder“ zeigen – Gebiete, die bei Bedarf überflutet werden können. Nur wann? Bei der Flut 2002 wurde der Polder-Bedarf virulent; 2009 wurden die Planfeststellungs-Unterlagen eingereicht. Baubeginn ist 2014, und ein wasserbehördlicher „Flussbereichsleiter“ des Landes Sachsen-Anhalt hofft: „Der Polder kann vor 2020 seine Wirkung zeigen.“

Und oft plant Knoblich vergeblich. Hochwasserschutz hat starke Gegner, wie er weiß: „Solange die Landwirtschaft eine solch große Lobby hat, bekommt man das Thema nicht vernünftig gelöst.“ Die Bauern mauern – und streiten für Mauern, nämlich für höhere Schutzwände und Deiche statt für flache Ablauf-Flächen. Wo sie Erfolg haben, wächst womöglich rasch ein Deich oder eine Wand. Knoblich erfreut das nicht: „Damit sind dann teure Fakten geschaffen. Auf die Flächen hinter solchen Deichen kann man kaum noch zurückgreifen.“ Und anderswo staut sich dann ungeplant und umso gefährlicher noch mehr Wasser. Sinnvoll wäre das allein in Rückhaltebecken an den Fluss-Oberläufen – aber auch hier beklagt Knoblich „unglaublich lange Genehmigungsverfahren“. Grundeigentümer, Landschafts- und Naturschützer protestieren mit Leidenschaft gegen Eingriffe in empfindliche Mittelgebirgstäler.

Aber Knoblich kämpft weiter – und er bleibt in Zschepplin, die Mulde und den gerade gebrochenen Deich vor Augen. „Wir hoffen, dass jetzt Spundwände eingezogen werden.“ Nur eins ändert er, damit kein Hochwasser mehr seine Arbeit am Hochwasserschutz unterbricht: „Unser Zentralserver kommt ins Büro in Erkner. Da steht er wirklich sicher.“

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