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[ Schwerpunkt: Politik ]

Nationalgalerie

Die Bundesrepublik verfügt mit ihrem reichen Bestand baubezogener Kunstwerke über eine einmalige Sammlung, die das Verhältnis von Kunst und politischer Macht über mehr als 60 Jahre widerspiegelt

Text: Cornelia Dörries

Wie die Könige und Kaiser vergangener Jahrhunderte tritt auch der demokratische Souverän als Auftraggeber, Sammler und Bewahrer von Kunst in Erscheinung. Am augenfälligsten nimmt er diese Rolle über die oft belächelte, manchmal gering geschätzte Kunst am Bau wahr.
Die Bundesrepublik verfügt allein von dieser Gattung über einen Bestand von mehr als 8.000 Werken, verteilt auf Regierungs- und Ministerialgebäude, Auslandsvertretungen, Gerichte, Kasernen und Verwaltungssitze. Doch anders als in Museen ist dieser Schatz nicht systematisch erfasst; es gibt weder ein Verzeichnis über die Werke im öffentlichen Besitz noch Kustoden, die diese einzigartige Sammlung von Nachkriegskunst pflegen und erhalten. Erst seit Kurzem bemühen sich verschiedene Forschungsprojekte im Auftrag des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) sowie des Bundesbauministeriums um eine umfassende Inventarisierung der Kunst am Bau.

Kunst am Bau ist keine Erfindung der Bundesrepublik. Schon in den Anfängen der Weimarer Republik drang der Reichswirtschaftsverband bildender Künstler auf eine Beteiligung von Kunstschaffenden an den großen Bauprogrammen der jungen Demokratie – zum einen unter Berufung auf die in der Verfassung verankerte Selbstverpflichtung des Staates, die freien Künste zu schützen und zu fördern, zum anderen mit dem Hinweis auf die dramatische wirtschaftliche Lage der Künstler. Im Dritten Reich indes wurden die bildenden Künste in den Dienst der Propaganda genommen – auch und gerade im Zuge der gigantischen Bauvorhaben des Nazi-Regimes. In einem Erlass aus dem Jahr 1934 wurde erstmals festgelegt, dass „bei allen Hochbauten des Reiches, der Länder, der Gemeinden, der Körperschaften des öffentlichen Rechts und der Körperschaften, bei denen Reich, Länder oder Gemeinden die Aktienmehrheit oder die Mehrheit der Geschäftsanteile besitzen, grundsätzlich ein angemessener Prozentsatz der Bausumme für die Erteilung von Aufträgen an bildende Künstler und Kunsthandwerker aufgewendet werden muss“.

Dieses Prinzip übernahm nach dem Zweiten Weltkrieg auf eine Empfehlung des Deutschen Städtetages hin auch die junge Bundesrepublik. 1950 verabschiedete der Bundestag die bis heute geltende Regelung, mindestens ein Prozent der Bauauftragssumme in Werke von bildenden Künstlern zu investieren. Auf ähnliche Weise erließ 1952 die Regierung der DDR die „Anordnung über die künstlerische Ausgestaltung von Verwaltungsbauten“. Allein diese Jahreszahlen legen nahe, dass es kaum eine andere Form innerhalb der bildenden Kunst geben dürfte, die sich in so enger historischer Parallelität im seinerzeit geteilten Staatswesen entwickelt hat wie die Kunst am Staats-Bau.

Dekorativ und verdruckst

Schon für die ersten Neubauten der jungen Bonner Republik werden Kunstwerke in Auftrag gegeben. Dabei wird noch nicht nach dem Leitsatz verfahren, die Etats für die Kunst anhand der jeweiligen Baukosten zu berechnen; stattdessen stellt der Bundestag im Jahr 1951 insgesamt 200.000 DM für baubezogene Kunstwerke zur Verfügung. Der schlichten und zweckmäßigen Harmlosigkeit der Architektur entspricht auch die dafür entstehende Kunst: Gebraucht werden vor allem Hoheitszeichen für die sich etablierenden politischen Institutionen. Für alles andere gilt: Hauptsache, es ist dekorativ und verstört nicht. Viele Arbeiten sind physisch noch sehr eng mit dem jeweiligen Bauwerk verbunden, ohne jedoch konzeptionell mit der Architektur im Zusammenhang zu stehen. Meist handelt es sich um Mosaiken, Reliefs oder Wandbilder; Einzelobjekte schmücken in Gestalt von Wasserspielen oder zierenden Plastiken die Außenbereiche. Figürliche Darstellungen, wie das „Phoenix“-Relief von Hannes Schulz-Tattenpach für das Bundeshaus (Architekt: Hans Schwippert) finden sich weit öfter als zeitgenössisch Abstraktes.

Auch bei der Auswahl der Künstler herrscht ein mitunter fragwürdiger Konservatismus: So wird etwa der bekannte Nazi-Künstler Willy Meller mit der Gestaltung des Hoheitszeichens am Palais Schaumburg in Bonn beauftragt. In einer Aufzählung der Kunst-am-Bau-Projekte für die Zeitschrift „Frankfurter Illustrierte“ unterschlägt die Bundesbaudirektion jedoch diese Wahl, indem sie einen leicht verfälschten Namen angibt, damit für die Öffentlichkeit aus dem belasteten Meller der unproblematische, weil gar nicht existierende „Mellem“ wird. In der restaurativen Ära der ersten Nachkriegsjahre findet in der baubezogenen Kunst keine Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit statt; der noch unsichere „Bauherr Demokratie“ sucht nur eine verdruckste Selbstvergewisserung.

Bald kommt mit dem vollzogenen Anschluss an den Westen auch die Architektur der Bundesrepublik in der internationalen Moderne an. Der 1964 fertiggestellte Kanzlerbungalow von Sep Ruf erhält mit den abstrakten Großplastiken von Bernhard Heiliger, Fritz Koenig und Paul Dierkes im Garten eine Kunst, die auf der Höhe der Zeit ist. Für den „Langen Eugen“, das von Egon Eiermann geplante Abgeordnetenhochhaus, beauftragt die Bundesbaudirektion verschiedene Künstler mit der Gestaltung sogenannter Supraporten, also den Wandflächen über den zweiflügeligen Saaltüren. Einzig Georg Meistermann und HAP Grieshaber erlauben sich auch ein politisches Statement: Während Meistermann auf 69 Glastafeln eine „Ehrenchronik demokratischen Verhaltens“ ausbreitet, führt HAP Grieshaber die Mitglieder des Verteidigungsausschusses unter dem aufklappbaren Triptychon „Weltgericht oder Inferno des Krieges“ in den Saal. Die anderen Künstler beschränken sich auf eine formal-ästhetische Auseinandersetzung mit dem Ort. Auch am Reichstag in West-Berlin hält die Bundesregierung zu Beginn der 1960er-Jahre fest und lobt einen Wettbewerb für Reparatur und Umbau der Teilruine aus. Der Architekt Paul Baumgarten bindet bei seinem siegreichen Wettbewerbsentwurf erstmals Kunst als integralen Bestandteil der Planung mit ein: die zweiteilige Hängeskulptur „Kosmos“ von Bernhard Heiliger. „Architektur und Plastik gehen eine Einheit ein, die zwingend ist“, befindet auch die Bundesbaudirektion und beauftragt 1967 den Künstler mit der Ausführung.

Seit dem Beginn der 1970er-Jahre konzentriert sich die Bautätigkeit auf die Hauptstadt Bonn. Für das rasch erweiterte Regierungsviertel werden zahlreiche Kunst-am-Bau-Wettbewerbe ausgelobt. Dabei kommen vor allem etablierte Künstler zum Zug, deren Arbeiten die aktuelle kunsthistorische Entwicklung der Zeit nicht abbilden. Prominente Vertreter der Avantgarde wie Joseph Beuys bleiben außen vor.

Das prominenteste Kunstwerk der Bonner Jahre wurde 1979 vor dem neuen Bundeskanzleramt aufgestellt. Der Gebäudekomplex selbst (Planungsgruppe Stieldorf) vermittelte dem damaligen Amtsinhaber Helmut Schmidt nur den „Charme einer rheinischen Sparkasse“. Die Skulptur „Large Two Forms“ von Henry Moore, kein Kunst-am-Bau-Artefakt, sollte den Eindruck verbessern. Über ihren Ankauf verhandelt der Bundestag: Zum ersten Mal in der Geschichte des Parlaments müssen die Abgeordneten sich über Kunst am Bau verständigen.

Foto: Bonn.de, (c) 2013 VG Bild-Kunst
Macht – Kunst – Architektur: Die Skulptur „Large Two Forms“ von Henry Moore, 1979 vor dem damaligen Bundeskanzleramt (heute Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) in Bonn aufgestellt, wurde zum Wahrzeichen der Bonner Republik. Foto: Bonn.de, (c) 2013 VG Bild-Kunst

Große Namen für Berlin

Mit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin und den daraus folgenden Bauaufgaben werden auch die verantwortlichen Instanzen für Kunst am Bau grundlegend umstrukturiert. Neben den zuständigen Gremien der Bundesbaudirektion (später: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) verfügen Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundestag und Bundesrat jeweils über eigene Beratungsgremien für die Kunst am Bau. Dabei handelt es sich sowohl um politisch besetzte als auch um Sachverständigenbeiräte. 1996 wird ein eigener „Kunstbeirat für die Baumaßnahmen der Bundesregierung in Berlin“ berufen, der die Umsetzung des Kunst-am-Bau-Programms fachlich betreut. Der riesige Aufwand entspricht nicht nur dem zur Verfügung stehenden Budget, sondern auch der großen öffentlichen Aufmerksamkeit für die Bauaufgabe „Hauptstadt“. Groß sind ebenso die – international bekannten – Namen der Künstler, die für Arbeiten an Bundesbauten gewonnen werden: etwa Eduardo Chillida, Gerhard Richter, Rebecca Horn, Jenny Holzer, Gerhard Merz und Sigmar Polke.

Foto: H.P. Schaefer / Wikimedia Commons, (c) 2013 VG Bild-Kunst
Berliner Republik: Die Skulptur „Berlin“ von Eduardo Chillida im Vorhof des Bundeskanzleramtes ist eines der wenigen Kunstwerke, die vom öffentlichen Raum aus betrachtet werden können – wenn auch durch einen feingliedrigen Zaun hindurch. Foto: H.P. Schaefer / Wikimedia Commons, (c) 2013 VG Bild-Kunst

Die Künstler müssen sich zum Teil mit Architekturen auseinandersetzen, die schon der Nazi-Diktatur und dem SED-Regime dienten. Doch im Gegensatz zu den verschämten Gesten der Nachkriegszeit geschieht diese Auseinandersetzung im offenen Umgang mit der deutschen Geschichte, der Orte und der Stadt selbst. Zu einer öffentlich geführten Kontroverse bringt es der Beitrag des Künstlers Hans Haacke für den Sitz des Parlaments. Im geladenen Wettbewerb reicht er einen Entwurf für den nördlichen Innenhof des Reichstagsgebäudes ein, bei dem ein großes Pflanzfeld mit der Erde aus den Wahlkreisen aller Abgeordneten gefüllt werden soll. In das so entstehende Wildwuchs-Beet ist die in 120 Zentimeter hohen Neonbuchstaben ausgeführte Widmung „Der Bevölkerung“ eingelassen (in der gleichen Schriftart wie die von Peter Behrens 1916 entworfene Inschrift „Dem deutschen Volke“ am Giebel des Gebäudes). Trotz des positiven Wettbewerbsvotums protestiert die Fraktion der CDU/CSU gegen die Umsetzung des Entwurfs. Am Ende einer langen Debatte muss der Bundestag zum zweiten Mal über die Realisierung eines dauerhaften Kunstwerks abstimmen – zuvor hatte er sich bereits mit der 14-tägigen Verpackung desselben Gebäudes durch Christo und Jeanne-Claude auseinandergesetzt. Mit zwei Stimmen Mehrheit sprechen sich die Abgeordneten für Haackes Installation aus. Nicht wenige Parlamentarier verweigern sich diesem Projekt mit den Hinweis auf die „Blut und Boden“-Ideologie der Nazis, während andere sich gern dabei fotografieren lassen, wie sie Erde aus dem heimatlichen Wahlkreis ankarren.

Auch die Auswahl der Arbeit des Berliner Künstlers Via Lewandowsky für den Sitz des Bundesverteidigungsministeriums im Bendler-Block steht für die Abkehr von dem auf das repräsentativ Dekorative beschränkten Objekt hin zu einer mutigen, durchaus verstörenden Geste: Der „Rote Teppich“ in der zentralen Halle des Gebäudes sieht nur auf den ersten Blick aus wie der protokollarisch-ministeriale rote Teppich für repräsentative Empfänge. Bei genauem Hinsehen erweist sich das Muster als Luftaufnahme eines mit den tödlichen Mitteln des Militärs zerstörten Berlins.

Abbildungen: Presse bbr.bund.de, © 2013 VG Bild-Kunst
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten: Die Palmen des Künstlers Ulrich Brüschke vor dem Berliner BND-Neubau beweisen zumindest die Existenz von Selbstironie. Abbildungen: Presse bbr.bund.de, © 2013 VG Bild-Kunst

Dass sich Bundesbehörden auch rätselhaft-ironische Gesten zutrauen, zeigt ausgerechnet der mächtige Neubau des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin: Auf einer artig begrünten Terrasse vor der abweisenden, anonymen Lochfassade hat der Nürnberger Künstler Ulrich Brüschke zwei große Plastikpalmen platziert, die nachts leuchten und den Bau tagsüber wie eine Mischung aus Orwells „Ministerium für Wahrheit“ und dem Präsidentenpalast einer Bananenrepublik aussehen lassen. Das Werk irritiert und lässt viel Spielraum für politische wie ästhetische Deutungen – und ist vielleicht genau deshalb der Beweis, dass hier ein selbstbewusster Bauherr der Kunst ihre Freiheit lässt.


Es gibt seit April 2013 auch kundige Führungen zu den architekturbezogenen Kunstwerken an Bundesbauten. Die Berliner Agentur „Ticket B“ hat zwei Touren – in Bonn und Berlin – konzipiert, die einen umfassenden Überblick über diese Kunstgattung im politischen Kontext vermitteln – und nebenbei einen Blick in ansonsten verschlossene Gebäude gewähren. Mehr erzählt Thomas M. Krüger von \“Ticket B\“ im Interview.  

Eine gründliche Bestandsaufnahme des  „Kunst am Bau“ – Bestands der Bundesrepublik liefert das Bundesbauministerium in einem Forschungsbericht zum Thema: BMVBS (Hrsg.): Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland, BBR- Forschungsvorhaben Kunst am Bau, Bearbeitung Dr. Claudia Büttner, Berlin 2011

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