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[ Verkehrsbauten ]

Abgestellt

Manche lieben Autos, kaum einer liebt Parkhäuser. Aber deren Gestaltung wird anspruchsvoller – innen wie außen

Text: Jürgen Tietz

Den lackierten Liebling einfach mit in die Wohnung nehmen? Dafür erfand der Berliner Architekt Manfred Dick den „Car-Loft“ mit Auto-Aufzug, der den Wagen auf die Höhe der Etagenterrasse hebt. Dafür gab es immerhin das erste Patent für ein Immobilienprodukt, doch gegen das Pilotprojekt in Berlin-Kreuzberg auch viel Protest.

Lösungen für stehende Autos in der Stadt werden seit über 100 Jahren gesucht. Der französische Sichtbeton-Meister Auguste Perret lieferte mit seiner 1907 fertiggestellten Renault-Garage in der Pariser Rue Ponthieu die europäische Initialzündung für den neuen Bautyp. Ein wegweisender Funktionsbau mit industriellem Charakter und transluzenter Fassade – für gerade einmal 20 Stellplätze. Während Perrets Architektur-Inkunabel 1970 leider in den Architekturhimmel umzog, ist Richard Paulicks Berliner Kant-Garage von 1930 mit 300 Stellplätzen noch erhalten, wenngleich in bemitleidenswertem Zustand. Paulick, der Bauhaus-Schüler und spätere „Rote Knobelsdorff“ beim DDR-Wiederaufbau der Berliner Staatsoper Unter den Linden, erwies sich in seinem Frühwerk als ein kluger Funktionalist, der einen hohen städtebaulichen Anspruch umsetzte. Vorbildlich bettete er die Hochgarage in den städtischen Kontext der geschlossenen Straßenbebauung ein. Mit Betonung der Erdgeschosszone und der Modellierung von geschlossenen und offenen Fassadenflächen entstand ein modernes Stadthaus. Dessen wirkliche Funktion erschloss sich erst beim zweiten Blick auf die große Reklametafel an der Seite.

Foto: Norbert Schnitzler
Hinter Glas: Die Düsseldorfer Haniel-Garage von Paul Schneider-Esleben stand 1951 für die neue Dominaz des Autos in der Stadt. Foto: Norbert Schnitzler

In den 1950er-Jahren schuf Paul Schneider-Esleben mit seiner Düsseldorfer Haniel-Garage ein Hauptwerk der bundesdeutschen Nachkriegsmoderne. Ein zarter Haut-und- Knochen-Bau, dessen filigrane Transparenz dem meist recht geschwollenen Design der Autos seiner Zeit um Längen voraus war. Auch baugeschichtlich markierte sein Parkhaus einen Paradigmenwechsel. Hier fügte sich die Architektur nicht mehr bescheiden in den Kontext einer Stadt ein, sondern markierte das neue Selbstbewusstsein der Automobilisten: mit einem Glaspalast, in dem sich die Dominanz des Autos über die Stadt manifestierte. Mit gerade einmal 400 Stellplätzen handelte es sich jedoch noch um eine bescheidende Dominanz.

Masse ohne Klasse

Die Masse der heutigen Parkdecks (Häuser möchte man sie angesichts des hartnäckigen Verzichts auf qualitätvolle Gestaltung gar nicht nennen) vermag ein solch hohes architektonischen Niveau nicht zu halten. Stattdessen sind viele Hochgaragen reine Nutzbauten. Hauptsache, sie funktionieren irgendwie, trotz zu enger Zufahrten und schlechter Beleuchtung. Gleich Hochregallagern für Automobile stapeln sie sich als belanglose Beton-Stahl-Konstruktionen mit dem Charme baulicher Provisorien an Bahnhöfen und Baumärkten, an Flughäfen und selbst in manchen Innenstädten. Und wie so manches Provisorium sind auch diese dahingerotzten Lieblosigkeiten oft schmerzvoll dauerhaft. Die Hunderte oder gar Tausende von Stellplätzen erfordern dabei ein bauliches Volumen, das die Maßstäblichkeit der Umgebung sprengt. Das ist in den Städten nicht hinnehmbar. Besonders bei den Parkhäusern der großen innenstädtischen Einkaufscenter von Dresden über Berlin bis Braunschweig und Karlsruhe wird mit allenfalls homöopathischen Gestaltungsmitteln versucht, die gewaltigen Flächen zu strukturieren, hinter denen sich die Stellplätze verstecken. Die Ergebnisse sind meist armselig. Anstelle von Architektur entstehen bloße Rückseiten ohne jede Qualität. Hier sind Stadtverwaltungen aufgefordert, bereits im Vorfeld der Planung beharrlich Qualität einzufordern. Das gilt übrigens bei der Gestaltung des mit Pollern und Schildern vermüllten Straßenraums insgesamt, der in Deutschland in weiten Bereichen einer ästhetikfreien Zone gleicht. Und wenn die Investoren zu mächtig und die Stadtbauräte zu schwach sind, dann sollten sie sich einen Gestaltungsbeirat an ihre Seite holen.

Schöne Kleider

Es gibt aber auch Beispiele dafür, dass es viel besser geht. Die jüngst eröffnete neue Koblenzer Mall „Forum Mittelrhein“ (Benthem Crouwel) nimmt ihre 750 Parkplätze nicht nur in drei Etagen Huckepack in die Obergeschosse. Sie bemüht sich mit ihrem dauergrünen Weinlaub-Motiv als Fassadenkleid auch um eine gelungene dekorativ-bildhafte Anbindung an Themen aus der Region. Weniger bildhaft, dafür aber optisch

Foto: ECE
Hinter Weinlaub: Im Koblenzer Center „Forum Mittelrhein“ von Benthem Crouwel parkt man hinterm grünen Ziersaum. Foto: ECE

höchst stadtverträglich ist die bauliche Lösung, die Sichau & Walter bereits 2003 am Stadtrand von Fulda entwickelt haben. Die bossierten schlanken Natursteinstelen der Parkhausfassade schaffen eine elegante senkrechte Gliederung und fügen sich in den städtischen Kontext an der alten Stadtmauer ein. Die geschwungene Gebäudeform reduziert dabei das Volumen des Hauses optisch und erzeugt interessante Raumwirkungen. Eine ähnliche Gebäudestruktur zeigt das nicht minder gelungene Parkhaus am Leipziger Zoo von HPP, dessen besondere Wirkung auf den Bambusstämme der Fassade beruht. Dass es auch etwas schlichter, aber deshalb keineswegs weniger anspruchsvoll geht, beweist das Parkhaus von Ernsting‘s family in Coesfeld-Lette (Birk und Heilmeyer Architekten, 2007). Der Firmencampus von Ernsting‘s family bietet ohnehin ein ganz hervorragendes Beispiel für Qualität und Baukultur „made in Germany“.

Parkhäuser bergen sogar das Potential zum ganz großen Auftritt. Herzog und de Meuron haben das mit 1111 Lincoln Road in Miami Beach 2010 durchdekliniert. Entstanden ist ein lichtes Haus, das wie zusammengesteckt wirkt – nur eben aus Beton. Und wenn die einen Superstars im globalen Architekturzirkus das Parkhaus aufführen, dann stehen die anderen dem natürlich nicht nach, wie Zaha Hadids spaciger Entwurf, ebenfalls für Miami, zeigt. Doch spätestens hier stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit, die Bauaufgabe Parkhaus derart (über-) zu inszenieren. Wem ist geholfen, wenn Konzerthalle, Shopping-Mall und Parkhaus nicht mehr zu unterscheiden sind? Wenn die Hierarchien der Bauaufgaben im globalen „anything goes“ vollständig durcheinander gewürfelt sind?

Über und unter der Straße

Gegenüber ihren städtischen Pendants haben die Parkhäuser an Flughäfen ganz andere Stellplatzzahlen aufzuweisen. Den dynamischen Klassiker bietet die gmp-Parkrotunde am Hamburger Flughafen mit ihrer innen liegender Doppel­spindel für Auf- und Abfahrt. Sie erweist sich als gleichermaßen funktional wie fotogen. Eindrucksvoll ist das Brücken-Parkhaus über der Autobahn für mehr als 4.000 PKWs am Flughafen Stuttgart (Wulf und Partner, 2007). Andere fügen sich zurückhaltenden in ihren Zusammenhang ein, wie die mit einer transluzenten grauen Membrane verkleideten Parkhäuser von gmp am künftigen Flughafen Berlin-­Brandenburg.

Im Inneren der Städte meist verträglicher, dafür viel teurer, sind die Tiefgaragen. Man muss bei ihrem Bau ja nicht gleich die historischen Fundamente jener Altstadt entsorgen, die man dann darüber in schönster Hochglanz-Disneyfizierung wieder aufbaut – so geschehen am Dresdner Neumarkt. In neuen Tiefgaragen kommt man sich auch nicht mehr angstvoll wie in dunklen Verliesen vor – das ist den TV-Krimis vorbehalten. Niedrige Decken und eng stehende Pfeiler gehören heute zumeist der Vergangenheit an. Heftig gestritten wird um den Bau von Tiefgaragen dennoch gerne, etwa im Spezialfall des Berliner Bebelplatzes. Dort fürchtete man um das wunderbare unterirdische Denkmal für die Bücherverbrennung von Micha Ullman. Doch das gebaute Ergebnis (Wöhr und Bauer, 2004) weiß seitdem durch seine großzügige Gestaltung mit heller Farbgebung und weitgehend guter Nutzbarkeit zu überzeugen. Die Tiefgarage vor dem Koblenzer Schloss befreite die Uferpromenade am Deutschen Eck für die Bundesgartenschau 2011 von Autos: ein doppelter Gewinn, denn das Ergebnis ist ein stadtverträglicher Kompromiss, der sich an den Realitäten der unterschiedlichen Stadtnutzer orientiert.

Dr. Jürgen Tietz ist Kunsthistoriker und Journalist in Berlin.

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1 Gedanke zu „Abgestellt

  1. Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel über Parkhäuser in der Juli-Ausgabe gelesen. In der Tat sind Parkhäuser hierzulande eine viel zu lange vernachlässigte Bauaufgabe, wie man leider an vielen anspruchslosen Parkbauten in ganz Deutschland sehen kann. Einen besonders sensiblen Aspekt habe ich allerdings in dem Artikel vermisst, nämlich den Umgang mit dem scheinbar unvereinbaren Nebeneinander von mehrstöckigen Parkgaragen und Wohnungsbau.

    Meistens geht es bei gelungenen Beispielen heutiger Parkhäuser um Gebäude im Kontext von Einkaufszentren, Vergnügungsstätten oder Verkehrsknotenpunkten. Ansprechende Parkhäuser in einem Wohnumfeld muss man schon mit der Lupe suchen. Das in Ihrem Artikel vorgestellt Parkhaus in Fulda steht womöglich neben einem Wohnhaus, auf dem Foto kann man es erahnen, aus dem Text geht es jedenfalls nicht hervor. Aber ob die dort lebenden Bewohner den direkten Ausblick auf vier Geschosse voll „eleganter senkrechter Gliederung“ schön finden, wage ich zu bezweifeln.

    Als ein weiteres Beispiel zu diesem Thema möchte ich gerne das von unserem Büro umgesetzte dreistöckige P+R Parkhaus an der U-Bahn-Station Meiendorfer Weg in Hamburg anführen. Hier gehen das Parkhaus und ein zeitgleich ebenfalls von uns, jedoch für einen anderen Bauherrn, umgesetzter und direkt benachbarter Wohnungsbau sogar eine Symbiose mit gegenseitigem Nutzen ein.

    Das L-förmige Eckgebäude mit 38 Wohnungen profitiert vom Parkhaus, denn dieses dient als Schutzschirm vor Lärm- und Lichtemissionen von der dahinter liegenden U-Bahnstation. Ohne diesen Schutzschirm wäre Wohnen hier nur schwer möglich gewesen.

    Das Parkhaus profitiert ebenfalls, denn durch die unmittelbare Nähe zum Wohnungsbau (alle Balkone weisen in Richtung Parkhaus) wurde für diesen Zweckbau von Seiten der Behörden eine sehr viel höhere gestalterische Qualität gefordert, als bei vergleichbaren Bauten. Zum Beispiel wurde für beide Gebäude derselbe hochwertige Fassadenklinker verwendet, die Fassade zum Wohnungsbau wurde auf zwei Geschosse zurückgestaffelt und die Dächer wurden begrünt.

    Die Reaktionen nach Fertigstellung fallen durchweg positiv aus, was wir u.a. auf dem Tag der Architektur 2012 mit Freude feststellen konnten.

    Neben den von Ihnen genannten Publikationen möchte ich noch auf ein weiteres Buch zum Artikel-Thema verweisen, in dem unser oben erwähntes sowie viele weitere zeitgenössische internationale Parkhäuser gezeigt werden: „Parking Building“, (351 Seiten, ISBN 978-7-5611-6812-7).

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