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[ Natuschutz ]

„Ökologie und Ästhetik gehören zusammen“

Wie vertragen sich unberührte Natur und gestaltete Landschaft? Bedroht die Energiewende unsere sichtbare Umwelt? Antworten und Lösungsvorschläge von Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz

Spannnungsfeld Naturschutz: Prof. Dr. Beate Jessel ist Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz in Bonn. Sie studierte Landespflege mit dem Schwerpunkt Landschaftsplanung an der TU München, arbeitete an der Bayerischen Akademie für Naturschutz und lehrte Landschaftsplanung und -entwicklung in Potsdam und München. Foto: U.Grabowsky/photothek.net/Quelle „Bundesamt für Naturschutz“

Interview: Nils Hille und Roland Stimpel

Landschaftsplanung bedeutet aktives Eingreifen in die Landschaft; Sie haben das Fach studiert und gelehrt. Naturschutz lässt die Landschaft in Ruhe; Sie betreiben ihn. Wie lässt sich das vereinbaren?

Ich sehe da überhaupt keinen Gegensatz. Naturschutz umfasst ja ein breites Spektrum zwischen aktivem Tun und ­Unterlassen. Zudem leben wir in Mitteleuropa in einer weitestgehend durchfunktionalisierten Kulturlandschaft. Da ist es auch eine sehr bewusste Entscheidung, wenn wir Prozessen und Wildnis, wie man das so schön nennt, Raum geben und dafür andere Nutzungen einschränken oder ganz unterlassen. So gesehen, ist Wildnis bei uns eine geplante Planlosigkeit.

Auch Planer-Losigkeit?

Keineswegs. Es erfordert gerade landschaftsplanerischen Sachverstand, potenzielle Schutzgebiete zu identifizieren und zu definieren. Und es gibt ja nicht nur eine Kategorie des Naturschutzes, sondern Abstufungen vom Totalreservat bis zu einer nachhaltigen und naturgemäßen Nutzung. Nehmen Sie etwa Großschutzgebiete wie Nationalparks, Naturparks oder Biosphärenreservate – jedes erfordert eine andere landschaftsplanerische Herangehensweise, vor der Ausweisung und danach.

Wieso danach, wenn doch die Natur selbst wirken soll?

Sie kann es ja nicht überall. Menschliche Nutzungen innerhalb von Gebieten und menschliche Einflüsse von außen müssen planerisch berücksichtigt und, wenn nötig, eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Und Wildnisgebiete sind auch Lernflächen, in denen wir studieren können, wie eine von aktiver Beeinflussung unberührte Natur sich entwickelt und sich selbst hilft. Solche Erkenntnisse können wir anschließend unter Umständen auf die genutzten Landschaften übertragen. Denken Sie an das Thema „Klimawandel und Wald“: Welche Baumarten stellen sich von selbst ein und überleben unter veränderten Verhältnissen? Solches Wissen zu nutzen, ist viel nachhaltiger, als übereifrig fremde Baumarten, wie die Douglasie, zu verbreiten, weil man meint, man müsse überall nachhelfen und eingreifen – auch wenn man die Folgen noch gar nicht abschätzen kann.

Spannungsfeld Energiewende: Überlandleitungen sind wenig beliebt. Die Versöhnung von Technik und Natur versucht das britische Büro Knight Architects. Foto: RIBA / DECC/ National Grid Pylon Design Competition

Spielt Naturschutz für Landschaftsplaner auch außerhalb der Schutzgebiete eine Rolle?

Der Anspruch des Naturschutzes ist ein flächendeckender, das besagt auch die Zielbestimmung des Bundesnaturschutzgesetzes. Will heißen: Bestimmte Anforderungen an Nachhaltigkeit und naturverträgliche Nutzung sollten überall erfüllt werden – in der Landwirtschaft und in Wäldern, die zusammen über 80 Prozent der Fläche Deutschlands einnehmen, aber natürlich auch in Siedlungsgebieten. Hier geht es immer auch um den Schutz von Naturgütern und einen naturverträglichen Gebrauch von Boden, Wasser und Luft; es geht um Biotope und ihre Vernetzung. In Siedlungsgebieten, in denen die große Mehrzahl der Menschen lebt, geht es maßgeblich auch um das Naturerleben. Wir haben in unserer jüngsten bundesweiten Naturbewusstseins-Studie zu unserer eigenen Überraschung ermittelt, dass über 50 Prozent der Menschen den fortschreitenden Wandel von Landschaft kaum wahrnehmen. So viel Indifferenz gibt zu denken. Naturerfahrung ist gerade im städtischen Bereich wichtig, damit die Menschen Sensibilität für Landschaft draußen haben.

 

Gewinnen Landschaftsplaner Einfluss und Macht, wenn sie Maßstäbe und Gebiete für den Naturschutz definieren und in den Gebrauch von Flächen eingreifen?

Naturschutz ist immer eine Wertfrage, denn es sind gesellschaftliche Entscheidungen, wie viel von welchem Lebensraum wir schützen und erhalten wollen, und mit welchem Ziel. Viele Akteursgruppen sind daran beteiligt. Aufgabe der Landschaftsplanung im Naturschutz ist es, solche Prozesse qualifiziert zu begleiten und zu moderieren.

Spannungsfeld Nationalpark: Das Untere Odertal ist Deutschlands ­natürlichste Flussauenlandschaft. Doch für ihren Schutz schränken sich Bauern und Touristen nur ungern ein. Foto: Wikimedia

Was aber, wenn Landschaftsplaner ein ästhetisch ansprechendes Erscheinungsbild anstreben statt eine sich selbst überlassene Natur?

Auch das ist gar nicht so weit auseinander, wie es scheint. Auch die ästhetische Wirkung von Landschaft ist sehr wichtig für den Naturschutz. Sie stärkt unsere emotionale Bindung an Natur und Landschaft. Da darf ich noch einmal das Naturschutzgesetz zitieren. Es nennt als Ziele erstens die biologische Vielfalt, zweitens die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und drittens die optische Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert von Natur und Landschaft. Das sind drei gleichberechtigte und gleichermaßen relevante Säulen des Naturschutzes.

Wie beurteilen Sie Qualifikation und Bewusstsein von Landschaftsplanern für den Naturschutz?

Verallgemeinernde Aussagen über das Bewusstsein mag ich nicht treffen. In vielen Hochschulen gab es aber zeitweise eine unglückliche Trennung. Da stand auf der einen Seite eine ästhetische, gestaltende Landschaftsarchitektur, die sich vor allem für besiedelte Bereiche zuständig fühlte. Und auf der anderen Seite gab es eine ökologisch ausgerichtete Planung, die sich draußen in der Landschaft austoben durfte. Diese Trennung fand ich gar nicht zielführend, und zum Glück wird jetzt beides wieder stärker integriert. Es gehört eng zusammen, denn auch die Grün- und Freiräume im besiedelten Bereich sind wichtig für Klimaschutz, Wasserrückhalt und Naturverständnis. Umgekehrt werden in Agrargebieten, Wäldern und den neu entstehenden Energielandschaften ästhetische Belange oft stark vernachlässigt. Und auch in der Praxis ist ja beides gefragt. Viele Planungsbüros haben eine bunte Palette von Aufgaben – von der Gestaltung bis hin zu ökologischen Gutachten. Jeder Planer und jede Planerin sollte fähig sein, die gesamte Bandbreite abzudecken.

Können Sie Beispielfälle nennen, wo alles gut integriert ist?

Wir fördern als Bundesamt fast 300 Projekte ganz unterschiedlicher Größenordnung; die Integration verschiedener Ansprüche spielt für uns dabei eine maßgebliche Rolle. Ein schönes Beispiel sind die „urbanen Wälder“ in Leipzig. Sie sind ein neuartiger Versuch, mit städtischen Brachflächen umzugehen. Bei ihnen stellen sich ja viele Fragen der Nutzung, auch des gestalterischen Umgangs, und sie sind oft wertvolle Lebensräume für bestimmte Tier- und Pflanzenarten. Und nordöstlich von Berlin wird in einem gleichfalls von uns geförderten Vorhaben für die einstige Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde eine sinnvolle Nachnutzung etabliert und dabei ein Miteinander von Forstwirtschaft und Naturschutz erprobt. 850 Hektar werden zur Waldweide für Wildpferde und Heckrinder entwickelt. Dabei spielen auch ein ansprechendes Landschaftsbild und die Belange Erholungssuchender eine Rolle. Für sie wird ein Großteil des Gebiets überhaupt erst erschlossen und erlebbar gemacht.

Nicht immer läuft die Integration gut. Große Konflikte haben sich zum Beispiel am Nationalpark Unteres Odertal im nordöstlichen Brandenburg entzündet.

In Flusslandschaften stoßen nun einmal viele Nutzungsansprüche aufeinander, sodass sie ziemlich konfliktbelastet sind. Im Unteren Odertal sind es die Interessen der Land- und Forstwirtschaft sowie der unterschiedlichen Erholungsnutzungen, die mit denen des Nationalparks zusammengebracht werden müssen.

Wobei Vorrang für den Nationalpark oft auf Unverständnis stieß.

Das Verständnis wird sicher größer, wenn man den Blick weitet. Es handelt sich nun einmal um den einzigen Flussnationalpark in Deutschland. Wenn eine solche naturräumliche Einheit in einem Nationalpark abgebildet werden soll, muss man für den menschlichen Gebrauch auch lokale Einschränkungen in Kauf nehmen. Unsere vierzehn deutschen Nationalparks nehmen gerade einmal 0,55 Prozent der Landfläche ein; nur noch zehn Prozent der Flussauen in Deutschland sind in gutem oder sehr gutem Zustand. Das darf sich nicht weiter verschlechtern, zumal sie Hotspots der biologischen Vielfalt mit bis zu 14.000 unterschiedlichen Arten sind.

Spannungsfeld Waldweide: Auf den ehemaligen Rieselfeldern von Hobrechtsfelde bei Berlin soll auf 825 Hektar eine neue, artenreiche Landschaftsform entstehen. In sie gehören auch Rinder und Wildpferde, die unter den Bäumen weiden. Foto: Frank Liebke

Konflikte gibt es auch um den Hochwasserschutz.

Auch da können und sollten Landschaftsplaner herausfinden und darstellen, wo man den Flüssen mehr Raum geben sollte. Die sogenannte Rückdeichung ist ein schönes Beispiel für Synergien in der Planung. Richtig ausgestaltet, befriedigt sie Belange des Hochwasserschutzes, der Anpassung an den Klimawandel, des Schutzes der Biodiversität und der Erholung. Hier können Planer auch finanziell argumentieren. An Elbflächen etwa hat sich gezeigt, dass die Kosten für technische Hochwasserschutzmaßnahmen mit dem Ausbau von Deichen viel höher sind als deren Rückbau.

Das Image von Naturschützern und Naturschutz wird oft von Verhinderungs-Versuchen geprägt, zum Beispiel, wenn der Bau der Waldschlösschenbrücke im Dresden mit dem Fledermaus-Schutz blockiert werden soll oder Stuttgart 21 mit dem Juchtenkäfer.

Über Projekte selbst und in deren Planungsprozessen eventuell gemachte Fehler will ich hier nicht richten. Was mich ärgert, ist, dass der Naturschutz hier instrumentalisiert wird, weil es in Wirklichkeit gar nicht um Käfer und Fledermäuse geht, sondern um umstrittene Verkehrsprojekte.

Zeugt es nicht von der Stärke des Naturschutzes, dass man immer wieder mit ihm Großprojekte auszuhebeln versucht?

Wenn man die rechtlichen Möglichkeiten nur nutzt, um ein Großprojekt zu blockieren, dann nützt das letztlich nichts für den Naturschutz und seine Akzeptanz.

Das jüngste und sehr große Konfliktfeld betrifft Naturschutz und Energiewende – Windräder, Biomasse, Photovoltaik, Stauseen, Pumpspeicher und nicht zuletzt Hochspannungsleitungen. Eigentlich müssten bei Ihnen wegen der Energiewende die Sektkorken knallen. Aber man hört vonseiten des Naturschutzes vor allem Bedenken.

Die Notwendigkeit der Energiewende ist unbestritten, und die Zustimmung zu ihr gerade auch unter Naturschützern groß. Naturschutz kann und will die Energiewende konstruktiv begleiten. Natürlich muss es No-go-Areas geben, wo man keine Leitung und kein Windrad baut. Aber es müssen auch Gebiete und Trassen definiert werden, in denen ein Eingriff verträglicher ist als anderswo. Um die Eignung oder Nichteignung zu ermitteln, braucht es qualifizierten Sachverstand in Sachen Landschaftsplanung und Naturschutz. Eingriffe werden am Ende umso eher akzeptiert, je nachvollziehbarer und transparenter Entscheidungen sind. Dazu muss der Naturschutz frühzeitig eingebunden werden – und nicht erst, wenn schon alles Wichtige entschieden ist.

Das Hauptproblem ist ja häufig ein landschaftsästhetisches, oft sind aber auch Naturgüter und das Funktionieren von Natursystemen bedroht. Was gilt dann im Zweifel mehr?

Das muss fallweise entschieden werden, dafür gibt es legitimierte ­Entscheidungsprozesse. Naturschutz sollte da differenziert vorgehen. Nehmen wir die umstrittene Frage von Windkraftanlagen in Wäldern. Manche lehnen sie pauschal ab. Es gibt aber sehr windreiche Waldstandorte mit monostrukturierten Nadelholz-Beständen, die auch noch gut erschlossen und ans Stromnetz gut anzubinden sind. Sie sind ganz anders zu bewerten als struktur- und artenreiche Wälder mit hohem Erholungswert.

Sollte man Standorte zentral definieren oder das vor Ort entscheiden lassen?

Wir brauchen eine räumliche Steuerung, am besten auf der regionalen Ebene. Leider geht, wie aktuell etwa in in Baden-Württemberg, die Tendenz in mehreren Bundesländern dahin, die Regionalplanung quasi auszusetzen und die Entscheidung an die Kommunen zu delegieren. Das halte ich für wenig zielführend. Jetzt muss jeder mögliche Standort erneut geprüft werden, auch naturschutzrechtlich. Und die Koordination über die Gemeinde hinaus fehlt.

Gewöhnen wir uns an Windparks, Photovoltaik-Flächen und noch mehr Stromtrassen?

An viele technische Bauwerke in Landschaften haben wir uns längst gewöhnt. Es ist ja eine empirisch belegte Erkenntnis, dass dies bei landschaftlichen Veränderungen in aller Regel nach etwa 20 bis 25 Jahren geschieht, also nach einer Generation. Und dann wollen Menschen oft den veränderten Zustand bewahren, zum Beispiel Bergbauhalden oder sogar Kraftwerkstürme, auch wenn diese einst krasse Beeinträchtigungen der Landschaft waren. Eine qualifizierte Planung, die auf die landschaftlichen Gegebenheiten Rücksicht nimmt, kann es uns erleichtern, die mit der Energiewende verbundenen Veränderungsprozesse zu akzeptieren.

25 Jahre will und soll die Energiewende nicht warten. Ihren Vertretern sind ja schon viele Planungsprozesse von heute zu lang.

Nachvollziehbare und transparente Prozesse bringen letztlich Beschleunigung, nicht Verlangsamung. Da ist von Landschaftsplanern nicht nur ökologische und Gestaltungskompetenz, sondern gleichermaßen Prozess- und Kommunikationskompetenz gefragt.

Nicht alle Konflikte lassen sich wegmoderieren. Wenn der Ersatz der einen Energieproduktion durch die andere nur die Konflikte verlagert – müssen wir dann nicht verzichten und uns einschränken, statt nur die Produktion technisch umzubauen?

Transparenz und eine qualifizierte Planung legen aber Konflikte oft erst offen und erleichtern Entscheidungen beziehungsweise den bei komplexen Projekten notwendigen Interessenausgleich. Und für die Energiewende ist klar: Wenn wir die anspruchsvollen Ziele der Bundesregierung erreichen wollen, können wir nicht nur auf Umbaumaßnahmen setzen, sondern müssen Energie sparen und manchmal auch auf etwas verzichten. Aber das kann ja eine neue Form von Lebensqualität bedeuten, denken Sie zum Beispiel an neue Formen von Mobilität und Entschleunigung.

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  1. Wer Energiewende säht, wird Einwände ernten

    Sind wir mal ehrlich: Wer Naturschutz will, dem ist Landschaftspflege ein Dorn im Auge. Mag sie auch noch so ansehnlich sein, Planung setzt Denken und Handeln voraus und kann Natur bestenfalls imitieren. Somit sind alle Versuche der Landschaftspflege oder der Landschaftsarchitektur stets mit ästhetischem Anspruch gespickt, aber ökologisch nur mathematisch bewertbar. Sie ist im dicht besiedelten Raum zwar schön anzuschauen und dienlich, aber nur eine gesetzlich notwendige und verschriebene Gewissensmedizin. In der Bauleitplanung hat die Landschaftsplanung oder Landschaftsausgleichsplanung durch die gesetzliche Verankerung ihre Daseinsberechtigung. Oft zur Unfreude der Planungsträger, wird sie jedoch oftmals als Hemmschuh verstanden, die sich in der Feingliedrigkeit ihrer abzuarbeitenden Themenfelder verzettelt oder mit Hinweisen zur Abarbeitung von Bewertungsmatrixen in der Flora- und Faunawelt in Verzweiflung strauchelt. Vieles ist sicherlich wichtig, vieles allerdings auch überladen und praxisfern. Und wer nun von oben Energiewende säht, wird Einwände ernten. Kommunen speziell in Baden – Württemberg können angesichts des neuen Landesplanungsgesetzes ein Lied davon singen. Unfreiwillig sind sie über Nacht noch selbstständiger gemacht worden und verzweifeln nun daran, die von oben aufgezwungene und wohlgemeinte Windkraftbelagerung verträglich und verständlich an die Bürger/Innen zu vermitteln. Auf der Haben Seite steht bisher wenig, auf der Soll Seite allerdings enorme Kosten, die dem Ansporn im windlauen Ländle die Spitze im Windkraftsektor zu erobern, nicht gerecht werden. Und gerade hier, wo sensible Landschaftsräume wie z. Bsp. das Donautal einen besonderen Schutz benötigen, wird der Landschaftsschutz ausgeklammert. Da verhindern unsichtbare Richtfunkschneißen und Tiefflugzonen ein Vielfaches mehr. Warum sensible und über Jahrhunderte erhaltene Kulturlandschaften einer Planungsdiskussion opfern, an deren Ende nur der pure Frust gepaart mit Wut steht. Der Gesetzgeber, der das Ziel Energiewende vorgibt, geht einfach davon aus, dass sich die Beeinträchtigung des Schutzgutes Landschaftsbild auch wie bisher durch eine Wertungsmatrix beurteilen lässt. Weit gefehlt, landschaftliche Ästhetik und damit verbundene Emotionen lassen sich schwer in Punkte bemessen.

    Thomas Kölschbach
    Architekt und Stadtplaner
    Witthohstraße 38
    78576 Emmingen – Liptingen

    Antworten
  2. Leserbrief zu „Ökologie und Ästhetik gehören zusammen“ (Interview mit Beate Jessel)

    Beate Jessel hat in dem Interview eine bemerkenswerte Aussage gemacht, deren Tragweite viele Stadtplaner (leider auch Grünplaner) nur schwer begreifen: „Naturerfahrung ist gerade im städtischen Bereich wichtig…“. Und was erleben wir in den Städten? Grünanlagen, die nichts mehr mit Natur zu tun haben, sondern eher den Eindruck grün angestrichener Flächen vermitteln. Diese monotonen Flächen sind mit Hilfe symmetrischer Linien und „origineller“ Plastiken dekoriert. Ein Beispiel dafür ist in der gleichen dab-Ausgabe auf Seite 15 (rechts unten) zu sehen. Diese Mode macht die naturferne Dekoration von Freiräumen zu einem Erfolgsmodell bei Wettbewerben – und wird immer neu bekräftigt im fachlichen Binnendiskurs (Fachblätter, Ausstellungen, Foren…). In dieser künstlich-minimalistisch geprägten Parallelwelt, in diesem „Brutkasten für moderne Landschaftsarchitektur“ entsteht nicht das, was sich die überwältigende Mehrheit der städtischen Bevölkerung als eine ansprechende und für die Erholung nutzbare Freiraumgestaltung wünscht. Die Natur in der Stadt bleibt auf der Strecke. Dabei belegen zahlreiche Untersuchungen die Bedeutung des Naturerlebens für die Stadtbewohner. Insbesondere für die Entwicklung der Kinder ist die alltägliche Erfahrung von weitgehend ungestalteten Naturbereichen wichtig. Aus gutem Grund gibt es städtische Naturerfahrungsräume. Diese Flächenkategorie fordert das Bundesnaturschutzgesetz. Sie ist (in § 1, Ziele des Naturschutzes) als ein Beispiele für Freiräume im besiedelten und siedlungsnahen Bereich genannt, die „zu schützen und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, neu zu schaffen“ sind. Das Problem dieser Flächenkategorie liegt darin, dass sie den Landschaftsarchitekten nur wenig Möglichkeiten bietet, sich gestalterisch zu verwirklichen. Daher wird sie weitgehend ignoriert – gegen die Bedürfnisse der Stadtbewohner.

    Dr. Hans-Joachim Schemel
    Landschaftsarchitekt und Stadtplaner
    Altostr. 111
    81249 München
    Tel. 089-8632971

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