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[ Aufzüge ]

Energielabel für Aufzüge

Mit der VDI-Richtlinie 4707 lassen sich Aufzüge erstmals energetisch bewerten

Viel benutzt: Aufzugsanlage im Flughafen Helsinki-Vantaa.

Von Dieter Roas

Auch wenn es in Deutschland Pflicht ist, die Energieeffizienz für die Gebäude auszuweisen, so gilt das nicht zwangsläufig für ihre technische Ausrüstung. Zum Beispiel kann eine Aufzugsanlage bis zu sieben Prozent des gesamten Stroms eines Gebäudes verbrauchen. Doch Vorgaben zur Reduzierung des Verbrauchs sind weder in der europäischen Richtlinie für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden noch in der deutschen Energieeinsparverordnung (EnEV) enthalten. Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit hat die Aufzugsindustrie schon vor einiger Zeit freiwillig Position bezogen und gemeinsam mit Prüfinstitutionen und dem Verband Deutscher Ingenieure die Richtlinie VDI 4707 „Energieeffizienz von Aufzügen“ ins Leben gerufen. Erste Aufzugsanlagen sind mittlerweile zertifiziert.

Die Richtlinie 4707 bildet derzeit die einzige Grundlage, um den Energiebedarf von Aufzugsanlagen einheitlich zu bestimmen und ein Labelling zu ermöglichen. Aktuelle Zertifizierungen erfolgen nach Blatt 1, „Aufzüge; Energieeffizienz“ (Ausgabe 2009-03). In diesem Blatt ist ein Verfahren festgelegt, nach dem der ganze Aufzug je nach Nutzungskategorie nach seinem Energiebedarf bei Stillstand und Fahrt klassifiziert wird. Ziel des in Erarbeitung befindlichen Blatts 2 ist es, eine solche Klassifizierung auch auf Basis der Energieeffizienz der einzelnen Komponenten zu ermöglichen.

Schon mit Blatt 1 erhalten Bauherren und Architekten eine zuverlässige Orientierung, um den Energiebedarf und die Wirtschaftlichkeit der gesamten Anlage einzuschätzen. Aufzugsbetreiber können die Betriebskosten ihrer Anlagen senken und Optimierungspotenziale bei der Instandhaltung ausschöpfen. Ähnlich wie bei Haushaltsgeräten und der Gebäudetechnik werden erstmals Energieeffizienzklassen von A bis G definiert. Zu beachten ist, dass die Klassifizierung nach VDI 4707 nur für den Aufzug im geplanten Nutzungsumfang gilt.

Für Architekten bestehen bereits in der Planungsphase Eingriffsmöglichkeiten, um eine energieeffiziente und gleichzeitig passende Aufzugsanlage ins Gebäudekonzept zu integrieren. Schon beim Einholen von Angeboten sollte das Nutzungsprofil des Aufzugs im Vordergrund stehen. Dazu ist durch Angabe von Fahrt- und Stillstandszeiten die Nutzungskategorie zu definieren. Nur so kann die am besten geeignete Anlage hinsichtlich Gebrauchstauglichkeit und Energieeffizienzklasse, einschließlich der Zertifikate, installiert werden.

Bestimmung der Energieeffizienz

Umgesetzt wird die VDI-Richtlinie, indem die Aufzugsanlage von einer unabhängigen Prüforganisation zertifiziert wird. Die Zertifizierung kann sowohl für neu geplante als auch für bestehende Aufzugsanlagen erfolgen. Die Ermittlung des Energiebedarfs eines Aufzugs erfolgt in drei Schritten:

  1. Festlegung der Nutzungskategorie
  2. Ermittlung der Stillstandszeiten (Stand-by-Verbrauch)
  3. Bestimmung der Fahrtzeiten (Betrieb)

Je nach Einsatzsituation der Aufzugsanlage werden die Ergebnisse der drei Prüfschritte unterschiedlich gewertet. Je geringer zum Beispiel eine Aufzugsanlage ausgelastet ist, desto mehr rückt der Energieverbrauch des Stand-by-Modus in den Fokus. Die Ergebnisse aller drei Schritte werden mit den Referenzwerten der VDI-Richtlinie 4707 verglichen und die Aufzugsanlage einer dementsprechenden Energieeffizienzklasse zugewiesen.

Einordnung in Nutzungskategorien

Je nach Fahrzeit und Fahrzyklen pro Tag wird der Aufzug in eine von fünf Nutzungskategorien von 1 (geringste Nutzung) bis 5 (höchste Nutzung) eingeordnet. Betrachtet werden zudem die durchschnittliche Stillstandszeit in Stunden pro Tag sowie typische Gebäude- und Verwendungsarten. Letztere gliedern sich unter anderem in ein Wohnhaus mit bis zu sechs Wohnungen in Kategorie 1 bis hin zu einem Bürokomplex mit über 100 Metern Höhe und einer durchschnittlichen Fahrzeit von mehr als 4,5 Stunden pro Tag in der Kategorie 5. Die durchschnittliche Fahrzeit in Stunden pro Tag kann dabei beispielsweise aus der Betrachtung der mittleren Fahrtenzahl sowie der mittleren Fahrtdauer ermittelt werden.

Ermittlung der Stillstandszeiten

Im zweiten Schritt wird der Stillstandsbedarf analysiert. Hierzu werden alle zur Betriebsbereitschaft notwendigen Komponenten aufgezeichnet. Betrachtet werden unter anderem der Energieverbrauch der Fahrkorbbeleuchtung, der Fahrkorbtür (Antrieb) sowie die Belüftung. Der Stillstandsbedarf wird etwa fünf Minuten nach dem Ende der letzten Fahrt durch die Aufsummierung der einzelnen ­Bedarfswerte ermittelt. Die Werte des Stillstandsbedarfs sind in Energiebedarfsklassen gegliedert und reichen von Klasse A (bis 50 Watt Leistung) bis Klasse G (über 1.600 Watt Leistung).

Bestimmung der Fahrzeiten

Der Fahrtbedarf umfasst den gesamten Energiebedarf der Anlage während des Betriebs. Um ihn zu bestimmen, werden der Energieverbrauch, die Gewichtsverhältnisse sowie die Förderhöhe in die Untersuchung einbezogen. Genaue und vergleichbare Verbrauchsdaten liefert ein festgelegter Testfahrzyklus. Darunter fällt eine Referenzfahrt über die volle Förderhöhe mit leerem Fahrkorb in Auf- und Abwärtsbewegungen inklusive Türbewegungen. Auch in diesem Prüfschritt wird der Energieverbrauch in Energiebedarfsklassen eingeteilt. Beispiel: Ein Aufzug in der Nutzungskategorie 1 mit einem Testfahrt-Energieverbrauch in mWh/(kg*m) von 2,21 oder weniger wird in die beste Energieeffizienzklasse A eingeteilt. Ein Testfahrt-Verbrauch in mWh/(kg*m) von über 57,09 bedeutet in diesem Fall die schlechteste Energieeffizienzklasse G.

Energiespar-Potenziale

Hohe Energiespar-Potenziale bieten insbesondere die Stillstandsphasen. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die durchschnittliche Stillstandszeit eines Aufzugs rund dreimal höher liegt als die durchschnittliche Fahrzeit. In Wohngebäuden verbrauchen Aufzugsanlagen allein im Ruhezustand rund 70 Prozent des jährlichen Energiebedarfs – vor allem durch Licht und Belüftung. Hohe Einsparungen lassen sich in solchen Fällen durch eine intelligente Aufzugssteuerung, einen vorprogrammierten Stillstandsmodus oder eine effiziente Anlagenbeleuchtung realisieren. Neben dem Einsatz von Energiesparlampen oder LED-Beleuchtungen senkt beispielsweise eine automatisierte Deaktivierung der Beleuchtung den Energieverbrauch: Zu einem festgelegten Zeitpunkt wird nach der letzten Anforderung des Aufzugs die Beleuchtung abgeschaltet und bei der nächsten Anforderung durch einen Fahrgast automatisch wieder angeschaltet. Auf die gleiche Weise lässt sich eine automatische Deaktivierung bei der Belüftung des Fahrkorbs sowie bei der Beleuchtung der Zugänge zum Aufzug einsetzen.

In Bürogebäuden sind aufgrund der intensiveren Nutzung die Stillstandszeiten von Aufzügen mit einem Anteil von 40 Prozent im Vergleich zu Wohnhäusern weitaus geringer. Zwar ist ein intelligenter Stillstandsmodus auch hier sinnvoll, doch Maßnahmen zur Energierückgewinnung während des Fahrtbetriebes könnten – insgesamt betrachtet – mehr lohnen.

Grundsätzlich sollten sich Energieeffizienz-Überlegungen über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage erstrecken: beginnend bei der Planung und Auslegung der Anlage über die Auswahl energieeffizienter Komponenten und deren intelligenter Steuerung bis hin zur Beachtung von Energieeffizienzaspekten bei Installation, Betrieb und Wartung der Anlage.

Maßgeschneiderte Modernisierung

Bei einer Modernisierung bestehender Aufzugsanlagen reichen die Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz von der Erneuerung oder dem Austausch einzelner Komponenten bis hin zum Austausch der gesamten Aufzugsanlage. Verbesserungspotenziale bieten vor allem die Antriebe, die elektrische Versorgung der Aufzugskomponenten sowie die Beleuchtung und Belüftung. Die Zertifizierung nach VDI 4707 durch unabhängige Prüfstellen gewährleistet, dass an den richtigen Hebeln angesetzt wird. Dadurch lässt sich zum Beispiel auch der Einbau unter- oder überdimensionierter Komponenten vermeiden oder es lassen sich einzelne Bauteile den Besonderheiten der Aufzugsanlage anpassen.

Dieter Roas ist Leiter des Geschäftsfeldes FörderTechnik bei der TÜV SÜD Industrie Service GmbH.


Zertifizierungs-Stelle

Der TÜV SÜD hat als einzige unabhängige Prüforganisation an der Gestaltung der VDI 4707 mitgewirkt und verfügt daher über umfassende Kenntnisse der verschiedenen Aufzugstypen und -hersteller. Durch die weltweite Prüfung und Zertifizierung von Aufzügen verfügt die Prüfinstitution über solide Erfahrungen.

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