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[ Serie Heiz- und Klimatechnik, Teil V ]

Energetisch runde Sache

Heiz- und Klimatechnik, Teil V: Der neue Verwaltungsbau der Wagner & Co Solartechnik wird mit einem luftgeführten System und ohne Wärmepumpe nur mit Grundwasser beheizt und gekühlt. Lediglich an sehr kalten Tagen wird eine Pelletsheizung zugeschaltet.

Der neue Verwaltungsbau der Wagner & Co Solartechnik

Von Marion Goldmann

Dass Bürogebäude als Passivhäuser errichtet werden, ist zwar nicht die Regel, kommt aber schon seit Längerem vor.Dennoch entstehen mit innovativen Konzepten immer wieder interessante Projekte, wie das „Sonnenforum“ im hessischen Cölbe. Hinter dem Büroneubau der Firma Wagner & Co Solartechnik stehen nicht nur ein besonders ambitionierter Bauherr, sondern auch mit dem energetischen Bauen vertraute Architekten. Freitag Hartmann Sinz Architekten aus Berlin hatten 2009 den Wettbewerb gewonnen, weil ihr Konzept überzeugend architektonische Gestaltung mit Energieeffizienz verknüpfte. Christian Hartmann: „Bei diesem Projekt haben wir unsere Erfahrungen mit energiesparenden Bauweisen sehr konsequent umgesetzt.“

Mit dem Ende Juli eröffneten Gebäude entstand ein zweigeschossiger Rundbau mit rund 100 Büroarbeitsplätzen, der ein Atrium als Kommunikations- und Erschließungszone umgibt. Die Organisation der Nutzung auf nur zwei Ebenen mit dem zentralen Atrium ermöglicht eine energetisch günstige kompakte Bauform und schafft kurze Wege. In einem inneren massiven Ring sind Technik- und Nebenräume untergebracht. Gleichzeitig dient er als Speichermasse. Bei der Fassade handelt es sich um eine vorgefertigte Holzelementkonstruktion mit dreifach verglasten Fenstern und eingeblasener Zellulosedämmung. Der Heizwärmebedarf für den Verwaltungsbau mit einer Geschossfläche von rund 2.300 Quadratmetern beträgt 13 kWh/m²a, was lediglich etwa 3.000 Litern Heizöl entspricht.

Klimatechnik

Der extrem geringe Heizenergiebedarf wird ausschließlich über die Lüftungsanlage inklusive Wärmerückgewinnung gedeckt. Dafür wurde ein innovatives Lüftungskonzept mit luftdurchströmten Deckenelementen (System Kiefer) installiert, das gleichzeitig das Gebäude mit Frischluft versorgt. Die Zuluftkanäle sind in die Betondecken eingegossen und bestehen aus gerippten Aluminiumrohren, die für eine optimale Wärmeübertragung in die Betondecken sorgen. Es wurde also nicht, wie sonst üblich, ein wassergekühltes System verwendet. Darauf hatte der Bauherr Wert gelegt, auch um spätere Schäden, zum Beispiel durch Anbohren von außen, zu vermeiden.

Die Frischluft wird mittels direkter thermischer Grundwassernutzung über einen Wasser-Luft-Wärmetauscher im Winter vorgewärmt und im Sommer gekühlt. Dazu wird die Luft zunächst von außen angesaugt und durch einen Kanal im Erdreich bis ins Gebäudeinnere geführt. Sie wird dadurch im Winter um etwa fünf bis sechs Grad Kelvin vorgewärmt und im Sommer um dieses Niveau heruntergekühlt. Im Winter wird die Temperatur zudem mithilfe von Grundwasser über den Wasser-Luft-Wärmetauscher um fünf Grad Kelvin angehoben. Den Rest bis zum Erreichen der Raumtemperatur deckt die Lüftungsanlage über die Wärmerückgewinnung. Im Sommer wird die Außenluft durch die Grundwassernutzung auf Temperaturen von etwa 13 Grad Celsius gekühlt. Dieses Konzept wurde zur Vermeidung einer Wärmepumpe gewählt, die Strom verbraucht.

Energie-Konzept: Kühlung der Zuluft und Vorwärmung der Frischluft durch Luft-Wasser-Wärmetauscher mittels thermischer Grundwassernutzung. Kombination von Zulufttemperierung und Bauteilaktivierung durch Luftführung in den Betondecken.

Detaillierte Vorhersage

Weiterhin hat die runde Form des Gebäudes zu der Entscheidung geführt, keine zentrale, sondern pro Etage vier Lüftungsanlagen zu installieren. Diese segmentweise Unterteilung wurde notwendig, weil jeder Raum in eine andere Himmelsrichtung weist. Entsprechend unterschiedlich sind die raumklimatischen Anforderungen. Zwar benötigt die dezentral organisierte Lüftung eine aufwendigere Steuer- und ­Regeltechnik. Aber die geringen Leitungsquerschnitte der kleineren Anlagen wiegen diesen Nachteil bei Weitem auf. Sie sind nicht nur kostengünstiger, sondern sparen auch Platz. Hartmann: „Aufgrund der thermisch aktivierten Betondecken musste der abgehängte Deckenbereich in den Büroräumen möglichst klein sein.“

Beim energetischen Bauen ist es wichtig, frühzeitig einzuschätzen, wie effizient das anvisierte bau- und anlagentechnische Konzept später tatsächlich ist. Dazu müssen die klimatischen Verhältnisse im Gebäude vorhergesehen werden können, um geplante Maßnahmen rechtzeitig zu optimieren. Beim Sonnenforum wurde dafür durch das Berliner Ingenieurbüro Sick eine aufwendige dynamische Gebäudesimulation durchgeführt, bei der in einem Mehrzonenmodell eine differenzierte Energiebedarfsberechnung für die Heizenergie und den Kühlungsbedarf erstellt wurde. Eine Besonderheit stellt die modelltechnische Abbildung der integrierten Lüftung und Bauteilaktivierung dar. Ein solches System korrekt abzubilden und den Funktionsnachweis zu liefern, ist ohne eine dynamische, gekoppelte Gebäude- und Anlagensimulation nicht möglich.

Dynamische Gebäudesimulation: Mithilfe eines Mehrzonenmodells wurde der Energiebedarf für Heizung und Kühlung berechnet; die bau- und anlagentechnischen Komponeten des Gebäudes wurden nach Passivhausstandard optimiert.

Als Simulationswerkzeug wurde das Programm TRNSYS 16.1 eingesetzt und für die Klimadaten das Testreferenzjahr Nr. 7 mit Sommerextremwerten ausgewählt. Für das Gebäude-Modell wurde wegen der Symmetrie 1/8-Kreissegment ausgewählt und mit fünf thermischen Zonen modelliert. Es wurde sukzessive immer wieder um 45 Grad gedreht, wodurch die Abhängigkeit von der Orientierung ermittelt und damit auch die Bilanz des Gesamtgebäudes ermöglicht wurde. Die Nutzungs-Randbedingungen hatte der Bauherr geliefert. Sie basieren auf langjährigen Erfahrungen mit dem ersten Passivhaus, das die Firma Wagner bereits 1998 erbaut hat.

Nach einigen Optimierungen wiesen die ­Resultate für den Wärme- und Kältebedarf und die Komfortparameter in allen acht Segmenten Passivhausstandard und hohen thermischen Komfort auf. Unter anderem wurden der Dämmstandard der baulichen Hüllflächen ­sowie die Steuerung und Regelung des Sonnenschutzes angepasst. Vor allem aber konnten die Betriebszeiten der Lüftung durch eine niedrigere Temperatur der Zuluft im Sommer und eine höhere Temperatur im Winter ­drastisch reduziert werden. Hartmann: „Bei uns steht die Architektur zwar an vorderer Stelle, die Integration von Gebäudetechnik und energiesparenden Systemen ist aber ebenso faszinierend.“

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