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Mehr Arbeit mit Arbeitsstätten

Die Verordnung und die Richtlinien für Arbeitsstätten sind erneuert. Teils gibt es mehr Gestaltungsspielraum – teils jedoch eine überzogene Regelungswut

Text: Carsten Schnoor

Von Architekten, die Arbeitsstätten planen, sind die Vorschriften zum Arbeitsschutz zu berücksichtigen und einzuhalten. In der frühen Phase der Bedarfsplanung sind insbesondere diejenigen Anforderungen von Bedeutung, die sich auf das Raumprogramm auswirken. Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) legt fest, was der Arbeitgeber beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten in Bezug auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu beachten hat. Geregelt werden zum Beispiel Anforderungen an Arbeitsräume, Pausen-, Bereitschafts- und Sanitärräume, Beleuchtung, Belüftung und Raum­temperatur.

Neue Arbeitsstättenverordnung

Die neue Arbeitsstättenverordnung (BGBl. I Nr. 44 vom 24.8.2004, S. 2179) hat die Arbeitsstättenverordnung von 1975 abgelöst. Die Überarbeitung der Verordnung war notwendig geworden, um sie an die Struktur des europäischen Arbeitsrechts anzugleichen. Zudem entsprach die Verordnung in einigen Punkten nicht dem Stand der Technik. Weiterhin wurden mit der neuen Arbeitsstättenverordnung Teile der EG-Baustellenrichtlinie in das deutsche Recht umgesetzt sowie die EG-Sicherheitskennzeichnungsrichtlinie in staatliches Recht überführt. Bis dahin galten für die Sicherheitskennzeichnung ausschließlich berufsgenossenschaftliche Vorschriften.

Das neue Konzept der Verordnung folgt der Regelungssystematik der europäischen Rechtsetzung zu Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, hier insbesondere der EG-Arbeitsstättenrichtlinie. Danach werden Schutzziele und allgemein gehaltene Anforderungen, nicht aber detaillierte Vorgaben festgesetzt. Wichtige Aspekte zum Zeitpunkt der Umsetzung waren auch die Deregulierung (Bürokratieabbau) und die Erleichterung der Anwendung der ArbStättV in der Praxis. Gegenüber der alten Arbeitsstättenverordnung werden in der neuen lediglich Schutzziele und allgemein gehaltene Anforderungen aufgestellt (Synopse mit Gegenüberstellung der alten und neuen Fassung hier).
Dem Arbeitgeber werden in der Verordnung selbst nur wenige konkrete Vorgaben für die Einrichtung der Arbeitsstätte und für den täglichen Betrieb gemacht. Der Arbeitgeber soll so einen gewissen Gestaltungsspielraum zur Ausfüllung der Schutzziele erhalten und mehr in die Eigenverantwortung genommen werden.
Die Arbeitsstättenverordnung von 2004 enthält Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Als „schlanke Verordnung“ wurden die 58 Paragrafen der alten Verordnung auf derzeit  zehn reduziert. Der „Paragrafenteil“ der Verordnung enthält neben Ziel- und Begriffsbestimmungen Vorschriften für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten (§§ 3a und 4),  Regelungen für den Nichtraucherschutz
(§ 5), spezifische Bestimmungen für Arbeits-, Sanitär-, Pausen-, Bereitschafts- und Erste-Hilfe-Räume sowie für Unterkünfte (§ 6). Von besonderer Bedeutung ist, dass die Betriebe die Belange von Menschen mit Behinderungen in Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigen müssen (§ 3a). Zwischenzeitlich wurde die „Fünfte Änderung der Arbeitsstättenverordnung“ (BGBl. I vom 19. Juli 2010, S. 960) ver­öffentlicht.

Neue Regeln für Arbeitsstätten (ASR)

Mit der Arbeitsstättenverordnung von 2004 sind ebenfalls die für die praktische Umsetzung notwendigen „Technische Regeln für Arbeits­stätten (ASR)“ neu zu erstellen. Der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) steht dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales beratend zur ­Seite und hat zudem die Aufgabe, die neuen ­Regeln aufzustellen und damit die alten Arbeitsstätten-Richtlinien (ASR) zu ersetzen (mehr hier).
Die Abstimmungsprozesse im Ausschuss für Arbeitsstätten beim zuständigen Bundesministerium (ASTA) waren wegen der unterschiedlichen Interessen schwierig und langwierig. Zum Teil sollen über 300 Änderungsvorschläge für eine neue ASR eingegangen sein. Es sind derzeit 20 neue ASR geplant,
die insgesamt die vormals 30 Arbeitsstätten-Richt­linien ablösen sollen. Bis April 2012 wurden neun neue Technische Regeln für Arbeitsstätten eingeführt. Die Übergangsfrist währt bis Ende 2012.
Die neuen Regeln für Arbeitsstätten sollen zum Zeitpunkt der Bekanntgabe den aktuellen Stand der Technik enthalten. Sie sollen dem Arbeitgeber die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 der ArbStättV erleichtern. Wendet der Arbeitgeber diese an, kann er davon ausgehen, dass er in Bezug auf den Anwendungsbereich der ASR die Vorgaben der ArbStättV einhält (Vermutungswirkung).

Neu ist, dass die Arbeitsstättenverordnung von 2004 eine Verpflichtung zur Anwendung der ASR nicht vorschreibt. Der Arbeitgeber kann eigenständig von den Vorgaben der ASR abweichen und die Schutzzielvorgaben der Arbeitsstättenverordnung einschließlich des Anhangs auch auf andere Weise erfüllen. In diesem Fall muss er die ermittelten Gefährdungen, denen die Beschäftigten ausgesetzt sind oder sein können, durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes auf andere Weise so beseitigen oder verringern, dass dabei das gleiche Schutzniveau wie in der ASR erreicht wird („Stand der Technik“). Dies gilt grundsätzlich auch für den Bestandsschutz. Er wird immer dann berührt, wenn zum ersten durch die Bekanntgabe der Technischen Regeln neue Anforderungen aufgrund der Fortentwicklung des Standes der Technik entstanden sind. Und er wird berührt, wenn zum zweiten die Maßnahmen nur mit umfangreichen Änderungen oder erheblichen Aufwendungen in den bereits eingerichteten und betriebenen Arbeitsstätten umsetzbar sind. Ein Bestandsschutz im Hinblick auf „Alt-ASR“ besteht nicht – für Arbeitgeber von bereits in Betrieb befindlichen Arbeitsstätten ist die Gefährdungsbeurteilung relevant. Ob der Arbeitgeber die Arbeitsstätte den neuen Regelungen entsprechend anpassen muss oder ob die bestehende Arbeitsstätte auch weiterhin den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung entspricht, lässt sich nur mit der Wiederholung der Gefährdungsbeurteilung ermitteln. Ein Abweichen von den ASR ist jederzeit möglich, wenn gleiche Sicherheit und gleicher Gesundheitsschutz gewährleistet sind.
Die Überwachung obliegt den staatlichen Arbeitsschutzaufsichtsbehörden (Gewerbeaufsichtsämter bzw. Ämter für Arbeitsschutz) bzw. den  Berufsgenossenschaften, die seit 1.1.2004 auch die rechtliche Grundlage erhalten haben, mittels staatlicher Arbeitsschutzvorschriften ihren Präventionsauftrag zu erfüllen.

Der Berufsstand der Architekten ist im ASTA über die Bundesarchitektenkammer (BAK) vertreten, leitet Arbeitsgruppen und wirkt in etlichen mit. Zu den Inhalten bezieht die BAK kontinuierlich Stellung und bemängelt häufig die fehlende Praxistauglichkeit. Statt der angestrebten Deregulierung nehmen aber die ASR aus Sicht der BAK einen Detaillierungs-, Verhütungs-, Beschützungs-, und Regelungsgrad an, der weit über die Belange von Sicherheit und Gesundheitsschutz hinausgeht und weder bedarfsgerechten noch in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis steht. Die BAK hat im ASTA unter anderem deutlich gemacht, dass beim Errichten und Betreiben einer Arbeitsstätte im Bestand in der vorherrschenden Situation nicht alle Anforderungen umsetzbar sind und dass zum Beispiel Sanitärräume wesentliche, feste Räume in einem Bauwerk sind, die nicht einfach ausgetauscht bzw. vergrößert oder ergänzt werden können. Die BAK bemängelt auch, dass mit der geplanten ASR A4.1 neben einigen wenigen Erleichterungen überwiegend höhere Anforderungen im Vergleich zur ArbStättV 1975 und den Arbeitsstättenrichtlinien gestellt werden – ohne dass die planerischen und finanziellen Konsequenzen berücksichtigt sind und ohne dass nachgewiesen ist, dass die Verschärfung erforderlich ist (Stellungnahme der Bundesarchitektenkammer hier).

Für den Architekten als temporären Anwender der ArbStättV und der ASR ist es auf den ersten Blick verwirrend, dass die neuen „Regeln für Arbeitsstätten (Arbeitsstättenregeln)“ genauso mit „ASR“ abgekürzt werden wie die alten Arbeitsstätten-Richtlinien (ASR). Nur durch einen Zusatz in der Nummerierung durch ein „ASR A…“ wird der Unterschied der neuen ASR zu den alten ASR erkennbar. In der Tabelle findet sich eine Übersicht zum Stand der neuen und der alten ASR.
Soweit noch keine neuen Regeln für Arbeitsstätten vorliegen, gelten die alten Arbeitsstätten-Richtlinien so lange fort, bis sie durch die neuen ersetzt sind, jedoch nicht länger als bis zum 31. Dezember 2012. Den Planern sei empfohlen, wenn noch keine neuen ASR vorliegen, die alten Arbeitsstätten-Richtlinien als Orientierung zur Konkretisierung der allgemeinen Schutzziele heranzuziehen. Auch auf die Besonderheiten in den landesrechtlichen Vorschriften – insbesondere dem Bauordnungsrecht – gegenüber den Vorgaben des Arbeitsschutzes sollten Planer ­weiterhin achten. Bei konkurrierenden Anforderungen sollte immer die weitergehende Vorschrift angewendet werden.

Dipl.-Kfm. Ing.(grad.) Carsten Schnoor ist  zuständig für das Baumanagement bei der Bremer Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit.

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