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[ Moscheen ]

Minarett und Moderne

Neue Moscheen in Deutschland zeigen keinen rückwärtsgewandten, sondern einen offenen und zukunftsorientierten Islam

Die sich öffnenden Kuppelschalen der von Paul Böhm entworfenen Kölner Moschee sollen lokalem Konspirationsverdacht entgegenwirken.

Von Hermann Josef Ehrenberg

Im Mainzer Zentrum Baukultur war noch keine Veranstaltung so gut besucht wie die am 28. Oktober, als der Kölner Architekt Paul Böhm sein Moscheeprojekt im Stadtteil Ehrenfeld präsentierte. Mehr und mehr Moscheen gibt es an städtebaulich prominenten Orten in Deutschland – in Duisburg, in Mannheim und demnächst in Köln. Sie stehen für einen selbstbewussten gesellschaftlichen Auftritt von Muslimen. „Auch der Islam gehört zu Deutschland“, sagte kürzlich Bundespräsident Christian Wulff. Paul Böhm griff diese Vorlage sofort auf und stellte unumwunden fest, dass er seine Aufgabe darin versteht, Kultur in Architektur zu gießen. Wie hat gerade dieser Architekt aus katholischem Elternhaus im erzbischöflichen Köln, Sohn und Enkel der Kirchenbaumeister Dominikus und Gottfried Böhm, zum Projekt eines islamischen Gebetshauses gefunden? Ursache ist wohl ausgerechnet ein Kirchenbau von ihm, der die Bauherren von der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) bewog, auch einen christlichen Kirchenbaumeister zu ihrem Wettbewerb für das islamische Zentrum einzuladen.

Böhm sieht zwischen Kirchen, Tempeln oder Moscheen keine geistigen Abgründe, sondern vor allem „Unterschiede funktionaler Art“. Etwa bei den liturgischen Vorschriften, bei der geforderten Gebetsrichtung oder der Existenz eines Altars. „Aber die Herangehensweise ist zunächst einmal überall gleich.“ Unabhängig von der jeweiligen Religion ist es für Böhm „anders als bei einem Bürohaus eine besondere Aufgabe, einen sakralen Bau zu planen: Man baut schließlich für Menschen, die in diesen Räumen beten, meditieren und sich versammeln.“

Die Kaaba von Köln

Eine große Freitreppe öffnet den Innenhof zur Öffentlichkeit und lädt auch Fremde und Nichtglaubende zum Besuch ein. Er ermöglicht den Zugang zur Gebetsgalerie, um am religiösen Leben der Muslime teilzunehmen. Frauen und Männer benutzen denselben Eingang ins Gebetshaus – ein kleiner emanzipatorischer Fortschritt gegenüber traditionellen Moscheen. Transparenz und Öffnung sind zentrale Entwurfsmotive.

Sie kommen nicht nur in der offenen Galerie zum Ausdruck, sondern auch durch die Schalenstruktur des zentralen Baukörpers selbst.

Von wegen düster und verschlossen: Blick ins Innere des islamischen Gotteshauses in Köln

Wie aufbrechende Blütenblätter stehen betonierte Skulpturen und überwölben eine Raumfolge, die durch große Glaselemente zwischen den Schalen erhellt wird. Eine schwarze, glatt geschliffene Brunnenstele über zwei Stockwerke trägt das Lebenselement Wasser aus der offenen Platzfläche in das Innere des Hauses. Sie erinnert an die Kaaba in Mekka und lässt erahnen, welche religiöse und soziale Bedeutung diesem muslimischen Gebäude in Köln zukommen wird.

Die überwölbenden Betonschalen vermitteln eine gewisse Geborgenheit, die Glasfassade hingegen steht für eine bewusste Begegnung mit dem Außen. Selbst die Minarette strahlen den architektonischen Impetus freier Begegnung aus; Paul Böhm hat sie als offene Schalenskulpturen ausgebildet. Ihre Höhe von 55 Metern ist scheinbar monumental, ebenso wie die 34 Meter hohe Kuppel. Doch das relativiert sich: In der Nähe stehen die bis zu 70 Meter hohen Häuser der Inneren Kanalstraße und der 266 Meter hohe Fernsehturm „Colonius“. Im Übrigen steht Böhm dazu, dass Moscheen wie alle anderen Häuser immer erkennen lassen sollen, zu welchem Zweck sie dienen und gedacht sind.

Paul Böhm betonte immer wieder seine gute Zusammenarbeit mit der Bauherrenschaft DITIB. Auch hier mussten viele Mitglieder über ihren Schatten springen, sind doch Traditionen und Traditionalismus in der Fremde verführerische Angebote und erschweren es, etwas Neues und anderes zu wagen. Andernorts ist das bereits gelungen, zum Beispiel im oberbayerischen Penzberg. Hier weicht das Gebäude des jungen Augsburger Architekten Alen Jasarevic auch von traditionellen osmanischen Vorbildern ab. Erst in langen Gesprächen hat er die muslimische Gemeinde und die oberbayerische Öffentlichkeit überzeugt. Jasarevic glaubt, dass die zeitgenössische Moschee in Deutschland einen eigenständigen Typus darstellen muss, der die Heimatfindung der Muslime in der Gesellschaft repräsentiert.

In Köln überzeugte erst die positive Resonanz auf Böhms Entwurf in der breiten Öffentlichkeit auch die Mehrheit der muslimischen Gemeindemitglieder. Inzwischen seien sie stolz auf das spektakuläre Neue, das sie sich und ihrer neuen Heimat schenken. Paul Böhm hat sich offenkundig tief eingelassen in das Denken der muslimischen Bauherrenschaft, zugleich aber auch eine Architektur entwickelt, die Offenheit für gesellschaftliche Veränderungen symbolisiert – und auch Offenheit für Veränderungen des Islam in der Zukunft. Paul Böhm: „In dem Moscheebau eine Manifestation des Islamismus zu sehen, finde ich falsch. Ich sehe darin eher eine Öffnung dieser Religion in die Moderne.“

Während der Rohbau emporwächst, ist der Entwurf noch nicht abgeschlossen. Zu wichtigen Fragen des Innenausbaus gibt es noch keine Entscheidung. Vielmehr wollen die Beteiligten eine sukzessive Vervollständigung. Böhm hofft auf einen weiterhin fruchtbaren und kreativen Dialog über Tradition, Form und Symbolik des Baus. Er soll im Kontext der mitteleuropäischen Gesellschaft stehen und zugleich seine Aussagekraft für die muslimische Gemeinde behalten.

Alles ist relativ: Gegen den Vorwurf der Dominanz stellten die Moschee-Bauherren ihr Projekt in eine Reihe von Kölner Gebäuden.

Die Kölner Moschee ist richtungsweisend für die politisch viel beschworene Integration. Zwar stößt sie in weiten Kreisen auch auf Skepsis und Ablehnung. Aber Paul Böhm steht mit dieser Arbeit auf den Fundamenten einer Leitkultur, die nicht zuletzt durch die grundgesetzliche Religionsfreiheit repräsentiert wird. Schon vor drei Jahren meinte er: „Dass das Projekt so heftige Diskussionen auslöst, könnte ja allein schon als ein Erfolg gewertet werden.“ Er versteht das Bauen für gläubige Menschen als eine besonders große Herausforderung und stellt den wegweisenden Namen seiner traditionsreichen Architektenfamilie in einen interreligiösen Kontext. Man darf gespannt auf den taoistischen Tempel sein, den Böhm zurzeit in China baut.

Hermann Josef Ehrenberg ist Landschaftsarchitekt in Kaiserslautern.

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6 Gedanken zu „Minarett und Moderne

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    wie bekannt und im Artikel erwähnt, garantiert unser Grundgesetz die Religionsfreiheit – zu dieser gehört selbstverständlich auch der entsprechende Raum zur Ausübung der Religion. Ebenso natürlich, wie die Deutschen wiedererlernt haben mit dem Bau von Synagogen umzugehen, wird sich -hoffentlich- der Umgang mit dem Bau von Moscheen (dem Islam) gestalten.
    Wer Sätze wie ‚Nur weil uns anscheinend immer noch eine braune Vergangenheit plagt‘ denkt, hat nicht gelernt, daß das Vergessen nicht der bessere Weg ist.
    Bedauerlich, daß in der aktuellen Ausgabe der DAB, 01_02/11 nun genau der Kommentar von Herrn Wolf abgedruckt wurde. Vermutlich lagen zu Redaktionsschluß nicht mehr Leserbriefe zum oben stehenden Artikel vor, da der Inhalt ansonsten auf zustimmendes Interesse stieß – aber muss dann gleich, mit Verlaub, so ein Mist abgedruckt werden?
    Aber da wären wir wieder bei der Freiheit.

    Antworten
  2. Es ist gut, eine eigene Meinung zu haben, aber zu unserem Verstand gehört auch Toleranz. Eine Minderheit in einer Gesellschaft hat das Recht ihre Kultur zu pflegen; dazu gehören Bauten von religiösen Häusern. Es ist wichtig, an die braune Vergangenheit sich zu erinnern, aber nicht gut, sich an diese Erinnerung festzuklemmern.
    Ich würde Ihnen, Herr Wolf ( Kommentar 1), vorschlagen als Beispiel die Geschichte Andalusien zu erkunden (800-1495) Sie werden entdecken wie drei große Kulturreligionen (Christen, Mosleme und Juden) unter der maurische Herrschaft miteinander in Frieden gelebt haben, und zwar Jahrhunderte, und wie sie zusammen ihre Kulturen gepflegt haben. Viele sakrale Bauten haben die Baumeister der drei Kulturreligionen zusammen geplant und gebaut. Die architektonische Gestaltung einige Moscheen zum Bsp. ist Zeuge der damals herrschte Toleranz zwischen Christen, Juden und Muslimen.
    Was Sie in Ihren Kommentar geschrieben haben, ist nach meiner Meinung ohne Bedeutung für alle Menschen die miteinander in Frieden versuchen zu leben. Sie sehen und hören, wie viele Moscheen in Deutschland und irgendwo in Europa gebaut wurden, und es werden viele geplant. Sie stellen keine Konkurrenz für Kirchen oder Synagogen dar, im Gegenteil, sie sind ein Zeichen des Miteinanderlebens aller Kulturen. Darauf sollte man stolz sein.
    Najib Alami, Architekt, Düsseldorf

    Antworten
  3. Grundsätzlich begrüsse ich es sehr, wenn unsere islamischen Mitbürger die Gelegenheit haben, in Gotteshäusern, in diesem Fall in Moscheen, ihren Glauben leben zu können. Wenn dann Häuser entstehen wie die von Paul Böhm oder die Moschee in Penzberg, halte ich dies für Glücksfälle. Leider sehen Planungen „auf dem flachen Lande“ meist ganz anders aus. Dort werden Kopien türkischer Moscheen vergangener Zeiten als Fremdkörper in unsere Dörfer oder Kleinstädte gesetzt. Dies verhindert nicht nur gesellschaftliche Akzeptanz, sondern auch eine Weiterentwicklung des Islam, wie er in weiten Kreisen der türkischen Gesellschaft längst praktiziert wird. Helfen Sie mit, gute Beispiele über Fachkreise hinaus bekannt zu machen, zum Beispiel auch in türkischen Medien. Dies würde ein Zusammenleben und gegenseitiges Verstehen verschiedener Religionen wesenlich erleichtern.
    Martin Klumpp, Architekt, Grossbottwar

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