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[ Freiheitsdenkmal ]

Bürgerbewegung

Im zweiten Wettbewerb für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal stieg der Ertrag

Von Roland Stimpel

Riesenschale, Riesenkniefall und Buchstabendach: Drei Siegerentwürfe brachte der Wettbewerb für ein Denkmal, das die Freiheitsbewegung zum Ende der DDR und die wiedergewonnene Einheit würdigen soll. Standort ist das Spreeufer am Berliner Schlossplatz – auf dem Sockel eines früheren Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbildes. Beides zeigt: Über dieses Pathos sind wir hinaus.

Pünktlich zum Einheitsjubiläum am 3. Oktober verkündete Arno Sighart Schmid, Juryvorsitzender und früherer Präsident der Bundesarchitektenkammer, das Ergebnis: Wettbewerb Nummer zwei ist weit erfreulicher ausgegangen als der erste von 2007. Den hatten schon die Auslobungsbedingungen zum Scheitern verurteilt: Das Denkmal sollte einschlägige Bewegungen von 1848 bis 1990 würdigen, nationale und Berliner Ereignisse und im Speziellen dann noch die Demonstrationen von Leipzig. Dem konnte keiner der 532 eingereichten Entwürfe genügen.

Diesmal war die Wettbewerbsaufgabe schlanker; es sollte nur um die Ereignisse von 1989/90 gehen. 386 Architekten und Künstler bewarben sich, 28 kamen in die Endrunde und drei siegten – die nun aber ihre Entwürfe nochmals gründlich überarbeiten sollen. Das aber nicht wegen der künstlerischen Qualität und Aussage, sondern aus eher praktischen, teils auch banalen Gründen. Das trifft am meisten den außergewöhnlichsten der drei Siegerentwürfe von den Stuttgarter Architekten und Szenografen Milla und Partner und der Berliner Choreografin Sasha Waltz: eine weit ausladende, oben goldglänzende Schale von spielerischer Großzügigkeit und mit einem Hauch von Bananen-Ironie.

Bürgerbewegt: Besuchergruppen können die Goldschale in Schwingungen versetzen

„Bürger in Bewegung“ heißt der Entwurf und meint das wörtlich: Gruppen ab etwa 50 Menschen können die Schale ins Wippen brin-gen – die gemeinschaftliche Bürgerbewegung verstärkt sich selbst. Aber ach: Nach dem Juryprotokoll muss der Außenbereich unter der Schale „in Bezug auf Sicherheit, Zugänglichkeit und architektonische Wirkung zwingend überarbeitet werden. Hinsichtlich der Sicherheit, Betriebskosten, des Missbrauchs und des hohen technischen Aufwandes wurden zum Teil erhebliche Bedenken geäußert. Der Zugang zur Schale für Behinderte ist ebenfalls unklar.“ Was nützt das schönste Mahnmal, wenn es nicht pflegeleicht und für alle zugänglich ist?

Kniefall: Der Mann ist fünf monumentale Meter groß, doch seine Geste Zeigt Demut.

Der Karlsruher Bildhauer Stephan Balkenhol schlägt einen fünf Meter großen „Knienden“ vor. „Warum eigentlich keine Frau?“, fragt die Jury und stellt fest: „Die Verbindung zum Einheits- und Freiheitsbegriff im Zusammenhang mit den Ereignissen von 1989 ist nicht eindeutig.“ Jedoch „nimmt die Arbeit den Gedanken des klassischen Denkmals auf. Sie bricht ihn auf eine zeitgemäße Weise in eine Geste der Kontemplation und Nachdenklichkeit des Einzelnen herunter.“ Und praktisch ist es auch: „Eingriffe in den Sockel sind eher gering. Probleme bezüglich Verkehrssicherheit und barrierefreiem Zugang sind nicht erkennbar. Konstruktion, Materialität und Farbigkeit sind erprobt.“

Buchstabendach: Besucher wandeln unter einem Dach, dessen Stützen für je ein Bundesland stehen.

Den dritten ersten Preis gewann der Münchener Architekt Andreas Meck für ein Dach aus Buchstaben, die Aussagen zum Einheitsprozess ergeben. Laut Jury „entwickelt sich daraus eine hohe Symbolkraft, welche das Wort und die gemeinsame Sprache als Element der wiedergewonnenen Einheit und Freiheit ausdrucksstark ins Zentrum rückt“. 16 Dachstützen stehen für je ein Bundesland, den Boden prägt ein Kartengrundriss Deutschlands mit markierter Exgrenze. Und das Praktische ist bedingt erfülllt: „Der historische Sockelbereich ist im Entwurf nicht barrierefrei erreichbar. Errichtung und Unterhaltung erscheinen unter wirtschaftlichem Gesichtspunkt unproblematisch.“ Mit den drei Entwürfen sieht Kulturstaatsminister Bernd Neumann jetzt „eine hervorragende Grundlage für die weitere Planung und Realisierung des Projektes gegeben.

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6 Gedanken zu „Bürgerbewegung

  1. Geradezu paradox! Bei der Wettbewerbsentscheidung für das deutsche Einheitsdenkmal in Berlin konnte keine einheitliche Einigkeit erzielt werden. So wurden gleich drei Entwürfe zu Siegern erklärt. Bei dem Wettbewerb geht es ja um ein Denkmal zur Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989 und an die Wiedervereinigung Deutschlands, für das die Bundesrepublik immerhin 10 Millionen Euro zur Verfügung stellt.
    Einer der drei preisgekrönten Entwürfe stammt von dem Architekten Prof. Andreas Meck aus München. Vorgesehen ist eine offene Flachdachkonfiguration auf Stützen, die mit Wörtern und Texten zum Thema Einheit bestückt ist. Die Sprache soll buchstäblich als verbindendes Element der beiden lange getrennten deutschen Staaten stehen.
    Mir fällt auf, dass nicht nur in der Kunst vermehrt lyrische Sprachspiele mit unterschiedlichen textuellen Valenzen Verwendung finden, sondern auch in der Architektur. Auch hier nehmen kryptische Textbotschaften als epische Applikationen eine signifikante Relevanz ein. Damit entwickelt sich eine neue bildhafte Ausdrucksform, die auf die Formensprache unseres medialen Alltags und die Ästhetik der Werbung verweist.
    So werden beim Einheitsdenkmal Textbotschaften als grafische Signifikanten auf das Dach gebracht. Die Rückeroberung des öffentlichen Raums, seine Infiltration mit Botschaften, der subversive Charakter des Begrifflichen in einer von Konsum und Unterhaltungsbedürfnissen dominierten Welt ist eine schöne Idee!

    Antworten
  2. Auch ich bin etwas verwundert, dass unter 200 Einsendungen diese drei Entwürfe die signifikantesten sein sollen. Und alle drei sollen gleichwertig sein? für mich schwierig, denn für mich sticht der Entwurf von Prof Meck heraus. Die Idee der 16 Länder, zusammen mit Sprache gebracht, verbunden in der Architektur, dies besticht.

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  3. Alle drei Entwürfe sind in sich interessant,
    auch die „Goldschale“. Es ist immer gut, die Besucher in nachhaltige Erlebnisse einzubeziehen. Leichte Bedenken hab ich, ob dies auch alle Besuchergenerationen (alt-jung) und gesundheitlich schwächere Besucher so aufnehmen können (Schwingungen).

    Absoluter Favorit (dritter erster Preis) ist für mich das „Buchstabendach“. Die klaren und sachlichen Bauformen sprechen für eine geschichtliche Sachlichkeitsbewertung.
    Sehr emotional kompetent gelöst sind die Sinnzusammenhänge
    mit den 16 Dachstützen=16 Bundesländer. Das „Licht der Hoffnung“ strahlt durch die Dachflächen (durchbrochene Buchstaben) und fällt auf die deutsche Geschichte (Kartengrundriss mit Teilungsmarkierung). Das Buchstabendach (assoziiert zu einer Druckplatte) schlägt für mich den Handlungsbogen zur geschichtlichen Buchdruckstadt und Wendeimpulsstadt LEIPZIG.
    Dieser Entwurf erfüllt für mich die

    TATSACHENKETTE :

    1. ehemaliges geteiltes Deutschland
    2. das Licht der Hoffnung strahlt durch das Buchstabendach
    3. vereintes Deutschland (16 Stützen, 16 Bundesländer tragen die Zukunftsverantwortung)
    4. Sprachvielfalt, Dialekte, Kommunikation unter einem Dach, unter gegenseitiger Achtung vereint
    5. „Stiller Stolz“, der Gebäudekomplex ist sehr flach und fügt sich respektvoll in das architektonische Umfeld ein

    Ja, es ist für mich gebaute Symbolik ! Die Architektursprache folgt den geschichtlichen und geografischen Tatsachen.

    EMOTIONALE VERSTÄRKUNGSELEMENTE :

    Schön wäre, wenn einige Wortbildungen im Buchstabendach (z.B. „Keine Gewalt“)
    eine Buchstabenhöhe von 1989 mm hätten. 1989 waren meine Frau und ich auch bei einigen „Montagsdemos“ (für uns Demonstrationen für mentale Freiheit) in Leipzig dabei und wir waren froh, dass diese ohne Gewalt abliefen … wir hatten einfach Angst in der Hoffnung.

    Schön wäre, wenn der Kartengrundriss real eingenordet wäre, somit könnte die Botschaft in alle realen Himmelsrichtungen (Osten, Süden, Westen, Norden) nicht nur Deutschlandweit, sondern auch weltweit hinausgetragen werden (siehe die vorhandenen weltweiten Demokratiedefizite, die es gibt).

    Das tolle daran ist, dass ein Leipziger Kollege einen Entwurf aus München öffentlich positiv bewerten darf. Vor 1989 wäre dies mit Sicherheit eine kommunikative und politische Entlehnung gewesen.

    Gerd Müller, Innenarchitekt, Leipzig

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  4. Der Wettbewerbsverlauf zum Denkmal ist symptomatisch für (Nicht-) Entscheidungen bei vermeintlich hochbrisanten Bauaufgaben. Da gibt es 2007 eine Auslobung, die im Desaster endet. Der Plan, das Denkmal zum 20. Jahrestag des Beitritts der DDR zur BRD einzuweihen wird hinfällig. Nun ein neuer Wettbewerb (man beachte die Kosten!) und noch immer keine Entscheidung. Gleich drei “Sieger” nach zwei Wettbewerbsverfahren zu präsentieren, Überarbeitungen abzufordern und neuerliche Jurysitzungen anzuberaumen (man beachte die Kosten!) zeigt wenig Mut.
    Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob wir dieses Denkmal nicht längst haben: das Brandenburger Tor. Kein Ort und kein Bauwerk, keine Skulptur und kein Denkmal kann besser die Einheit und Freiheit des Landes an der Nahtstelle zwischen Ost und West symbolisieren als dieses jetzt offene Tor.

    Doch zum WBW-Ergebnis: Die “goldene Banane” erinnert irgendwie an ein gestrandetes Schiff (also einen “Unfall“), der Kniende an Willy Brandt in Warschau (eine Demutsgeste) und ein Dach aus einem Geflecht von grauen Lettern wirkt schwer (fast erdrückend) und weckt Buchdruck Assoziationen. Die Umrisse Deutschlands im Boden und 16 Stützen/16 Bundesländer manifestieren eine wenig spannende 1:1 Symbolik. Aber wenn es doch irgendwann einmal zu einer Länderreform kommt, sind es vielleicht nur noch 9 Bundesländer…

    Kein Sieger hat schließlich den Gedanken des Wachsens – im Sinne von Willy Brandt: “Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört” aufgenommen und zum Beispiel auch mit pflanzlichen Mitteln gearbeitet. Oder wenn schon Buchstaben dann: WIR SIND DAS VOLK! Senkrecht und nicht als Dach (da holt man sich einen steifen Nacken beim Hochblicken oder muss auf Sonne warten, um den Text auf dem Boden lesen zu können…).

    Mein Vorschlag: Stephan Balkenhol sollte insgesamt 4 Figuren (1 Paar Ost, 1 Paar West) abliefern, stehend und miteinander kommunizierend (z.B. sich die Hand reichend). Auch 20 Jahre nach der Einheit gibt es noch viele Wissenslücken und reichlich Kommunikationsbedarf zwischen “hüben” und “drüben“. So ein Denkmal – wenn man es denn braucht – sollte nicht nur erinnern (= Rückblick) sondern auch in die Zukunft weisen.

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  5. Das vom BBR realisierte Verfahren war für diese Aufgabe von vornherein zu Scheitern verurteilt. Derartige Verfahren sind für Bau- und Beschaffungsaufgaben entwickelt worden, die konkret bewertbare und meist auch messbare Parameter besitzen. Künstlerische Aufgaben können nicht mit den Massstäben der Bundesbauverwaltung beurteilt werden. Es war klar, dass innerhalb dieses Rahmens kein tragfähiges Ergebnis erzielt werden kann. Ich plädiere jedoch ausdrücklich für das vom Deutschen Bundestag beschlossene offene Verfahren. Das derzeitige Verfahren erscheint als Kapitulation vor der vom Deutschen Bundestag gestellten Aufgabe.

    Zentral für ein derart „grosses und ehrbares Unterfangen“ (1) sind mir als mündigen und aktiven Bürger jedoch folgende Randbedingungen, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat:

    Um eine breite Akzeptanz des Denkmals zu gewährleisten, soll die Öffentlichkeit durch
    Informationsveranstaltungen in die Diskussion einbezogen werden. (Beschluss 16/11200)

    Konzeption wie Wettbewerbsergebnis sollten öffentlich diskutiert werden. (Beschluss 16/6925)

    Hierdurch wird klar, dass nur ein partizipatorisches Denkmalkonzept „den Wert der Volkssouveränität, den der Verfassung, des Grundgesetzes“ (2) vermitteln kann und gemäss dem Parlamentsbeschluss vermitteln darf. Für ein „Mahnmal historischen Glückes” (3) ist es entscheidend, „dass ein gelungenes Konzept gefunden und verwirklicht wird.“ (3) „Die Diskussion um den geeignetsten Entwurf kann … dem Denkmal nur nutzen.“ (3) „Ein Denkmal, das an die friedliche Revolution erinnern soll, an den demokratischen Urruf „Wir sind das Volk“, kann nicht einfach von oben verordnet werden. Wir brauchen dafür eine breite Debatte, … in der der demokratische Impuls von unten ernst genommen wird. Denn es zeichnet doch die Genese von Denkmälern aus, dass gerade die Debatte über die Errichtung ebenso wichtig sein kann … wie das errichtete Denkmal selbst“ (4) Die Chance ein solches Verfahren in Gang zu bringen wurde bisher leider nicht genutzt, da von der Verwaltung stets nur die bestehenden Verfahren angewandt wurden anstatt neue, zielgerichtete Formen der
    Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger zu finden, um so diesem Mal eine wirkliche Bedeutung zu geben und nicht nur „l´art pour l´art“ zu sein.

    Natürlich sehe auch ich, dass hier ein grundsätzliches Problem zutage tritt, für das eine auf Effizienz und Vollzug ausgerichtete Institution wie das BBR nicht eingerichtet ist: „Der friedlichen Revolution fehlt nicht umsonst ein Held oder eine Heldin. Es war nicht ein konkret Einzelner, der diesen geschichtlichen Moment gestaltet hat.“ (5) und es sollte doch klar sein, dass „eine solche unblutige Revolution keinen herkömmlichen
    Denkmalkult erlaubt“. (6)

    Darüber hinaus darf ich auch noch an den Artikel in der Bauwelt 39-40/2010, Seite 12 aufmerksam machen.

    Andreas Rieger

    (1) Katrin Göring-Eckardt
    (2) Wolfgang Börnsen
    (3) Dr. Wolfgang Thierse
    (4) Katrin Göring-Eckardt
    (5) Christoph Waitz
    (6) Dr. Lukrezia Jochimsen

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  6. Die wippende Schale ist eine wundervolle Arbeit.
    Sie stellt einen Gegenpol zur architektonisch schwerlastigen Umgebung (Alte Museum ausgenommen), ist witzig und versprüht einen sensiblen Geist.
    Eigentlich ist sie für den Wettbewerb und dessen Durchführung zu schade, aber vor dem Schloss sollte man ruhig ein wenig wippen und die Welt ins schwanken bringen.

    „Der Zugang zur Schale für Behinderte ist ebenfalls unklar.“ Was nützt das schönste Mahnmal, wenn es nicht pflegeleicht und für alle zugänglich ist?“

    Wir können uns nicht überall Zwänge auferlegen, die uns einschränken. Es gibt auch Fußball und 10 Kampf Sport, Eiskunstlauf … .

    Das Thema des Gleichgewichtes, darf nicht eingeschränkt werden. Das erfordert Handlung und Übung.
    Was aber zuviel eingeschränkt wird, sind die Wettbewerbe. Wenn man in Deutschland kein großes Büro hat, lernt man die Grenzen schnell kennen und somit fehlt auch das Gleichgewicht.

    Antworten

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