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[ Erdwärme ]

Wärme aus dem Untergrund

Die verstärkte Nutzung der Erdwärme biete neue Chancen für Architekten und Bauwirtschaft

Wärmepumpensystem geoTHERM exclusiv von Vaillant, eine Komplettlösung mit integriertem Warmwasser-Edelstahlspeicher und Kühlfunktion für Einfamilienhäuser

Von Vera v. Keller

Abris Lelbach setzt gerne Zeichen: „Ich wollte ein schönes und nachhaltiges Haus bauen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Berliner Anlagenbauers Elpro GmbH über sein repräsentatives Wohn- und Geschäftshaus im edlen Townhouse-Quartier auf dem Friedrichswerder in Berlin-Mitte, geplant vom Büro Bernd Albers.

Die Energie zum Heizen und Kühlen des Hauses wird ganz wesentlich durch eine Geothermie-Anlage unterhalb der Kellersohle gewonnen. 16 Sonden in knapp 100 hundert Metern Tiefe sammeln in Kombination mit einer Wärmepumpe die ganzjährig nahezu gleichmäßige Temperatur aus dem Untergrund. In der kühleren Jahreszeit dient sie der Fußbodenheizung des Gebäudes; in den Sommermonaten sorgt das System über Kühldecken für angenehme Frische in den Räumen. „In 20 Jahren wird es kein Erdgas mehr aus der Nordsee geben“, meint Lelbach, „Märkischer Sand ist auf Dauer verlässlicher.“

Im Neubau der Hamburger Spiegel-Zentrale in der Hamburger Hafencity sollen sogar 70 Erdsonden in Kombination mit einer Wärmepumpe umweltfreundliche Wärme und Kühlung liefern. Wasserführende Rohrleitungen in den Betondecken sollen den Speichereffekt des Betons nutzen und sowohl im Sommer wie im Winter für eine angenehme Temperierung der Räume sorgen.

Auch das Energiekonzept im neuen Gebäude des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) basiert auf der Nutzung oberflächennaher Geothermie – und könnte zum Schauplatz für Selbstversuche werden. Denn in den neuen Räumen wollen Forscher um Georg Bretthauer, den Leiter des Instituts für Angewandte Informatik, Energiespeicher und prototypische Automatisierungslösungen im Bereich Geothermie aufbauen und testen.

Noch bekommt Geothermie in Deutschland allenfalls einen Oscar für die beste Nebenrolle. Doch durch kräftige politische Hilfestellung gehört die Nutzung von Erdwärme zu den rasantesten Aufsteigern im Wärmemarkt. Besonders zur kombinierten Heizung und Kühlung von Gebäuden entwickelt sie sich im Neubausektor zur Alternative zu herkömmlichen, mit fossiler Energie oder Strom angetriebene, Systemen. In diesem Marktsegment erreichen Erdwärmesysteme bereits einen Anteil von mehr als 20 Prozent. Insgesamt wurden 2009 deutschlandweit rund 33.000 Erdwärmesysteme installiert – Tendenz steigend.

Vorteil der Anlagen: Ob fürs Einfamilienhaus, im Hochbauten oder für komplette Siedlungen, Erdwärme ist nahezu überall verfügbar und liefert rund um die Uhr das ganze Jahr über gleichbleibende Energie zum Nulltarif. Denn die Temperatur im Boden oder Grundwasser beträgt in unseren Breiten in einer Tiefe zwischen 10 und 100 Metern zwischen 8 und 12 Grad Celsius – in der City großer Städte kann sie sogar auf 18 Grad Celsius steigen. In etwa 400 Metern Tiefe beträgt sie 20 bis 25 Grad Celsius.

In den meisten Fällen kann oberflächennahe Geothermie jedoch nicht direkt zum Heizen genutzt werden. Um die notwendige Vorlauftemperatur für das Heizsystem zu erreichen, sind Wärmepumpensysteme nötig, die die Erdwärme auf das erforderliche Temperaturniveau bringen. Der Strombedarf der Wärmepumpe ist umso geringer, je kleiner die Temperaturdifferenz zwischen Ein- und Austrittstemperatur ist. Deshalb sind Heizungssysteme mit niedrigen Vorlauftemperaturen und Kühlsysteme mit hohen Vorlauftemperaturen am wirtschaftlichsten. Optimal sind deshalb Flächenheizsysteme im Fußboden- und Wandbereich bzw. Kühlsysteme im Deckenbereich. Als Betriebskosten für ein Erdwärmesystem fallen lediglich Stromkosten für die Wärmepumpe an. Eindeutiger Nachteil sind allerdings die im Vergleich zu konventionellen Heizungsanlagen oder Fernwärme hohen Anschaffungskosten.

Spiralkollektoren vor der Verlegung

Relativ günstig sind Erdwärmekollektoren, die großflächig in geringer Tiefe verlegt werden. Allerdings ist deren Heizleistung vergleichweise gering und sie benötigen viel Platz. Deutlich teurer, aber auch leistungsstärker und flexibler einsetzbar sind Erdwärmesonden, in denen eine zirkulierende Flüssigkeit die Erdwärme aufnimmt und ins Gebäude weiterleitet. Das teuerste an dieser Bauleistung sind nicht die Sonden, sondern die dafür nötigen Bohrungen – pro Sonde schlagen mindestens 5000 Euro zu Buche. Hinzu kommen Kosten für die Einrichtung des Bohrplatzes. Ist die Energiequelle angezapft, kommen noch einmal die Kosten für die eigentliche Wärmepumpenanlage und das Wärmenetz dazu – für ein Einfamilienhaus etwa 8.000 Euro, entsprechend mehr für größere Gebäude.

Voraussetzung für die wirtschaftliche Nutzung von Erdwärme ist vor allem eine sorgfältige interdisziplinäre Planung des gesamten Wärme-/Kühlungskonzeptes. Denn bei einem energieeffizienten Gebäude müssen Dämmung, Heizung, Lüftung und Klimatechnik zu einem Gesamtkonzept verschmelzen, um im Alltagsbetrieb einen möglichst niedrigen Energieverbrauch pro Quadratmeter Nutzfläche zu erreichen.

Ein interdisziplinäres Team beratender Ingenieure, die gute Referenzen im Bereich Erdwärme haben sollten, erstellt das Energieversorgungskonzept. Dafür muss zunächst der Wärme- und Kältebedarf für Heizung, Lüftung, Trinkwassererwärmung etc überschlägig berechnet und bei Bedarf auch simuliert werden. Die Systemtemperaturen sind abhängig von den Heiz- bzw. Kühlsystemen im Gebäude: Heizflächen, Heiz-/Kühldecken, Fußbodenheizung, Betonkerntemperierung, Trinkwassererwärmung. Die verschiedenen Varianten haben unterschiedlichen Energiebedarf. Ergebnis der Bedarfsanalyse sind der jährliche Nutzwärme- und Nutzkältebedarf, der Wärme- und Kältebedarf sowie die geordnete Jahresdauerlinie für Wärme und Kälte. In diesem Zusammenhang sollte bereits die Machbarkeit geothermischer Energienutzung durch ein Gutachten geprüft werden, weil sich anhand dessen das geothermische Potential sowie die unterschiedlichen Nutzungsvarianten beurteilen lassen.

Besonders effizient arbeiten Anlagen zur Nutzung geothermischer Energie, wenn bei ihnen dem Wärmeentzug auch eine Regeneration der Quelle möglich ist. Eine wirtschaftliche Möglichkeit zur Regeneration ist zum Beispiel der Kühlbetrieb. Bestens geeignet für den wirtschaftlichen Betrieb einer Geothermieanlage sind Systeme, die für niedrige Heiztemperaturen und hohe Kühltemperaturen ausgelegt sind. Dabei können Energiezwischenspeicher zu einer optimalen Nutzung der Energie und zur Deckung von Lastspitzen bei längerer Betriebsdauer beitragen. Als gebäudeseitige Pufferspeicher geeignet sind Bauwerkmasse, Gebäudehülle, Wasser- oder Eisspeicher.

Haupteinsatzgebiet für Anlagen zum Heizen und Kühlen mit Erdwärme sind bisher neu gebaute Ein- und kleinere Mehrfamilienhäuser mit Fußbodenheizung. Hier werden je nach Platzangebot Erdsonden oder Horizontalkollektoren genutzt. In den letzten Jahren entdecken auch Bauherren großer Neubauten die Vorteile der Geothermie. Vor allem durch den Einbau von Wärmeaustauscherrohren in statisch ohnehin notwendigen Bauteilen wie Ortbetonpfählen der Gründung oder der Verbauung als Energiepfähle können Kosten für Geothermienutzung gedämpft werden. Ein Rohrsystem verbindet die Innenräume mit dem Erdwärmesammler.

Selbst Investoren, die jetzt noch vor den hohen Investitionen für ein modernes Niedrigenergiekonzept einschließlich Erdwärmenutzung zurückschrecken, können Architekten zukunftsfähige Konzepte anbieten: Geplant und vorbereitet wird die Haustechnik zwar für die künftige Erdwärmenutzung. Zum Einsatz kömmt allerdings zunächst ein konventionelles Heizsystem aus Heizöl- oder Erdgasbasis. Verteuern sich die fossilen Energieträger, womit viele Marktbeobachter rechnen, kann ohne großen Aufwand auf Erdwärmenutzung umgestellt werden. Aktuelle Beispiele für diese Idee sind in Frankfurt/Main der neue Wartungshangar der Lufthansa und der neue Verwaltungsbau der Helvetia-Versicherung.

Wasser-Wärmepumpe Logafix WPW von Buderus

Bei Altbauten, vor allem in der Stadt, ist Erdwärmenutzung schwierig. Dass es technisch und wirtschaftlich machbar ist, zeigt ein Gründerzeit-Niedrienergiehaus in Berlin-Friedrichshain. Die Firma Dr. Wilke Projektentwicklung ist Bauherr der „Vulkan-Hofgärten“. Erdwärme und Solarenergie in Verbindung mit kontrollierter Lüftung und bis zu 96 Prozent Wärmerückgewinnung sorgen dafür, dass mehr als 70 Prozent Energie eingespart und künftig nur noch 18 Cent pro Quadratmeter im Monat für Warmwasser und Heizkosten benötigt werden. Trotz der umfassenden energetischen Sanierung wird die Bausubstanz des Gebäudes mit ihren historischen Details und dem besonderen Gründerzeitcharme weitgehend erhalten und behutsam erneuert.

Nicht nur Gebäude, auch beim Brückenbau kann Geothermie wirtschaftlich sein: In Schleswig-Holstein entsteht bei Berkenthin die erste mit Erdwärme beheizbare Brücke Deutschlands. Das Bauwerk, das den Elbe-Lübeck-Kanal überquert, nutzt im Winter Erdwärme, um die Fahrbahn eis- und schneefrei zu halten. Im Sommer kann die Hitze der Fahrbahndecke in den Untergrund abgeleitet werden, was die Haltbarkeit der Straßendecke erhöht.

Für Josef Auer, Energiemarkt-Researcher bei der Deutschen Bank, sind Geothermie und Bauen deshalb zwei Seiten einer Medaille: „Die Expansion der Erdwärme bietet viele neue Chancen für die Bau- und Baustoffindustrie.“

Vera v. Keller ist freie Fachjournalistin für Energie- und Umweltthemen in Berlin.

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