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[ Braunschweig ]

Versteckte Perle

Eine Radtour durch Braunschweig mit guten Ausblicken, einer klaren Sprache und Shopping im Schloss

Nils Hille

Neu und sehenswert: der Busbahnhof, die noch im Bau befind­liche Erweiterung des Herzog Anton Ulrich-Museums und das Studierenden Service Center der Universität

„Blutarm und imagelos – zu Braunschweig fällt anderswo vielen Menschen kaum etwas ein“, sagt der Architekt und diesmalige Stadtführer Martin Vollmer zur Begrüßung. Tritt man aus dem Hauptbahnhof, bestätigt sich das Nicht-Bild: fühlt man sich auch noch darin bestätigt, dass diese Unkenntnis schon berechtigt sei. Eine öde breite Schneise führt in die Innenstadt; niemand legt den Kilometer dorthin zu Fuß zurück. Nur der neue Busbahnhof von den hier heimischen Sawadda, Welp und Welp setzt mit seinem ovalen Dach auch ein positives Zeichen – durch seine schwebende Art, das Licht-Schatten-Spiel und die Formgebung des sonst kahlen, 100 Meter weiten Bahnhofsvorplatzes.

„Warten Sie mal ab! Ihr Bild von Braunschweig wird sich noch mit Leben füllen“, verspricht Vollmer, „wir werden die Stadt nun mit dem Rad erkunden.“Nach nicht mal 500 Metern auf dem Drahtesel stoppt er aber schon wieder. Hier in der Friedrichstraße sind die Investoren für den Bau viergeschossiger Wohnhäuser abgesprungen, daraufhin vergab die Stadt die Parzellen direkt an private Bauherren. Was sich auszahlen sollte: Sie planten individuell mit Architekten und ihre Häuser harmonieren trotz ihrer Unterschiedlichkeit gut miteinander. „Das ist hohe Qualität und für junge Familien eine schöne Möglichkeit des Wohnens“, meint Vollmer.

Grüner Ring

Der Weg führt weiter durch Wallanlagen, in denen die Oker rechts und links zweiarmig an der Innenstadt vorbeifließt. „Dieser Bereich wird gerne angenommen. Die Braunschweiger sitzen in den Restaurants oder fahren mit dem Boot. Einige Kulturstätten sind in die Anlagen integriert“, erklärt Vollmer. Wie das Herzog Anton Ulrich-Museum, das gerade eine Erweiterung vom Büro Lehmann aus Offenburg erfährt. Es entsteht ein dezentes, dreigeschossiges Gebäude, das 2 600 Quadratmeter zusätzliche Fläche bieten wird.

„Für mich ein bemerkenswertes Beispiel, wie in Strenge und Ruhe eine gute Verbindung zum Altbau geschaffen wird. Das ist eigentlich Braunschweiger Schule“, sagt Vollmer. Er spielt auf die Architektenausbildung an der Technischen Universität an und ihre Präferenz für geometrische Strenge und Reduktion. Vollmer selbst hatte eigentlich nicht hier studieren wollen, doch er bekam den Platz zugeteilt und war nach dem Studium Mitbegründer des noch heute hier ansässigen Büros hsv-architekten. Nun ist er seit fast 30 Jahren vor Ort und fühlt sich wohl in der „Perle“, wie er Braunschweig nennt. Dazu gehört für ihn auch der Besuch von Aufführungen des Staatstheaters. Das Haupthaus, bis 1861 von Wolf und Ahlburg errichtet, erinnert an die Florentinerpaläste des 15. Jahrhunderts. Schräg gegenüber entstand 1996 das „Kleine Haus“, entworfen von Lindemann und Thamm. In Sandstein, Metall und Glas zeigt sich die Fassade, im Inneren bildet ein flexibler Saal das Herzstück, in dem bis zu 300 Zuschauer einen Platz finden. „Und oben gibt es ein gutes Restaurant“, empfiehlt Vollmer.

Kulinarischer Höhepunkt: Vom italienischen Restaurant „La Cupola“ in der obersten Etage des „Hauses der Wissenschaft“ haben die Gäste einen guten Blick über die Stadt.

Mit wortwörtlicher Spitzengastronomie geht es weiter. Der Architekt radelt ins Univiertel. Emil Herzig hat hier in den 1930er-Jahren die pädagogische Hochschule mit Elementen des Backsteinexpressionismus gebaut, ein „aussagekräftiges Beispiel der nationalsozialistischen Architektur­ideologie“, wie im Architekturführer Braunschweig zu lesen ist. Innen hat sich einiges verändert, wie Vollmer nun zeigt. Ganz oben im heutigen „Haus der Wissenschaft“ hat das italienische Restaurant „La Cupola“ die Räume bezogen.

Mit bestem Blick und bester Küche lädt es zur Pause. Nach der Stärkung führt der Architekt ins Erdgeschoss, wo die Berlinerin Denise Dih ein im Kontrast zum Gebäude stehendes, betont leicht daherkommendes „Studierenden Service Center“ in Weiß-Grün errichten konnte. Und in der Wilhelmina, dem alten Hauptgebäude der TU, liegt der Ausstellungspavillon von Meinhard von Gerkan, der hier studierte und später lehrte. Das zweistöckige, sogenannte „Gurkenglas“ aus dem Jahr 2000 besticht durch seine funktionale Schlichtheit. Industrieglas als Hülle um ein Betongerippe lenkt den Blick schnell auf die Schautafeln, die durch zahlreiche Deckenleisten flexibel im Raum aufzuhängen sind. „Der Pavillon passt genau zur Architekturrichtung der Fakultät“, lobt Vollmer

Raubtierkopie

Weiter geht es in den Kern der Stadt. Hier auf und am Burgplatz reihen sich die historischen Sehenswürdigkeiten aneinander. Die Bronzefigur des Braunschweiger Löwen ist gleich doppelt vorhanden – auf dem Platz als Kopie und das Original von 1166 geschützt in der Burg Dankwarderode. Diesen Bau ließ Heinrich der Löwe im 12. Jahrhundert errichten, genau wie den benachbarten Dom St. Blasii. Vollmer zieht es aber weiter zum Rathaus, von Stadtbaurat Ludwig Winter Ende des 19. Jahrhunderts erstellt: „Es ist im Stile italienischer Renaissance-Palazzi gebaut und der Besuch des fünfspitzigen Turms bietet mit 61 Metern einen guten Ausblick.“Nicht weit davon entfernt liegt das Residenzschloss – der am heftigsten diskutierte Bau der Stadt.

1960 wurde das stark kriegsbeschädigte klassizistische Gebäude von Carl Theodor Ottmer abgerissen, beschlossen mit einer Stimme Mehrheit im Rat. Eine genauso knappe Mehrheit stimmte dann für den Wiederaufbau der Fassade 2005 bis 2007. Seitdem erlebt der Besucher einen regelrechten Kulturschock. Direkt hinter der historisch anmutenden Hülle begrüßt die Filiale einer amerikanischen Kaffeehauskette die Besucher, die hier eines von 150 Ladenlokalen des Einkaufscenters „Schloss-Arkaden“ der ECE nutzt. „Das war der damalige Deal: Wenn Braunschweig den Platz für 30 000 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung stellt, dann lässt ECE die Fassade wieder aufbauen“, erzählt Vollmer.

Das Umfeld erlebte immerhin eine Aufwertung, wofür das denkmalgeschützte Flebbe-Haus aus den 1950er-Jahren von Friedrich Wilhelm Kraemer, das Karsten K. Krebs aus Hannover sanierte, ein gelungenes Beispiel ist. Dagegen mag Vollmer das kunterbunte „Happy Rizzi House“ nicht dazuzählen. „Diese geballte Fröhlichkeit von James Rizzi ist schon ein wenig erdrückend, doch einen bunten Hund muss ja jedes Dorf haben“, schmunzelt er. Und immerhin: „Wenn Sie jetzt kein Bild von Braunschweig haben, dann weiß ich es auch nicht!“

Kulinarisch

Rondo
Restaurant im Kleinen Haus des Staatstheaters mit Dachterrasse.
www.rondo-bs.de

La Cupola
Italienisch speisen über den Dächern der Stadt, im Gewölbesaal und auf den Dachterrassen. Günstige Mittagsgerichte.
www.rondo-bs.de

Kulturell

Herzog Anton Ulrich-Museum
Das älteste öffentlich zugängliche Museum Deutschlands zeigt Kunst und Kunstahandwerk aus ägyptischer Zeit bis zur Gegenwart.

Staatstheater
Zwei Häuser, vier Sparten und damit eine Reihe sehenswerter Aufführungen unterschiedlichster Art.

Staatliches Naturhistorisches Museum
Eines der ältesten Naturkundemuseen der Welt mit zahlreichen Dioramen und Aquarien.

Entspannend

Ritter St. Georg
Moderner Hotelstandard im ältesten Fachwerkhaus der Stadt.

Haus zur Hanse
Komfortable Zimmer mitten in der Braunschweiger Innenstadt.

Stadthotel Magnitor
Behutsam restauriertes Fachwerkhaus mit stilvoll eingerichteten Zimmern und Suiten.

Erlebenswert

Jakob-Kemenate
Vielfältiges Kulturangebote in der von O.M. Architekten umgebauten 750 Jahre alten Kemenate in der Braunschweiger Altstadt.

Internationales Filmfest
170 Lang- und Kurzfilmproduktionen werden vom 10. Bis 15. November gezeigt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf aktuellen europäischen Produktionen.

Weihnachtsmarkt
Ein sehr stimmungsvolles Angebot, durch das historische Ambiente auf dem Burg- und Domplatz.

Buchtipp

BDA Braunschweig (Hrsg.)
Architekturführer Braunschweig
Sehenswerte Gebäude des 19. bis 21. Jahrhunderts
12,40 Euro, 120 Seiten, Appelhans Verlag

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