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[ Hilfe zur Selbsthilfe ]

Musterhaus mit Sonnenhut

EcoAndina unterstützt argentinische Andenbewohner, sich nachhaltig mit Energie zu versorgen. Jetzt baut die Stiftung mit Hilfe deutscher Architekten ein solares Schulungszentrum.

Michael Schmid

Die Puna liegt auf rund 3 300 Metern – eine Hochebene am Fuße der Anden in der Provinz Jujuy im Nordwesten Argentiniens. Das Klima ist trocken, die Temperaturen schwanken zwischen zwei und zehn Grad. Das Land ist karg.

Entsprechend hart ist das Leben für die Landbevölkerung. Brennstoffe sind teures Propangas in Flaschen oder die Reste von Buschwerk in einer bereits weithin abgegrasten Steppe. Das öffentliche Versorgungsnetz endet in San Salvador de Jujuy, der unten im Tal gelegenen Provinzhauptstadt.

Solares Musterhaus in San Salvador de Jujuy (Argentinien)

Für Michael Sehmsdorf ist es jedes Mal eine weite Reise. 1 600 Kilometer liegt Buenos Aires entfernt, wo der deutsche Architekt seit zwei Jahren lebt und arbeitet. Das letzte Mal war er im Mai in San Salvador, als das Solarhaus der Fundación EcoAndina feierlich eröffnet wurde. Zusammen mit zwei weiteren Deutschen, dem Architekten Max Schimke und dem Solaringenieur Christoph Müller, hatte er dieses von der deutschen Botschaft und Greenpeace Deutschland geförderte Musterhaus geplant. Es ist nicht nur selbst energieautark, seine Technologien und das Planungsverfahren dienen gleichzeitig als Inventarium für ein Schulungszentrum, das argentinischen Bauherren und Planern nachhaltiges Bauen nahebringen will.

Sonne statt Reisig: Gespiegelte Strahlen heizen Kocher oder Backofen. Preiswerte Solartechnik, die den Menschen nützt und die Umwelt schützt.

Das Gebäude ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die vor 17 Jahren begann. Damals gründete sich EcoAndina, eine Gruppe Gleichgesinnter, die sich um den Erhalt der Naturschätze und die Sicherung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung kümmerte. Ziel war eine behutsame Entwicklung, die die Natur genauso wie die kulturelle Identität der Menschen berücksichtigt. 1998 in eine Stiftung umgewandelt, stellt EcoAndina – unterstützt von der deutschen Entwicklungshilfe und Partnern im badischen Freiburg – Lowtech-Technolo­gien wie Solarkocher, Solaröfen, Wasser- und Warmluftkollektoren zur Verfügung und führte die in Israel entwickelte ressourcenfreundliche Tröpfchenbewässerung ein. Anfangs skeptisch beäugt, hat sich die Technik wie etwa der Solarkocher unter den Bauern mittlerweile zum Statussymbol entwickelt. Mit dem Solarhaus trägt die Fundación der gestiegenen Nachfrage nun räumlich und personell Rechnung – und schafft gleichzeitig ein erlebbares, beispielhaftes Gebäude für Schulungszwecke.

„Eine Herzensangelegenheit“ ist das Haus für Michael Sehmsdorf und Max Schimke. Weil es der Bevölkerung vor Ort hilft und weil es dazu beiträgt, das Thema Nachhaltigkeit generell im Land zu verankern. „Hier ist man auf dem Stand von Deutschland vor 20 Jahren“, meint Sehmsdorf. 70 Prozent der Häuser seien ohne Architekt geplant. Aber auch Architektenhäuser missachteten einfachste Prinzipien wie Gebäudeorientierung, Platzierung von Fenstern oder das Abstimmen der Baukörpergeometrie. Eine solare Nachrüstung ist meist unmöglich. Auch werden Gebäude klimatischen Bedingung en nicht angepasst. So setzt der Staat etwa bei Schulen immer auf ­denselben Bautyp – im tropischen Tiefland genauso wie in 4 300 Metern Höhe.

Im Konzept des Solarmusterhauses vereinte das Team um Michael Sehmsdorf aktive und passive Designprinzipien, um zu zeigen, wie wichtig eine richtige Planung von Anfang an ist. Das Schulungsgebäude umfasst Vortragssaal, Büros und Küche. Die Räume sind thermisch getrennt und separat beheizt. Dem 80-Quadratmeter-Vortragsraum ist auf der nördlichen Sonnenseite (südliche Erdhalbkugel) eine Trombéwand vorgeschaltet, die im Winter bei niedrigem Sonnenstand als Speichermasse dient. Im Sommer verhindern ein vorgelagerter Sichtbetonrahmen und ein Sonnenschutz deren Überhitzung.

Funktionsweise der solaren Heizung tags und nachts

Dachintegrierte Luftkollektoren heizen die gen Süden liegenden Büros und die Küche mithilfe der von Christoph Müller für die lokalen Bedürfnisse entwickelten Speicherheizung. Ein Ventilator schickt die Warmluft der Kollektoren durch Schächte in ein Kiesbett unter die Bodenplatte, wo die Wärme gespeichert und phasenversetzt an die Räume abgegeben wird. Den Büros und der Küche ist zudem ein Wintergarten vorgeschaltet, den verstellbare Sonnenschutzelemente vor Überhitzung bewahren.

Im dem entsprechend dem Längengrad optimal geneigten Dach sind neben den Warmluftkollektoren Kollektoren zur Warmwasseraufbereitung und Photovoltaikpaneele zur Stromversorgung integriert. Auf der sonnenabgewandten Seite besitzt es zusätzlich Oberlichter für die indirekte Beleuchtung von Wintergarten und Büros. Ein Mittelteil, der sogenannte Solarhut, beinhaltet sichtbar die Peripheriegeräte der Solaranlage wie Speichertanks und Batterien.

Die Kosten zu kontrollieren, war eine weitere Aufgabe der Architekten – vorrangig die Ausgaben für die teuren Kollektoren, die sich mit der Höhe des Wirkungsgrades relativieren sollten. Den wiederum bestimmen Benutzer, Ausrichtung und passive Elemente. Wichtig waren die konsequente Ost-West-Lage, Gebäudeisolierung und Winddichtigkeit sowie Maßnahmen, um Benutzerverhalten zu kompensieren, das Wärmeverlust verursacht – etwa Schleusen vor Türen, die die Menschen wie ihre Fenster gerne offen stehen lassen.
Der erste Bauabschnitt des Solarhauses, die Werkstatt, ist abgeschlossen. Der zweite, das eigentliche Schulungszentrum, hat im Juni begonnen. Wie ernst das Zentrum im Land bereits genommen wird, zeigt der geplante dritte Bauabschnitt: Er wird eine Bibliothek beinhalten und Gästewohnungen für Studenten mit Stipendium, die sich im Bereich nachhaltiges Bauen qualifizieren wollen.

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