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[ Urteile ]

Asbest, Swingerclubs und Denkmäler

Aktuelle Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht.

Dr. Hubertus Schulte Beerbühl

Asbestverseuchung kein „außergewöhnliches Ereignis“ im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB

Soll ein Vorhaben im Außenbereich verwirklicht werden und ist es nicht privilegiert, ist zu prüfen, ob ein etwaiger diesem „sonstigen Vorhaben“ entgegenstehender öffentlicher Belang überwunden werden kann. Die Genehmigungsfähigkeit eines Gebäudes nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB setzt voraus, dass es ein Gebäude ersetzen soll, das „durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse“ zerstört worden ist. Zu den genannten Fällen gehört eine Verseuchung des Gebäudes durch Asbest nicht. Die Vorschrift ist nur auf die Fälle anwendbar, in denen die Zerstörung weder vom Eigentümer bewirkt worden ist noch ihre Ursache sich in dem baulichen Zustand des Gebäudes findet.

Eine Unbewohnbarkeit, die auf der Verwendung ungeeigneter Baumaterialien beruht, fällt nicht darunter (Allenfalls kommt eine Genehmigungsfähigkeit nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB infrage: Das asbestverseuchte Gebäude weist „Missstände oder Mängel“ auf. Diese Vorschrift privilegiert aber nur Wohngebäude und nicht, wie in dem vom OVG Berlin-Brandenburg ­negativ beschiedenen Fall, ein Wochenendhaus).
Untergang des ­Bestandsschutzes,OVG Berlin-­Brandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2006, Az.: 2 N 205.05

Swingerclub als Vergnügungsstätte

In der Rechtsprechung und Literatur sind einige typische Merkmale von Vergnügungsstätten herausgearbeitet worden. Danach handelt es sich um gewerbliche Einrichtungen (Gewerbebetriebe besonderer Art), die dem „Amusement“, der kommerziellen Freizeitgestaltung, Zerstreuung und Entspannung, dem geselligen Beisammensein, der Bedienung der Spielleidenschaft und ähnlicher Interessen dienen. Die Nutzungsarten widmen sich einer bestimmten, auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung.

Als Anlagen mit bodenrechtlichem Bezug knüpfen sie nicht an Definitionen des Vergnügungssteuerrechts an, sondern stellen auf typische städtebaulich relevante (negative) Folgewirkungen ab, wie auf Lärmbelästigungen, Beeinträchtigungen des Stadt- und Straßenbildes und des Gebietscharakters, aber auch Verschlechterung der Gebietsqualität (sog. Trading-down-Effekt), wobei bezüglich der Intensität dieser Auswirkungen zwischen den auf Kerngebiete beschränkten und den sonstigen Vergnügungsstätten unterschieden wird.

Bei Anwendung dieser Kriterien kam in dem entschiedenen Fall der baden württembergische VGH zu dem Ergebnis, dass jedenfalls der fragliche Swingerclub eine Vergnügungsstätte war. Dem stand nicht entgegen, dass in dem Club auch Speisen und Getränke verabreicht wurden; das machte den Club nicht zu einer Schank- und Speisewirtschaft. Diese „gaststättenrechtliche Seite“ hatte gegen­über dem sonstigen Zweck des Clubs nur eine untergeordnete, den eigentlichen Betriebszweck lediglich vorbereitende und ihm dienende Funktion.
VGH Baden-Württem­berg, ­Beschluss vom 28. November 2006, Az.: 3 S 2377/0

Zum Begriff des „Einkaufszentrums“

Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO sind Einkaufszentren außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Ein Einkaufszentrum ist nach der durch das vorliegende Urteil bekräftigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen bei einem „Gebäudekomplex, in dem Einzelhandelsbetriebe verschiedener Art und Größe räumlich konzentriert werden und die einzelnen Betriebe aus der Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, als durch ein räumliches Konzept und Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten“.

In dem entschiedenen Fall sollten die geplanten Gebäude durch einen gemeinsamen Verbindungsgang miteinander vernetzt, eine „räumliche Mitte“ für den gesamten Komplex in dem Mittelgebäude geschaffen und ferner gemeinsame Stellplätze eingerichtet werden. Eine gemeinsame Werbung und eine verbindende Sammelbezeichnung – beides war nicht geplant – seien nicht etwa zwingende Voraussetzung für ein Einkaufszentrum. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hatte das Gesamtvorhaben als Einkaufszentrum angesehen (Urteil vom 17. April 2007 – 1 KO 1127/03); das Bundesverwaltungsgericht hat diese Würdigung als rechtsfehlerfrei angesehen.
Bundesverwaltungs­gericht, Beschluss vom 12. Juli 2007, Az.: 4 B 29/07

Rücksichtnahmegebot bei gefährdeter Nachbarschaft

Ist in einem Plangebiet ein Vorhaben nur ausnahmsweise zulässig, darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn diese Ausnahme in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen ist. Aber auch dann darf sie nicht zugelassen werden, wenn das konkrete Vorhaben wegen der besonderen Verhältnisse der Eigenart des Baugebiets widerspricht oder die Umgebung unzumut­bar stört. Ein betroffener Nachbar hat im Falle des Verstoßes gegen dieses Rücksichtnahmegebot ein Abwehrrecht gegen die Baugenehmigung.

In dem entschiedenen Fall ging es um die Umnutzung eines Gebäudes zu einem türkischen Konsulat; der Nachbar machte geltend, aufgrund der Gefahren, die sich aus einem möglichen terroristischen Anschlag auf das Konsulat für Leib und Leben der Anwohner ergeben könnten, verstoße die Genehmigung gegen das Gebot. In dem entschiedenen Fall hatte die Vorinstanz – in Übereinstimmung mit der Einschätzung der zuständigen Sicherheitsbehörden – angenommen, dass keine über eine unspezifische Besorgnis hinausgehende Gefährdungslage gegeben sei; außerdem enthielt die Baugenehmigung bereits eine Reihe von sicherheitstechnisch bedingten Nebenbestimmungen. Deshalb sah das Bundesverwaltungsgericht das Rücksichtnahmegebot als nicht verletzt an.
Bundesverwaltungs­gericht, Urteil vom 25. Januar 2007, Az.: 4 C 1/06

Zur „zugelassenen Nutzung“ nach § 12 Abs. 2 BauNVO

Ist eine in ihrer Umgebung (im entschiedenen Fall im allgemeinen Wohngebiet) als Fremdkörper einzustufende gewerbliche Nutzung in der Vergangenheit bestandskräftig genehmigt worden, stellt sich die Frage, ob trotz der Lage der Anlage dort auch (zugeordnete) Stellplätze und Garagen errichtet werden dürfen. Nach § 12 Abs. 2 Bau NVO sind diese in einem solchen Gebiet nur für den durch die „zugelassene Nutzung“ verursachten Bedarf zulässig. Darunter sind nach allgemeiner Ansicht die nach den jeweiligen Festsetzungen im Bebauungsplan zulässigen Nutzungen zu verstehen, ferner die im Wege der Befreiung oder Ausnahme zulassungsfähigen Nutzungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem genannten Urteil entschieden, dass auch eine Nutzung, die bestandskräftig genehmigt worden ist und daher weiter ausgeübt werden darf (Bestandsschutz genießt), vom Begriff der „zugelassenen Nutzung“ umfasst ist.
Bundes­verwaltungs­gericht, Urteil vom 7. Dezember 2006, Az.: 4 C 11/05

Wertminderung eines Grundstücks durch Nachbarbebauung

Die Bebauung eines Nachbargrundstücks wird von einem Grundstückseigentümer oft als wertmindernd für sein Eigentum empfunden. Die Schwelle der nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigung des Eigentums wird aber nur selten überschritten sein. Zwar schützt Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz auch die Nutzbarkeit des Eigentums und die diesbezügliche Verfügungsfreiheit. Hoheitlich bewirkte Minderungen des Marktwertes eines Vermögensgutes greifen jedoch in der Regel nicht in diesen Freiheitsrahmen ein und berühren daher nicht den Schutzbereich des Eigentumsrechts.

Das gilt auch für die in dem Verfahren behauptete Wertminderung ihres Grundstücks durch die genehmigte Errichtung und den Betrieb einer Mobilfunksendeanlage. Im Übrigen sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Genehmigungsbehörde sich in ihrer Praxis an dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Frage der möglichen schädlichen Gesundheitseinwirkungen von elektromagnetischen Feldern durch den Betrieb einer Mobilfunkanlage orientiere.

Die geltenden Grenzwerte könnten nur dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar sei, dass sie die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützen. Eine Verletzung der für den Verordnungsgeber bestehenden Pflicht zur Beobachtung und Bewertung des Erkenntnisfortschritts der Wissenschaft sei erst gegeben, wenn evident sei, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar geworden sei; das sei gegenwärtig nicht der Fall.
Bundesverfassungsgericht, ­Beschluss vom 24. Januar 2007, Az.: 1 BvR 382/05

Abwägungsentscheidung bei Aufstellung eines Bebauungsplans

Bei Aufstellung eines Bebauungsplans muss die planende Gemeinde die öffentlichen und privaten Belange untereinander und gegeneinander gerecht abwägen. Die Abwägungsentscheidung ist fehlerhaft, wenn die Gemeinde die Bedeutung der Belange Einzelner verkennt und insbesondere nicht dem Gewicht privaten Eigentums hinreichend Rechnung trägt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss beachtet werden. Bei der Festsetzung öffentlicher Verkehrsflächen ist demnach eine größtmögliche Schonung privater Flächen anzustreben.

Insbesondere muss, so hat das Gericht unter Berufung auf verfassungsgerichtliche Rechtsprechung entschieden, geprüft werden, ob das Planungsziel nicht auch erreicht werden kann durch eine Inanspruchnahme von Flächen in gemeindlichem Eigentum oder auch – um ein Mindestmaß an Lastengleichheit zwischen allen betroffenen Eigentümern zu gewährleisten – von Flächen Privater, die aufgrund der Planfestsetzung ein besonderes Interesse an der Erschließung ihres Grundstücks haben.

Hier hatte die Gemeinde nicht in den Blick genommen, dass bei der Erschließung des Gebietes über ein Feuerwehrgelände oder eine vorhandene Straße städtisches Eigentum hätte in Anspruch genommen werden können und es dann eines Rückgriffs auf privates Grundeigentum nicht bedurft hätte, und sich auch nicht mit der Frage beschäftigt, ob nicht zumindest eine Inanspruchnahme von Grund und Boden solcher Privateigentümer in Betracht kommen könnte, die wegen der Überplanung großer, bisher im Außenbereich gelegener Flächen ein besonderes Interesse an der Erschließung haben, weil sie unmittelbar von ihr profitieren.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. Mai 2007, Az.: 10 D 129/05.NE

Verhältnis Erhaltungssatzung (§ 172 BauGB) zum Denkmalrecht

Eine Gemeinde darf durch eine Satzung zur Erhaltung baulicher Anlagen („Erhaltungssatzung“) unter anderem die Änderung baulicher Anlagen im Geltungsbereich der Genehmigungspflicht unterwerfen, um die städtebauliche Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt zu erhalten.

Dabei muss der Grund für die Erhaltung der baulichen Anlagen ein bodenrechtlich-städtebaulicher sein, die Gemeinde darf mit ihr nicht der Sache nach Denkmalschutz betreiben. Eine bauliche Anlage kann allerdings gleichzeitig Gegenstand einer Erhaltungssatzung und einer denkmalrechtlichen Unterschutzstellung oder Objekt einer Denkmalbereichssatzung sein. Die Verweigerung einer nach der Erhaltungssatzung erforderlichen Genehmigung kann nur auf die im Gesetz genannten Gründe gestützt werden. Ob einer dieser Gründe gegeben ist, muss für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der mit der Satzung verfolgten städtebaulichen Erhaltungsziele und mit Blick auf das Interesse des Eigentümers an der genehmigungspflichtigen Maßnahme entschieden werden.

In dem zitierten Fall beruhte die Erhaltungswürdigkeit im Wesentlichen darauf, dass die baulichen Anlagen Elemente der Einheitlichkeit in der Stadtbildgestaltung mit einem hohen Maß an Individualität bei der Fassadengestaltung zu einem harmonischen Gesamteindruck verbanden. Weil die Individualität der Fassaden die Entstehung des Wohnquartiers aus vielen Einzelparzellen erkennen lasse, könne eine Baugenehmigung nur versagt werden, wenn gerade dieser Zweck vereitelt werde. Da hier viele verschiedene Fensterformate vorhanden waren und nicht die Einheitlichkeit, sondern die Vielfältigkeit der Fassadengestaltung als schützenswert eingestuft worden war, durfte dem Bauherrn der Wunsch nach stehenden Fensterformaten nicht versagt werden, zumal dies bei dem Nachbargebäude hingenommen worden war.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. April 2007, Az.: 10 A 305/05

Zur Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich

Für die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ist oft von ausschlaggebender Bedeutung, ob es – noch – in einem „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ liegt oder – schon – dem Außenbereich (etwa einer im Außenbereich gelegenen Splittersiedlung) angehört.

In dem genannten Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht die für die Abgrenzung entwickelten Kriterien zusammengefasst und präzisiert. Es kommt darauf an, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung (trotz etwa vorhandener Baulücken) nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. „Ortsteil“ ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Die tatsächlich vorhandene Bebauung ist entscheidend. Auch Gebäude, die im Außenbereich privilegiert sind, können zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils beitragen.

Es kommt weder auf die Gründe für die Genehmigung noch auf die Zweckbestimmung oder die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung an. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich noch als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden Sachverhalts zu entscheiden. Zur Bebauung gehören in der Regel nur bauliche Anlagen, die geeignet sind, dem Gebiet ein bestimmtes städtebauliches Gepräge zu verleihen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen; dazu können auch landwirtschaftlichen oder erwerbsgärtnerischen Zwecken dienende Betriebsgebäude gehören.
Bundesverwaltungsgericht, ­Beschluss vom 2. April 2007, Az.: 4 B 7/07

Dr. Hubertus Schulte Beerbühl ist Richter am Verwaltungsgericht Münster.

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