
Einer der ersten Modulbauten mit Gebäuderessourcenpass wird die derzeit im Bau befindliche Realschule Hackenbroich in Dormagen.
futur.drei Planer GmbH
Erschreckende Zahlen belegen, wie stark das traditionelle Bauwesen zur Verschwendung natürlicher Ressourcen beiträgt: Allein die Herstellung von Zement und Beton verschlingt große Mengen nicht erneuerbarer Rohstoffe. In Deutschland gehen laut Destatis jährlich 517 Millionen Tonnen – fast 90 Prozent des inländischen mineralischen Abbaus – in den Bau von Gebäuden.
Auch die Entsorgung ist problematisch: Eine echte Wiederverwendung ohne Qualitätsverluste findet kaum statt. Stattdessen werden Bauabfälle meist „downgecycelt“ – etwa im Straßenbau – oder nur deponiert. Besonders Verbundbaustoffe sind kritisch, da ihre Bestandteile nur schwer trenn- und wiederverwertbar sind. Zwischen 2006 und 2023 fielen in Deutschland laut Destatis durchschnittlich 390 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr an – über die Hälfte davon aus dem Bausektor. Das entspricht dem Ladevolumen eines Güterzugs mit 207 Waggons.
Bedeutung des zirkulären Bauens
Die Ressourcen in unseren Gebäuden sind zu wertvoll und rar – und ihre Herstellung ist oft zu energie- und CO₂-intensiv –, als dass wir sie sorglos verschwenden oder gar entsorgen könnten. Ein respektvoller Umgang mit Gebäudestrukturen und die Nutzung des Bestands als künftige Materialquelle können die enormen Bauabfallmengen deutlich reduzieren. Ziel ist es, Abfälle von Anfang an zu vermeiden – durch den Erhalt bestehender Substanz ebenso wie durch Neubauten, die auf eine lange Nutzungsdauer ausgelegt sind. Nicht vermeidbare Abfälle müssen im Kreislauf bleiben: durch vorausschauende Planung von Rückbau und Recycling, durch ressourcenschonendes, gesundes und kreislauffähiges Bauen – und durch wertstabile Gebäude, die langfristig und intensiv nutzbar bleiben.
Deutschland befindet sich aktuell in einer notwendigen Transformation zu einer ressourcenschonenderen und auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Kreislaufwirtschaft. Ziel: Der zukünftige Gebäudebestand soll die natürliche Ressourcenquelle der Zukunft bilden. Der Modulbau nimmt hierbei eine Vorreiterrolle ein, denn Modulgebäude entsprechen schon heute der Vorstellung eines im Hinblick auf den Materialkreislauf intelligent geplanten und vorausschauend entworfenen Bauwerks. Dies wirkt sich bereits positiv auf die Nachhaltigkeits-Zertifizierung der Alho-Gebäude nach BNB und DGNB aus.
Kreislauffähigkeit und Bewertung der Nachhaltigkeit
Eines der führenden Bewertungssysteme für die Nachhaltigkeit von Gebäuden ist das der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB). Sie bewertet Bauwerke ganzheitlich und lebenszyklusorientiert. Neben der ökonomischen, ökologischen, soziokulturellen und funktionalen Qualität werden auch die Prozessqualität, die Standortqualität sowie die technische Qualität bewertet.
Ein Kriterium der technischen Qualität ist „TEC 1.6 – Zirkuläres Bauen“. Hier werden „Standort- und Bestandsanalyse und vorangehender (Teil-)Rückbau“, „Zirkuläres Bauen – Konzeptionsphase“ und „Zirkuläres Bauen – Ausführung und Dokumentation“ betrachtet. Das TEC 1.6 fließt mit drei Prozent in die Gesamtbewertung der DGNB ein. Zudem stellt es eine Mindestanforderung für die Zertifizierung dar: Entweder muss eine Rückbauanleitung vorgelegt oder es müssen mindestens 20 Punkte erreicht werden. Diese Anforderung stellt sicher, dass zirkuläre Aspekte bereits in der Planung berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit, die Rückbaubarkeit zu dokumentieren, ist der Gebäuderessourcenpass.
Der Gebäuderessourcenpass und seine Informationen
Zirkuläres Bauen verfolgt das Ziel, Gebäude zu schaffen, die mit Blick auf den Materialeinsatz auf bereits verfügbare Ressourcen zurückgreifen, durch flexible Strukturen möglichst lange genutzt werden können und nach der Nutzung möglichst viele Materialien zur Wiederverwendung oder Wiederverwertung bereitstellen.
Es bedarf einer fundierten Informationsgrundlage, um zu beurteilen, ob Gebäude so konzipiert sind, dass sie einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten und auch nach einer möglichst langen Nutzung demontierbar, trennbar und recycelbar sind. Genau hier setzt der Gebäuderessourcenpass der DGNB an. Er dokumentiert die kreislaufgerechte Planung eines Gebäudes inklusive konsequenter Rückbaukonzepte und zeigt so auf, inwiefern ein Gebäude bereits „urbane Minen“ nutzt oder selbst zu einer werden kann.
Der Gebäuderessourcenpass enthält alle wesentlichen Informationen über Art, Menge und Qualität der verbauten Materialien und Produkte. Er gibt Auskunft über Demontierbarkeit, Trennbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit von Bauteilen. Ökobilanz und Klimawirkung werden anhand der CO₂-Emissionen über den Lebenszyklus und den Ressourcenverbrauch – beispielsweise den Primärenergiebedarf oder den Wasserverbrauch – dokumentiert.
Zudem macht der Gebäuderessourcenpass Angaben zu Mengen und Arten von Bau- und Abbruchabfällen, die beim Rückbau entstehen, und zeigt Strategien zu deren Vermeidung, Wiederverwendung und Verwertung auf. Auch kann er einen monetären Material-Restwert ausweisen – also einen Wert, der durch die potenzielle Realisierung des Rückbaus für die wiederzuverwendenden und wiederzuverwertenden Materialien erlöst werden kann.
Alle Werte des Gebäuderessourcenpasses münden in den Zirkularitätsindex (ZI): Dieser bewertet die heutige (Pre-Use) und zukünftige (Re-Use) Kreislauffähigkeit. Beim Pre-Use wird etwa der Einsatz von Recyclingmaterialien betrachtet, beim Re-Use die Rückbaukonzepte sowie das „Urban Mining“-Potenzial. Diese Dimensionen werden je nach Gebäudetyp unterschiedlich gewichtet. Der „Aggregierte Zirkularitätsindex“ addiert beide Anteile zu einer Gesamtkennzahl. Die DGNB empfiehlt hier, einen Wert größer 0,50 anzustreben, um einen positiven Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu dokumentieren.
Werte der Modulgebäude in Holz-Hybridbauweise
Die Fachplanung Nachhaltigkeit bei Alho hat damit begonnen, Gebäuderessourcenpässe bei konkreten Bauvorhaben auszustellen. Bei der Alho-Hybridbauweise, die künftig Standard sein soll, bilden Stahl und Holz eine perfekte Synergie. Betrachtet man die Materialherkunft (Pre-Use), punktet die Hybridbauweise mit dem Recyclingweltmeister Stahl, der bei Alho zu einem Großteil aus Schrott besteht. Das eingesetzte Holz ist ein nachwachsender Rohstoff mit FSC- oder PEFC-Zertifizierung. So ist – je nach Vorgaben des Kunden – ein Einsatz wieder- oder weiterverwendeter Materialien von circa 50 Prozent möglich.
Auch beim Rückbau punktet das System: Die tragende Stahlkonstruktion kann wiederverwendet werden. Bei den weiteren eingesetzten Materialien handelt es sich bewusst nicht um Verbundstoffe, sodass diese ebenfalls sortenrein erneut dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden können. Insgesamt kann die Alho-Hybridbauweise eine potenzielle Kreislauffähigkeit von 70 Prozent erreichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Holz seltener recycelt als thermisch verwertet wird. Es wird dem Wertstoffkreislauf entnommen, erfüllt aber einen weiteren Zweck. Letztlich entsorgt werden muss nur ein Anteil von maximal zehn Prozent des Gebäudes. Diese Werte, die aktuell nur
der Modulbau erreicht, ergeben einen Zirkularitätsindex von circa 0,6. Somit leisten Alho-Gebäude einen positiven Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und sind Vorreiter innerhalb der Bauindustrie. p
Riccardo de Nitto studierte Umweltingenieurwissenschaften an der TH Aachen und ist in der Fachplanung Nachhaltigkeit bei Alho tätig