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[ Leserbeitrag ]

Die perfekte Baustelle: Wollen wir es nicht so lassen?

Burkhard Mentrup traf auf einer Baustelle von Günter Behnisch den Architekten höchstselbst. Doch erst Jahre später begriff er dessen Ansatz, dass demokratische Architektur nichts vorzugeben hat und auch nie fertig ist

Atrium mit Treppen und Glasfassade
Die Landesversicherungsanstalt in Lübeck nach der Fertigstellung.

Es war im Jahr 1998, als das Büro Behnisch & Behnisch, Stuttgart die Landesversicherungsanstalt in Lübeck plante und baute. Eher zufällig lernte ich beim Sport einen Bauleiter kennen, der mir erzählte, dass er zurzeit im Bauleitungsteam von Behnisch an der LVA arbeitet. Kurz vor der Fertigstellung haben wir uns auf der Baustelle verabredet, um dieses heute noch immer beeindruckende Verwaltungsgebäude gemeinsam anzusehen.

Überwältigender Raumeindruck

Auf der Baustelle, im sich über alle Geschosse erstreckenden Foyer, empfing uns eine Farbenvielfalt mit sich kreuzenden, miteinander verschränkten Linien, Materialien und Flächen, das war schon ein wenig „Dekonstruktivismus“ par excellence. Im Dachgeschoss sind die in sich verschobenen, mit unterschiedlichen Neigungen ausgebildeten Stahlkonstruktionen der Dach-Deckenflächen sichtbar  – ein Raumeindruck, der übereinandergestapelten Eisschollen gleichkommt. Der Trockenbau hatte erste Wandständer aufgestellt, alles noch ohne Beplankung, somit war der Blick frei durch das gesamte Geschoss, mit einer tief im Westen untergehenden Sonne, die diesen Moment mit einem zauberhaften Licht begleitete.

Bürogebäude in Grünanlage
Die Landesversicherungsanstalt Lübeck mit dem spektakulären Atrium in der Mitte.

Überraschender Besuch vom Architekten

Völlig überraschend betritt Günter Behnisch mit einigen Planern und Vertretern des Auftraggebers ebenfalls das Dachgeschoss und ist tief beeindruckt – so meine Bewertung – von diesen „halb fertigen“ Flächen/Räumen und dem Licht. Und was formuliert er daraufhin? Nicht die Frage: „Wann werden wir fertig?“ Nicht die Aussage: „Ein schönes Raumerlebnis!“ Keine Aussage zu den ersten Musterfarben an den wenigen vorhandenen Wänden. Nein: Günter Behnisch sagte kurz und knapp: „Wollen wir es nicht so lassen?“

Wie sagt man im Norden: Dodenstille, gor kehn Wind …. und genauso war es. Es gab nach dieser Aussage andächtige Ruhe und keiner traute sich, etwas zu sagen.

Erst Jahre später begriff ich seinen in all seinen geplanten und realisierten Gebäuden immer wieder sichtbaren Ansatz, dass demokratische Architektur nichts vorzugeben hat und auch nie fertig ist! 1999 hat die Landesversicherungsanstalt Lübeck den BDA Preis Schleswig-Holstein erhalten, völlig zu Recht!

Jedes Mal, wenn ich an diesem Gebäude vorbeikomme, erzeugt die Erinnerung ein Lächeln in meinem Gesicht: Dieser Moment, diese Aussage erinnern mich immer wieder an eine herausragende Persönlichkeit, einen ganz Großen in der deutschen Architektenschaft.

Burkhard Mentrup, Architekt, Krummesse

 

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