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[ Interview ]

„Nur in einer großen Gemeinschaft kann man etwas bewegen“

Was motiviert die neue BAK-Präsidentin Andrea Gebhard? Was sind ihre Ziele und Wünsche für den Berufsstand? Brigitte Schultz traf sie in Berlin zum Gespräch

BAK-Präsidentin Andrea Gebhard
DAB-Chefredakteurin Brigitte Schultz im Gespräch mit BAK-Präsidentin Andrea Gebhard

Frau Gebhard, Sie stehen nun an der Spitze der Bundesarchitektenkammer und bestimmen damit die Geschicke Ihres Berufsstandes maßgeblich mit. Wenn Sie auf den Anfang Ihres beruflichen Weges zurückblicken: Warum sind Sie Planerin geworden?

Ich komme aus einem Architektenhaushalt. Dadurch habe ich mit Planung immer etwas zu tun gehabt. Doch der eigentliche Kick war, als wir 1972 im Biologieunterricht das Buch „The Club of Rome. Die Grenzen des Wachstums“ durchgenommen haben. Das hat mich unglaublich interessiert. Ich habe dann Geografie studiert – bis ich eines Tages im Wartezimmer einen Artikel über eine Landschaftsarchitektin las: „Sie kämpft für jedes Stück Landschaft.“ Ich war sofort Feuer und Flamme, rief meine Eltern an und sagte: „Ich wechsele jetzt zu Landschaftsarchitektur.“

Was hat Sie als Inhaberin eines erfolgreichen Büros dazu motiviert, für das Amt der BAK-Präsidentin zu kandidieren? Das ist ja ein großer Schritt.

Ich habe mir sogar mal überlegt, als ich noch jünger war, ob ich nicht ganz in die Politik gehe, weil es mich immer interessiert hat. Die Verbindung zwischen Fachlichkeit und Politik, die die BAK-Arbeit ausmacht, ist für mich eine sehr erfüllende Aufgabe. Als BAK-Präsidentin komme ich an die politischen Gremien und Akteure ganz anders heran, um die Ideen, die wir hier miteinander entwickeln – in der BAK mit allen Länderkammern und natürlich auch in den Verbänden –, weiterzutragen. Das sehe ich als große Chance und große Herausforderung und als wirkliche Freude.

Die Präsidentschaft ist ein Ehrenamt. Manche sehen darin nur die zusätzliche Arbeit. Wo liegt der persönliche Gewinn?

Ich habe schon immer viel ehrenamtlich gemacht, unter anderem als Präsidentin des BDLA. Für mich gibt es keinen Grund, sich nicht in Verbänden und Kammern zu engagieren. Als Privatperson habe ich doch null Einfluss. Nur in einer großen Gemeinschaft hat man die Möglichkeit, wirklich etwas zu bewegen. Und es erweitert den Horizont. Es ist schön, wenn man mehr macht als das, was man machen muss. Weil es einem noch andere Räume eröffnet. Im Ehrenamt bin ich nicht in der monetären Verantwortung. Natürlich habe ich Verantwortung für die BAK, aber ich muss damit kein Geld verdienen. Hier habe ich einen großen Rahmen, Dinge weiterzuentwickeln, die mir schon immer wichtig waren.

Haben Sie als Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin einen anderen Blick auf die Architektur als eine praktizierende ­Architektin?

Vermutlich schon, weil ich von außen komme: nicht aus dem Grundriss, sondern aus der Stadt. Das ist eine andere Sicht auf die Dinge. Da ich in einem Architektenhaushalt aufgewachsen bin, habe ich schon architektonische Ahnung und kann einen guten Grundriss von einem schlechten unterscheiden. Aber ich würde mir nicht anmaßen, selbst Architektur zu machen. Sondern ich sage: „So sehe ich es von außen, wie siehst du es von innen?“ Wir arbeiten im Büro sehr viel mit Architekturbüros zusammen, machen auch gemeinsam Wettbewerbe. Wenn es gut läuft, man sich gegenseitig befruchtet und offen ist füreinander, entstehen hervorragende Beiträge.

Jetzt stehen Sie ja für sehr viele ­Architektinnen und Architekten ….

Ich bin eine absolute Verfechterin der Teamarbeit und des Interdisziplinären. Das Engagement in der BAK ist da ein weiterer logischer Schritt. Es geht ja um die gebaute Umwelt insgesamt, die Kulturumwelt, die wir Menschen schaffen. Die Landschaft, die Stadtlandschaft und der öffentliche Raum sind vom Gebäude nicht zu trennen, das steht immer in Bezug zueinander.

Welches Ziel haben Sie in Ihrer Amtszeit als BAK-Präsidentin?

Einen Beitrag zur Überwindung der Klimakatastrophe zu leisten. Da sehe ich mit meiner Ausbildung als Landschaftsarchitektin natürliche Zusammenhänge. Wenn wir nicht sofort anfangen, Konzepte für Quartiere zu machen – für Wasserretention, Freiraum, Begrünung und Mobilität – und die Gesetze und Vorschriften entsprechend anzupassen, dann stehen wir auf verlorenem Posten. Wir sind noch viel zu zögerlich. Wenn wir unseren Kindern eine ordentliche Welt hinterlassen wollen, müssen wir jetzt richtig ran. „Business as usual“ ist vorbei.

Sie erwähnten die wirtschaftlichen ­Zwänge. Inwiefern stehen diese Ihren ­Zielen entgegen?

Es ist ganz wichtig, das Wirtschaftliche mit im Auge zu haben. Aber gute Planung ist nicht teurer, sondern gute Planung ist notwendig, um gute Ergebnisse zu erzielen. Zum Beispiel Material einzusparen und den Footprint gering zu halten. Oder gescheite Grünflächenkonzepte zu haben. Manchmal kostet es natürlich auch mehr, zum Beispiel für eine Dachbegrünung. Dafür bekomme ich dann aber eine Retentionsfläche, die Wasser aufnimmt. Das macht Planen aus: Strategie und Vorausschau.

Wird diese vorausschauende Arbeit genug honoriert?

Schön wäre es. Momentan ist da eine Abwärtsspirale zu spüren. Selbst öffentliche Auftraggeber erwarten erhebliche „Abschläge“. Da kann man inhaltlich alles bestens darstellen, aber am Ende kommt das günstigste Angebot zum Zug. Dabei ist der Mindestsatz ja nicht aus der Luft gegriffen. Es wurde wissenschaftlich untersucht: Wenn man das bearbeitet, was in der HOAI vorgesehen ist, muss man diesen Preis verlangen. Oder man muss Teile weglassen. Zu erwarten, dass Büros alles machen und weniger verlangen – das ist sehr schwierig.

Wie gehen Sie als Büro damit um?

Wir wählen inzwischen genau aus, wo wir uns bewerben. Jemand hat einmal zu mir gesagt: „Seien Sie nicht so ehrlich, machen Sie einen niedrigen Preis und arbeiten Sie mit Nachträgen.“ Aber ich finde es einfach besser, ordentlich miteinander umzugehen und klar zu sagen: „So viel brauche ich, um dir das zu bauen, was du brauchst.“

Was heißt das für die Zukunft?

Dass ich dafür kämpfen werde, dass das aufhört! Wir müssen diese Abwärtsspirale stoppen. Sonst verdienen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Architekturbüro irgendwann weniger als jemand in einer Autowerkstatt. Die Leute haben eine gute und lange Ausbildung, sie müssen sich engagieren, ständig ihren Horizont erweitern. Für die meisten ist der Beruf ein inneres Anliegen, eine Lebensaufgabe. Diese Leute schlecht zu bezahlen, ist keine Alternative.

Wenn Sie sich die ideale Welt backen könnten ohne die Zwänge, über die wir gesprochen haben: Wie sähe diese für die Architekten, die Landschaftsarchitektinnen, die Innenarchitekten und die ­Stadtplanerinnen aus?

Sie hätten die Möglichkeit, ihre tollen, kreativen Ideen umzusetzen – für die und mit der Gesellschaft. Ich sage nicht, dass das heute nie funktioniert, es gibt ja viele schöne Projekte. Aber in meiner idealen Welt ist die Gesellschaft mit dem, was wir machen, intensiver verwoben. Da ist ein großer Nachhall in der Gesellschaft für unsere Ideen, und es herrscht eine Diskussionsoffenheit, nicht nur der Rotstift. Ich wünsche mir, dass das Gute und das Anspruchsvolle der Normalfall sind. Wir sind keine reinen Künstler, sondern wir machen Nutzbares. In meiner idealen Welt geht es darum, Dinge miteinander weiterzuentwickeln. Und in dieser Welt können Menschen überall ihre Heimat finden, ohne ihre Lebensgrundlagen zu zerstören, weil die natürliche mit der kulturellen Umwelt in Einklang ist.

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