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[ Architekten & Bauwirtschaft ]

„Partnerschaft auf Augenhöhe“

Zwischen Architekten und Bauindustrie gibt es oft Streit um Kompetenzen, Wertschöpfung, Verantwortung, Wettbewerbe, Honorare und Haftung. Für beide Seiten sprechen sich Barbara Ettinger-Brinckmann und Marcus Becker darüber offen aus.

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Barbara Ettinger-Brinckmann ist Präsidentin der Bundesarchitektenkammer.

Interview: Heiko Haberle, Roland Stimpel

Fangen wir mit Vorurteilen an. Eines aus Sicht der Bauindustrie könnte sein: „Architekten machen schöne Entwürfe aber erstens ist es ihnen egal, was es kostet und zweitens können sie es dann nicht umsetzen.“

Becker: Ich persönlich teile dieses schlimme Vorurteil nicht. Ich bin ein Verfechter partnerschaftlicher Zusammenarbeit auf Augenhöhe, bei der die Architekten ganz klar für die Planung zuständig sind. Das genannte Klischee kommt vielleicht daher, dass Architekten oft eine Zwitterrolle haben, wenn sie auch die Aufgaben der Projektsteuerung übernehmen.

Eine Befürchtung aus Architektensicht: „Die Bauindustrie sieht uns als ihre Dienstleister und will uns Kompetenzen wegnehmen.“

Ettinger-Brinckmann: Das wäre keine gute Perspektive – nicht für die Baukultur, nicht für die Bauherren und natürlich auch nicht für uns. Wer die Planung macht, sollte auch ihre Ausführung überwachen, damit die Qualitäten bis ins Detail umgesetzt werden. Es ist jedenfalls nicht gut, wenn der Ausführende sich selbst überwacht.

Becker: Es gibt zwar Firmen, die das machen, aber wer am Markt bestehen will, kann sich das nicht leisten. Mogeleien kommen ja doch raus – und dann kostet die Mängelbeseitigung das Zehnfache. An der Rolle des klassischen planenden Architekten der Leistungsphasen 1 bis 5 gibt es in der Bauindustrie auch keine Zweifel. Und wo es noch die klassische Einzelvergabe gibt, da sollte der Architekt auch die Bauleitung machen. Bei der von unserem Unternehmen bevorzugten Generalunternehmer-Vergabe müssen wir aber die Verantwortung für die Ausführungsplanung bekommen, um überhaupt einen Pauschalpreis anbieten zu können. Noch besser wäre es, wenn wir bereits bei der Genehmigungsplanung dabei wären, um etwa bei der Statik schon mitreden zu können oder wirtschaftliche Aspekte einzubringen. Der Architekt soll aber die Hoheit über die Funktionen des Gebäudes, die Anordnung der Räume und sein Aussehen behalten.

Das sehe ich anders. Der Architekt ist gegenüber dem Bauherrn für das Gesamtwerk verantwortlich. Diese Verpflichtung kann er nur erfüllen, wenn das Haus so gebaut wird, wie er es geplant hat. Wir halten dieses Konstrukt für qualitätssichernd. Das ist auch mit der oft beschworenen „Trennung von Planung und Ausführung“ gemeint, was leider missverständlich formuliert ist. Denn nicht auf Trennung von Entwurf und Ausführungsplanung oder -überwachung wird abgezielt, sondern auf eine Trennung zwischen dem einen, der plant und die Ausführung überwacht, und dem anderen, der ausführt. Wenn GU-Vergabe, dann sollte der planende Architekt die Ausführungsplanung des GU-Planers überprüfen und auch in der Bauüberwachung anteilig beteiligt werden.

Herr Becker, ab wann ziehen Sie Architekten hinzu?

Becker: Wenn wir als Projektentwickler tätig sind, binden wir Architekten ab Leistungsphase 1 ein. Wir lassen regelmäßig mehrere Studien erarbeiten und pflegen auf jeder Stufe intensiv die Rückkopplung mit den Architekten. Das geht dann in die intensive Detailarbeit nach der Entwurfsphase über.

Und wie kommen Sie zu Ihren Architekten?

Becker: Wir machen Angebotsverfahren mit drei oder vier uns bekannten Büros, die wir für die jeweilige Bauaufgabe geeignet finden. Für einen Standort am Potsdamer Platz würden wir andere Architekten ansprechen als für eine einfache Halle draußen im Gewerbegebiet.

Ettinger-Brinckmann: Gegen eine solche Klassifizierung würden sicher auch die genannten Architekten protestieren. Außerdem können Sie mit den sogenannten „einfachen“ Büros gar kein Geld sparen. Weil wir die HOAI mit ihren Mindestsätzen haben, kann jeder Bauherr ganz komfortabel den besten Architekten aussuchen, ohne mehr zu zahlen. Um diesen besten Architekten zu finden, wäre zumindest ein kleiner geregelter Architekten-Wettbewerb ratsam, der nicht viel kostet. Ich appelliere daher an Sie: Nutzen Sie dieses wunderbare Instrument! Architekten sind dazu bereit, für wenig Geld im Planungswettbewerb optimale Lösungen zu finden.

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Marcus Becker ist Vizepräsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie und Geschäftsführer der Kondor Wessels Bouw Berlin.

Machen Sie Wettbewerbe, Herr Becker?

Becker: Mein Unternehmen lobt solche Wettbewerbe nur aus, wenn es muss. Wenn wir nicht selbst die Jury sind oder zumindest einen Zugriff auf die Jury haben, fürchten wir einfach, von einer Überzahl uns unbekannter Vertreter verschiedener Institutionen und Behörden überstimmt zu werden und keinen Einfluss mehr auf unser Projekt zu haben.

Ettinger-Brinckmann: Weil wir diese Ängste kennen, hat die Bundesarchitektenkammer bei der Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW 2013) durch Stellschrauben dafür gesorgt, dass der Bauherr nicht fremdbestimmt wird und nicht etwas bauen muss, was er gar nicht will. Vor allem für den privaten Bauherrn gibt es mehr Einflussmöglichkeiten und vor allem immer einen Gewinner bei einem Wettbewerb. Und das ist der Bauherr!

Becker: Ich möchte betonen, dass das für mich keine Geldfrage ist. Architekten sollten für ihre Entwürfe dem Aufwand entsprechend bezahlt werden. Bei Wettbewerben sind aber die Kosten für Vorbereitung und Organisation sowie Juroren-Honorare die größten Kostenfaktoren. Gemessen daran sind die Bearbeitungshonorare für die Architekten meist nur Trostpflaster. Architektur halte ich auch generell nicht für eine Branche, in der gut bezahlt wird. Deshalb ist es für uns absolut verständlich, dass die Architekten an der HOAI festhalten. Wir erwarten aber auch Vertragstreue. Wer ein Honorar unterschreibt, sollte nicht hinterher vor Gericht gehen und mehr fordern, weil das Vereinbarte unter den Mindestsätzen liege. Diese soll er bekommen – aber auf der Basis einer ehrlichen Verhandlung, nicht hinterher per Klage.

Ettinger-Brinckmann: Es ist gut, dass wir Sie beim Thema HOAI an unserer Seite haben. Wir kämpfen ja gerade mit der Europäischen Kommission, die denkt, unsere HOAI verhindere, dass sich ausländische Architekten mit niedrigeren Preisen hier niederlassen. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade die HOAI macht Deutschland attraktiv, weil sie die Regeln für die Bezahlung transparent und zuverlässig macht.

Wie kooperiert man mit Bauherren, wenn diese während der Planungs- und Bauzeit mehrfach wechseln?

Ettinger-Brinckmann: Es gibt zwar häufig noch den klassischen privaten Bauherrn, aber selbst da dient das Haus heute meist zum Geldverdienen. Wir hatten in unserem Büro gerade ein Projekt, bei dem uns vier Auftraggeber jeweils mit Teams gegenüberstanden. Das waren der Erstinvestor, der Käufer, der Mieter und ein Generalunternehmer, der die Ausführungsplanung übernommen hatte. Wir haben es heute mit riesigen Komplexen von Akteuren zu tun, die das berühmte Dreieck aus Bauherrn, Planer und Ausführendem auflösen.

Ist der selbstnutzende Bauherr ein Auslaufmodell?

Becker: Hätten wir nur selbstnutzende Bauherren, würden wir höchstens noch die Hälfte bauen. Wo es anonyme oder viele Bauherren gibt, braucht es eine komplett andere Organisationsstruktur als das klassische Dreieck. Wenn wir zum Beispiel ein Haus mit hundert Eigentumswohnungen bauen, beschäftigen wir zwei Leute damit, von Anfang an nur die Sonderwünsche der Erwerber zu bearbeiten. Das könnte ein Architekturbüro kaum organisieren. Auch im Gewerbebau muss Rücksicht auf Einzelne genommen werden. Wenn McDonalds oder Coca-Cola einziehen wollen, haben die gewisse Vorstellungen. Da kann der Architekt gezeichnet haben, was er will – die Stützen kommen dann woanders hin, sonst wird nicht gemietet.

Damit wären wir bei der baubegleitenden Planung. Muss die wirklich sein?

Becker: Es gibt nicht den Plan, der einmal gezeichnet und dann nicht mehr verändert wird. Das wäre naiv zu glauben. Ich kenne kein einziges Projekt, das nicht einer Veränderung im Bauprozess unterliegt.

Ettinger-Brinckmann: Der Appetit kommt beim Essen. Das passiert auch schon bei einem Einfamilienhaus. Wenn man mit dem Bau angefangen hat, setzt man sich noch mal anders damit auseinander. Daher wird es immer revidierende Planungen geben. Doch die berühmte Phase null, die auch im Baukulturbericht der Bundesstiftung Baukultur angemahnt wird, aber überhaupt nichts Neues ist, ist und bleibt der Schlüssel zu einem erfolgreichen Projekt. Ich habe mein Berufsleben in einem Büro für Bedarfsplanung begonnen und dabei gelernt, dass hier die entscheidenden Einflussfaktoren auf die Kosten stecken. Man sollte genau herausfinden, was man braucht, und dann so umfassend wie möglich planen und so viel wie möglich ausschreiben, bevor man mit dem Bau beginnt. Aber auch baubegleitendes Planen verursacht nicht zwangsläufig Probleme, sofern es in die Abläufe richtig integriert ist. Man kann zum Beispiel die Fenster im Detail planen, wenn der Rohbau schon ausgeschrieben ist. Das eigentliche Problem sind Änderungen während der Bauphase, die immer wieder die Hauptursache für Debakel auf dem Bau sind.

Das hat dann der Bauherr zu verantworten?

Ettinger-Brinckmann: Meistens ja. Wir Architekten sind dann in der Pflicht, deutlich auf die Konsequenzen hinzuweisen: Kollisionen, Rück- und Umbau, Mehrkosten, Verzögerungen.

Eine weitere Unsitte sind die Nachträge. Auch dazu gibt es ein passendes Klischee, nämlich dass Ihre Branche mehr Geld durch ihre Anwälte als durch die Ingenieure verdiene.

Becker: Es wäre grauenvoll, wenn es so wäre. Mich persönlich ärgert sehr, dass unsere Branche einige Anwaltskanzleien sehr reich gemacht hat, anstatt die Mittel in die eigentlichen Projekte zu stecken. In der Vergangenheit sind leider viele Akteure in Positionskämpfe verfallen und haben sich mit Juristen bewaffnet. Das ist natürlich Gift für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Als Unternehmer habe ich seit dem Jahr 2000 keinen einzigen Gerichtsprozess geführt. Es geht also auch anders!

Ettinger-Brinckmann: Nachträge bereiten uns Architekten wirklich viele Probleme. Das liegt auch am Vergaberecht, das öffentliche Bauherren dazu zwingt, den wirtschaftlichsten Anbieter zu beauftragen, was in der Regel eben doch den billigsten bedeutet, denn ansonsten stehen die Rechnungshöfe vor der Tür. Wir Architekten haben auch zu wenig Einfluss auf die Auswahl der ausführenden Firmen. Oft wissen wir, dass man mit einer bestimmten Firma nicht gut zusammenarbeiten kann, müssen sie aber trotzdem beauftragen. Bei einigen Firmen gibt es sogar „Nachtragserfindungsabteilungen“. Da wird schon bei der Ausschreibung nach Lücken gesucht, dann günstig angeboten und über Nachträge das Geld wieder reingeholt.

Becker: Was Sie schildern, hat sicherlich keine Zukunft. Ich mache immer mehr die Erfahrung, dass Auftraggeber ein ehrliches Verhalten honorieren. Die Haltung der Beteiligten zählt: Wir brauchen eine offene und vertrauensvolle Partnerschaft und gerade in Konflikten eine konstruktive Haltung. Sie bringt das Projekt und damit alle Beteiligten viel besser weiter, als wenn man sich immer gleich auf Rechts- und Vertragspositionen zurückzieht.

Ettinger-Brinckmann: Das ist ja auch eine wichtige Erkenntnis der Reformkommission Großprojekte, in der Bauwirtschaft und Architekten vertreten waren. Die Kommission hat empfohlen, eine sorgfältige ­Vor­planung zu erstellen und sie in Machbarkeitsstudien zu überprüfen. Nicht im Kommissionsbericht steht, dass eine Machbarkeitsstudie erster Güte ein Wettbewerb ist, auf dessen Grundlage man die Kosten ermitteln kann. Offenheit und Kooperation statt Kontroverse sollten dann auch alle folgenden Phasen beherrschen. Dazu braucht es eine Projektcharta, die Strukturen der Zusammenarbeit und die Entscheidungsträger festlegt.

Becker: Wir brauchen in der Tat mehr partnerschaftliche Modelle. Und besonders wichtig für Projekte der öffentlichen Hand wäre, dass nicht nur nach dem Preis ausgewählt wird, sondern dass die Kompetenz der Bieter eine größere Rolle spielt.

Alle Partnerschaft hört aber bislang spätestens bei der Haftung auf.

Ettinger-Brinckmann: Die Bundesarchitektenkammer arbeitet intensiv daran, dass nicht mehr die gesamte Haftung auf den Schultern der Architekten lastet. Ein erster Reformschritt sieht vor, dass Unternehmen zuerst zu Nachbesserungen verpflichtet werden, bevor Schadensersatz verlangt werden kann.

Becker: Freiwilligkeit ist immer besser. In meinem Unternehmen habe ich noch nie einen Architekten in Haftung genommen. Das Wichtigste ist, mit dieser Unkultur des gegenseitigen Misstrauens aufzuhören.

Ettinger-Brinckmann: Das sollten nicht nur schöne Worte bleiben. Neben guten Absichten ist auch eine gerechte Verteilung von Lasten und Risiken notwendig. Unser Ziel ist eine Gesamtversicherung für alle Beteiligten am Bau, damit wir Architekten entlastet werden.

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