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Freiheit zur Selbsthilfe

Wann sind Architekten unabhängig? Ein Gesprächsabend in Berlin kam zu dem Ergebnis: Die Freiheit kommt aus der gemeinsamen Selbstverpflichtung

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Freie Rede: Martin Fröhlich, Barbara Ettinger-Brinckmann, Tillman Prinz, die Bundestagsabgeordnete Barbara Lanzinger und Ronald R. Wanderer.

Text: Roland Stimpel

Für Joachim Brenncke in Schwerin begann die berufliche Freiheit am 9. Mai 1990. An diesem Tag bescheinigte ihm die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik der DDR, dass er von nun an als „priv. Architekt gem. Zulassung Nr. 02-1-002-90“ tätig werden dürfe. Dass ausgerechnet Statistiker Berufszulassungen erteilten, hat seinen Grund wohl irgendwo in den Wirren der Wende. Brenncke jedenfalls hat den Zettel seitdem aufgehoben und jetzt vorgeführt – auf einer Veranstaltung der Bundesarchitektenkammer zum Thema „25 Jahre Freiheit und Architektur“ in Berlin mit Bundes- und Landespolitikern, Praktikern und Berufsvertretern.

Da bilanzierte Bundestags-Vizepräsident Johannes Singhammer den Aufbau Ost und lobte den Berufsstand: „Die Politik hat zwar etwas Steuergeld eingesetzt, aber die kreative Umsetzung haben Architekten entscheidend erbracht.“ Dafür verspricht Singhammer Unterstützung in aktuellen Freiheits-Gefechten: „Es gibt neue Angriffe aus Brüssel auf die freien Berufe. Aber wir stehen an Ihrer Seite. Der Bundestag hat am 2. Juli beschlossen, dass wir die Basis Ihrer Berufsausübung erhalten und positiv weiterentwickeln wollen.“

Architekten deklinierten auf der 25-Jahres-Veranstaltung verschiedene Ideen von Freiheit durch. Für den Leipziger Ronald R. Wanderer war zum Beispiel „das letzte Jahr der DDR das beste in meinem Leben. Da waren die alten Fesseln gesprengt“ – und die alten Widersacher in Behörden und Staatsfirmen stillgelegt: „Es gab niemanden auf der anderen Seite des Tisches. Das habe ich sehr genossen.“ Freiheit bedeutete für Wanderer nicht zuletzt das Verschwinden der allmächtigen Bauherren in Staat und Kombinaten.

Bauherren tauchten bald wieder auf – aber für Wanderer sind es

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Freiraum: Die gemeinsame Landesvertretung von Brandenburg und Meckenburg-Vorpommern (Architekten: gmp, Hamburg) bot den Rahmen.

allzu oft anonyme Institutionen oder im Projektverlauf wechselnde Investoren, mit denen man kein Projekt im freien Diskurs planen könne. Er verwies aber auch darauf, dass das Leiden am Bauherrn nicht ganz neu ist und zitierte aus dem Jahr 1904 ein Manifest des Bundes Deutscher Architekten gegen „rücksichtsloses Unternehmertum ohne Ideale“ und die „stumpfe Geistesarbeit des Baupfuschertums“.

Wanderers Kollege Martin Fröhlich leidet unter ganz anderen Unfreiheiten. „In Berlin gibt es heute 169 eingeführte technische Baubestimmungen. Da nimmt man für einen Entwurf zum ersten Mal den Stift in die Hand – und schon ist die Lust wieder weg.“ Für Fröhlich ist aus der freien Architektur „die Kunst geworden, Ingenieur-Installationen zu gestalten“. Freiheit bedeutet für ihn darum auch, „Verordnungen bis an ihre Grenzen zu interpretieren“.

Für BAK-Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann hat die Freiheit eine ganz andere Dimension. Sie sei einerseits nicht zwingend, um gute Architektur zu schaffen: „Die gab es auch in der DDR und einst im Absolutismus. In der Demokratie sind die Bedingungen dafür zwar viel offener – aber sie sind auch viel komplexer und damit schwieriger.“ Wenn aber Architekten frei im Interesse von Baukultur und Bauherren agieren sollten, bedürfe das einer klaren Voraussetzung: „Planung und Ausführung müssen getrennt sein; wir brauchen die Unabhängigkeit von Bauausführenden und Zulieferern. Das ist eine zentrale Voraussetzung für die Freiheit von Architekten.“

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Freibrief: Bevor es Kammern gab, bescheinigte die Statistik-Behörde der DDR die Zulassung von „priv. Architekten“.

Zum freien Beruf gehört für Ettinger-Brinckmann die Selbstverwaltung in Kammern anstelle der Gängelung durch Behörden. Da sieht die Präsidentin Freiheit als Verpflichtung: „Wir bewahren die Selbstorganisation nur, wenn die Gesellschaft das Vertrauen hat, dass wir das letztlich für das Gemeinwohl tun. Einen freien Beruf zu haben, bedeutet also gerade nicht, dass wir das machen können, was nur wir selbst wollen. Damit hätten wir ganz rasch das Vertrauen verspielt.“

Das sah der Schweriner Joachim Brenncke von Anfang an so, als ihm die DDR-Statistiker die freie Berufsausübung gestatteten. Zehn Monate später erhielt er seine wahre Eintrittskarte in die berufliche Freiheit: die Mitgliedsurkunde von Mecklenburg-Vorpommerns soeben gegründeter Architektenkammer. Da wurde er gleich Präsident und ist es bis heute geblieben. Für ihn sind das bald 25 Jahre Bindung, um die kostbare Freiheit zu pflegen.

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