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[ Schwerpunkt: Politik ]

Gemeinwohl statt Gemeinheit

Lobbys gelten oft als böse und geheim. Die der Architekten arbeitet offen und sachorientiert – und gewinnt damit bei Politik und Behörden

Text: Roland Stimpel

Es schien ein Widerspruch in sich zu sein, was die „Berliner Zeitung“ vor vier Jahren formulierte: Sie bezeichnete die Bundesarchitektenkammer (BAK) zu deren 40. Geburtstag als „gern gesehene Lobby“. Aber wer sieht schon Lobbys gern? Bürger und Steuerzahler mögen sie nicht, wenn sie ihr politisches Süppchen zulasten des Gemeinwohls kochen. Politiker hassen sie, wenn sie von ihnen mit Meinungs- und Geldmacht unter Druck gesetzt werden. Und Beamte finden sie lästig, wenn eine Lobby die eigene, neutrale Expertenarbeit durch eine andere, sehr unneutrale manipulieren will. Und „gern gesehen“ werden, wie das die Berliner Zeitung formuliert, wollen auch viele Lobbys selbst nicht – weil sie ihrem Handwerk lieber im Verborgenen nachgehen.

Aber es gibt kritische Beobachter – zum Beispiel die Organisation „Lobbycontrol“, die sich der Enttarnung und Kontrolle von Interessenvertretern und diskreten Mächten im politischen Berlin verschrieben hat. Auf unsere Anfrage, wie man dort die Bundesarchitektenkammer sehe, kam die Antwort: „Leider muss ich Ihnen für Ihre Anfrage absagen. Wir haben derzeit nicht die Kapazitäten, um uns ausreichend mit dem Verband zu beschäftigen.“ Sorgen machen den Kontrolleuren andere; die Architektenlobby darf man aus dieser Sicht vernachlässigen.

Foto: Franz Mozer
Klarheit erwünscht: Sören Bartol, SPD, wirft kritische Blicke auf getarnte Lobbyisten – schätzt aber Verbände, die offen für Themen wie die Baukultur streiten. Foto: Franz Mozer

„Im guten Gespräch bleiben“

Aber wie sieht das ein gegenüber Lobbys durchaus kritischer Abgeordneter, der viel mit Architektenthemen zu tun hat? Sören Bartol ist Sprecher der SPD-Fraktion für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und seufzt zunächst: „Dieser Politikbereich ist von vielen Lobbygruppen geprägt.“ Und: „Lobbyismus ist in Ordnung, wenn er transparent ist.“ Es gebe es aber „Lobbyisten, von denen man nicht einmal genau weiß, für wen sie eigentlich arbeiten. Da ist unklar, wer mit welchen Karten spielt.“

Besondere Bedenken hat Bartol gegen eine recht junge Spielart des Lobbyismus: „Es darf nicht sein, dass eine Regierung Entwürfe für Gesetze und Verordnungen einbringt, die nicht in den Ministerien, sondern von Interessenvertretern geschrieben wurden.“ Das tun sie manchmal von draußen. Es gab aber auch Fälle, wo sie der Regierung quasi Mitarbeiter ausliehen – zum Beispiel Banker, die dann in komplizierten Finanzmarkt-Fragen kaum umhinkonnten, in bundesamtliche Papiere Regelungen im Interesse ihrer Arbeitgeber zu schreiben. „Da muss man schon ziemlich aufpassen. So etwas gefährdet die Transparenz und mindert für die Vertreter anderer Interessen die Chance, sich einzubringen.“

Zu Architekten gibt Bartol hier Entwarnung: „Da kenne ich nur Initiativen auf direktem Weg und keine Versuche, irgend etwas von hinten unterzuschieben.“ Solche Arbeit findet Bartol „in der parlamentarischen Demokratie wichtig und völlig legitim“. Für den Baupolitiker Bartol könnte die organisierte Architektenschaft ruhig noch stärker sein, denn er vertritt in vielen Fachfragen ähnliche Standpunkte wie sie. So bedauert er wie sie die Streichungen bei der Städtebau-Förderung – „der größte Fehler, der im Baubereich in den letzten Jahren gemacht worden ist“. Er will bei der energetischen Sanierung „baukulturelle Themen stärker einbringen und stärker den Quartiersansatz verfolgen, statt nur einzelne Gebäude zu betrachten“. Bei so viel Einigkeit mit Positionen der Bundesarchitektenkammer wünscht sich Bartol, dass er mit dieser Lobby „im guten Gespräch bleibt und sie weiter ihren Fachverstand für übergeordnete Interessen einsetzt“. Er sieht bei ihr eher Beratung und Befruchtung als Druck.

Foto: bitblues webagentur GbR
Einsatz gefordert: Sebastian Körber, FDP, wünscht sich als Abgeordneter und Architekt mehr politisches Engagement von entwerfenden Kollegen. Foto: bitblues webagentur GbR

„Fachlich kompetente Stimme“

Von der Opposition zur Regierungsmehrheit – zum FDP-Abgeordneten und baupolitischen Sprecher Sebastian Körber. Auch er mag penetrante Lobbys nicht: „Es gibt Verbände, die mir immer das Gleiche erzählen wollen. Denen gebe ich gar keinen Termin mehr.“ Aber sein Urteil über die Architektenlobby ist noch freundlicher als das Bartols. Kein Wunder – Körber hat ein ganz persönliches Interesse an guter Berufspolitik: Er war in den letzten vier Jahren der einzige aktive Inhaber eines Architekturbüros im Bundestag. Neben dem Mandat bleiben ihm allerdings nur fünf Stunden pro Woche für die Bamberger „denkmalneu planfabrik“, die er gemeinsam mit zwei Partnern betreibt. „Ich sitze häufig spätabends in meinem Berliner Abgeordnetenbüro und zeichne etwas“, sagt er.

Nun ist Körber kaum nach Berlin gegangen, um das Wohl dieses Büros zu fördern – das könnte er mit voller Präsenz daheim in Bamberg viel besser. Aber Architekten-Anliegen treiben ihn naturgemäß um. Er setzte sich für die Novelle der HOAI ein, obwohl sie von den Ländern im Bundesrat beschlossen wurde und kein direktes Thema für den Bundestag darstellt. Dennoch habe er da „viele Gespräche“ geführt – ob mit dem Wirtschaftsministerium, das die Novelle betreute, oder mit Länder-Vertretern, die ihr am Ende zustimmen sollten. Bei KfW-Förderprogrammen brachte er seine liberale Grundauffassung mit den Anliegen kreativer Architekten überein: „Man muss auf diese Anreize setzen statt auf staatlichen Zwang.“ Als solchen sieht er die ständigen Verschärfungen der EnEV. Im April schaffte es Körber, deren abschließende Beratung im Bauausschuss des Bundestags bis auf Weiteres auszusetzen.

Bei so viel Übereinstimmung mit Anliegen der Bundesarchitektenkammer stellt sich Körber die Lobbyismus-Frage hier gar nicht mehr: Wie kann er von einem Verband beeinflusst oder unter Druck gesetzt werden, dessen Standpunkte mit seinen so sehr übereinstimmen? An Berufsstand und Berufskollegen hat er nur einen Wunsch: „Wir sollten uns als Architekten viel mehr politisch einbringen und einmischen.“ Quasi mit einer Fach-Fraktion im Deutschen Bundestag? „Nein, sondern vor Ort, wo wir leben und arbeiten. Mit gemeinsamen Positionen zur Stadtentwicklung und zur Verkehrsplanung, mit Äußerungen in Lokalblättern – und immer als fachlich kompetente Stimme.“ Nicht nur in Berlin – überall solle es Lobbys für den Berufsstand und seine inhaltlichen Anliegen geben.

Foto: Mathias Schindler; BMVBS
Kontakte? Gern! Hans-Joachim Otto, parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, erzählt gern von seinen Kontakten zur Architekten-Lobby. Foto: Mathias Schindler; BMVBS

„Selbstbewusste Interessenvertreter“

Keine Einwände bei zwei Abgeordneten – aber wie sieht es in den Ministerien aus? Fangen wir mit dem für Wirtschaft an, wo Sebastian Körbers Parteifreund Hans-Joachim ­Otto parlamentarischer Staatssekretär ist. Als solcher muss er grundsätzlich darauf achten, nicht allzu Lobby-nah zu wirken. Doch gerade die Nähe zu Architekten betont er: „In dieser Legislaturperiode gab es einen intensiven Austausch zwischen unserem Ministerium und den Architekten, insbesondere der Bundesarchitektenkammer.“ Otto denkt da vor allem an die „nun erfolgreich umgesetzte Novellierung der HOAI“. Da habe das Engagement des Berufsstands zu einem „Interessenausgleich zwischen Planern und Bauherren“ geführt, zu „einer transparenten Preisstruktur und zeitgemäßen Leistungsbildern“.

Otto mag diese Lobby: „Nicht nur in diesem Prozess habe ich die Architekten und insbesondere die Bundesarchitektenkammer als selbstbewusste, aber sachorientierte und konstruktive Vertreter ihrer berufsständischen Interessen erlebt.“ Zudem hätten sie „zugleich auch immer ihre Verantwortung für die Baukultur und die Gestaltung der Gesellschaft im Blick“. Und während für Politiker sonst Lobby-Kontakte oft als anrüchig gelten, erzählt der Staatssekretär gern von seinem Austausch mit dem Berufsstand: „In diesem Jahr habe ich viele Architekten und auch mehrfach den Präsidenten der Bundesarchitektenkammer getroffen.“ Ebenso über Leistungen für Architekten spricht er gern – von unterstützten Messeauftritten bis zum Zuschuss für die Länderdatenbank des Architekturexportwerks NAX.

Foto: Mathias Schindler; BMVBS
Beratung? Bitte! Günther Hoffmann, Abteilungsleiter im Bauministerium, bezieht Architektenvertreter bei Themen wie HOAI und Wettbewerbsordnung frühzeitig ein. Foto: Mathias Schindler; BMVBS

„Neues Verfahren probiert“

Die Behörde mit den meisten Architekten-Themen ist naturgemäß das Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, und dort speziell die Abteilung Bauwesen. Hält sich deren Leiter Günther Hoffmann gerade deshalb die Architektenlobby eher vom Leib? Im Gegenteil: Er bindet sie besonders stark ein. Mit ihr hat er sogar ein, wie er stolz berichtet, „neues Verfahren in der Verordnungsgebung probiert“. Es ging auch hier um die HOAI, für die das Bauministerium zeitgemäße Leistungsbilder formulieren sollte.

Der herkömmliche Weg im politischen Berlin ist der, dass zuerst das Ministerium einen Entwurf erarbeitet und dann die Verbände, die er betrifft, auf einer Anhörung etwas sagen dürfen. Dieser Weg macht nicht immer Freude: 2008 war ein Entwurf für die HOAI aus dem Wirtschaftsministerium so schlecht gewesen, dass die Anhörung mit einem großen Krach endete. Das wollte Günther Hoffmann diesmal vermeiden und lud die Architekten früher ein: „Wir haben den Beteiligten keinen fertigen Text vorgesetzt, sondern gemeinsam mit ihnen einen Entwurf erarbeitet.“ So viel Gewicht für einen Interessenverband – verliehen von einem Beamten, der doch für Ausgleich und Neutralität sorgen soll? Letztere sieht Hoffmann allerdings gegeben: „Es saßen ja auch Vertreter der Auftraggeber am Tisch. Sie und die Auftragnehmer von Planungsleistungen mussten ihre Differenzen diskutieren. Und beide Seiten wussten, dass sie nur mit einer konstruktiven und auch kompromissbereiten Haltung Einfluss auf den Gang der Dinge nehmen konnten.“

Hoffmann zeigt hier gleich dreifach, wie Politik und Ministerien mit Lobbys so arbeiten können, dass am Ende alle etwas davon haben: Erstens drängte er die Beteiligten dazu, vor den gemeinsamen Beratungen ihre Standpunkte erst mal intern zu klären – augenzwinkernd spricht er von einer „erzieherischen Aufgabe“. Zweitens nutzte er den geballten Sachverstand, den bei einem so komplexen und praxisnahen Thema wie den HOAI-Leistungsbildern ein Ministerium nur durch Praxiskontakte gewinnen könne. Und drittens erzielte er mit ihnen ein Ergebnis, dem hinterher alle zustimmen konnten. „Dann war der Konsens da, den Politik, so oft es geht, erreichen will.“ Und es sei keineswegs Klientelpolitik zugunsten der Architektenlobby gewesen: „Es gibt keine pauschale Honorarerhöhung ohne Gegenleistung, sondern aktualisierte Leistungsbilder und dazu angemessen aktualisierte Honorare.“

Foto: BAK
Lobbyismus? Kommt drauf an. Tillman Prinz, Geschäftsführer der Bundesarchitektenkammer, unterscheidet zwischen Einzelinteressen und Belangen der ganzen Gesellschaft. Foto: BAK

„Nicht das eigene Wohl maximieren“

Am Ende zur Planer-Lobby selbst, zu Tillman Prinz, Geschäftsführer der Bundesarchitektenkammer. Er gesteht frank und frei: „In der Arbeit für diesen Berufsstand fühle ich mich alsLobbyist sehr wohl.“ Das liege am Inhalt und Ziel der Arbeit: „Es kann bei uns nie darum gehen, plump für eine Interessengruppe das meiste herauszuholen. Damit würden wir uns rasch unglaubwürdig machen. Dagegen sind wir stark, wenn wir glaubhaft zeigen können, dass nur mit einem funktionierenden Berufsstand eine hohe Planungs- und Baukultur erreichbar ist. Ihretwegen treten wir für auskömmliche Honorare oder ein funktionierendes Wettbewerbswesen ein, nicht zur Maximierung des eigenen Wohls.“ Prinz sieht einerseits die Lobbys mit breitem Mitglieder-Spektrum, die die Belange und die Kompetenz einer ganzen Branche oder eines Berufs einbringen. Auf der anderen Seite sieht er die Interessenvertretungen einzelner oder weniger Großfirmen, denen es nur um ihre privaten Belange gehe. „Wenn nur wenige vertreten werden, aber das mit viel Geld und großer Macht, dann könnte Lobbyismus wirklich gefährlich werden.“

Die Architektenlobby könne das schon deshalb nicht, weil Kammern keine freiwilligen Verbände, sondern durch Ländergesetze geschaffene Körperschaften sind. „Da achten die Aufsichtsbehörden schon sehr genau darauf, dass es uns um gute Arbeitsbedingungen geht, die letztlich Bauherren und Gesellschaft zugutekommen, und dass wir nicht gruppen-egoistische Einzelinteressen vertreten. Wir sehen unsere Aufgabe in der Beratung und nicht im Ausüben von Druck.“

Zu sorgsamer, abgewogener Lobbyarbeit zwinge zudem die Pflichtmitgliedschaft von Berufsangehörigen in der Kammer. „Sie stärkt unsere Basis, aber sie bringt auch ein sehr breites Spektrum an Interessen. Wir können nicht jedes immer voll berücksichtigen, aber wir müssen darauf achten, dass wir möglichst viel davon politisch vertreten. Ansonsten wäre unsere Legitimation unterhöhlt.“ Wenn in Einzelfällen Mitgliederinteressen zu stark voneinander abweichen, bleibt Kammern nur eines: Sie müssen schweigen oder eine weiche, allgemeine Position vertreten. „Wir führen dann kein scharfes Schwert. Das ist einerseits unsere Schwäche, aber andererseits macht es uns auch stark. Denn wenn wir uns in anderen Fällen einig sind und uns dann mit einer klaren Position äußern, wissen alle: Da steht jetzt wirklich die Architektenschaft dahinter.“

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