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[ Präsentationstechniken ]

Bühne für Baumeister

Ein Theaterregisseur lehrt Architekten wirkungsvolleres Präsentieren.

Text: Ralf Kalscheur

Als Schauspieler und Theaterregisseur hat Peter Lüder im Laufe seines über 20-jährigen Berufslebens etliche misslungene Inszenierungen erlebt. Doch diese erwischten ihn kalt: Seine Baugenossenschaft hatte einige Architekten eingeladen, in siebenminütigen Kurzvorträgen für ihre Ideen zu werben. „Keiner hat unter 15 Minuten geredet“, erinnert sich Lüder. Was den Theatermann aber richtig quälte, war die Eintönigkeit der Vorstellungen. Eine dröge PowerPoint-Präsentation folgte der nächsten. Hauptdarsteller in Serie: der Beamer, von dessen grellem Licht sich die Referenten bereitwillig ins Halbdunkel drängen ließen, um daraus schattenhaft ein Bild nach dem anderen zu kommentieren.

Foto: Heike Steinweg
Überzeugend: Als Theaterregisseur kennt Peter Lüder die Tricks einer erfolgreichen Selbstinszenierung vor Publikum. Er gibt sie jetzt auch an Architekten weiter. Foto: Heike Steinweg

„Die Veranstaltung war mein Aha-Erlebnis“, sagt Peter Lüder, der erkannte: Bühnengesetze gelten auch für Architekten. Lüder hat bei Peter Zadek am Berliner Ensemble assistiert und danach über 40 Inszenierungen an verschiedenen deutschen Bühnen verantwortet. Doch Beruf und Broterwerb sind in diesem Metier mitunter schwer in Einklang zu bringen. Seine Auftragslage war zuletzt schwankend, aber dann kam Land in Sicht: Der Regisseur bildete sich zum Kommunikationstrainer fort und verknüpfte die Lehren der Rhetorik mit seinem Wissen um die Bühnenwirksamkeit.

Vorstellungsrunde und Horrorvorstellung

Wir sitzen in einem Seminarraum der Architektenkammer Berlin, auf dem Programm steht: „Mehr Persönlichkeit, weniger PowerPoint – erfolgreich präsentieren“. Theatermann Lüder bittet zur Vorstellungsrunde der 13 Teilnehmer: Sabrina ist eine selbstständige Architektin aus Mitteldeutschland. „Ich habe große Probleme bei der Akquise und bekomme einfach nicht die Aufträge, die ich haben will“, klagt sie. „Ich habe mich gefragt, ob das vielleicht an meinem Auftreten liegt.“ Jens ist an der Reihe, er ist aus Hamburg angereist. „Ich will lernen, souveräner zu wirken, weil ich in meinem Aufgabenbereich auch präsentieren muss. Aber ich bin kein Redner und werde nie einer sein“, sagt er. Das Seminar, das freie Sprechen vor Menschen sei für ihn der reine Horror.

Im zweiten Akt bringt Peter Lüder eine Kamera in Position. Wir haben zwei Minuten Zeit, um uns, nun vor Gruppe und Aufnahmegerät stehend, noch einmal vorzustellen und persönliche Erwartungen an das Seminar zu formulieren. Bühne frei für Erik, Chef eines nicht ganz kleinenArchitekturbüros in Hamburg. „Ich habe noch nie einen Rhetorik-Kurs besucht und wollte mal wissen, wie das so ist“, erzählt er, eine Hand gelassen in die Hosentasche steckend. Routine und eine in sich ruhende Ausstrahlung verraten den Präsentations-Profi. Das mit der Hand in der Hosentasche ist übrigens nicht verboten – wenn es zum Auftreten passt, merkt der Trainer an. Er ist kein Freund der ganzheitlichen Körpersprache nach der Lehre Samy Molchos. „Gesten haben keine Bedeutung, sie haben aber sehr wohl Wirkung“, sagt Lüder. ­Abgang, Applaus für Erik. Fast die Hälfte der Seminar-Teilnehmer steht bei ihm in Lohn und Brot. Auch Jens.

Reden kann man lernen

Die Kamera und 13 Augenpaare, darunter die seines Chefs, beobachten nun seinen Vortrag: Jens, seiner Angst-Situation ausgeliefert. In der Gruppe wird gleich hinterher die Filmaufnahme von Jens’ Auftritt zusammen mit ihm besprochen. Er steht etwas unruhig, verlagert zu oft das Gewicht vom einen auf das andere Bein. „Rennen Sie vor einer Präsentation einmal den Flur runter“, rät Peter Lüder. „Das baut Spannung ab.“ Doch abgesehen vom unsicher wirkenden Wippen ist dem Mann das hohe Lampenfieber, entgegen seiner Befürchtung, kaum anzumerken. Diese Diskrepanz zwischen Selbst- und Außenwahrnehmung ist ein Phänomen, das die meisten Teilnehmer eint. Carola, Architektin aus Berlin, spricht ihre Nervosität in ihrem Vortrag direkt an. Innerlich, so verrät sie später, verlor sie sogar kurz den Faden, weil sie so aufgeregt war. Nach außen wirkte sie wie die Ruhe selbst.

Die permanente Selbstbeobachtung ist eine Falle für den Redner. „Man muss weg von dem Gedanken ‚Die Leute wollen mich bewerten‘ und hin zu der pragmatischen Einstellung gelangen: ‚Die wollen etwas von mir erfahren‘“, erklärt Peter Lüder. Das erfordere viel Übung, denn: „Es gibt keine geborenen Redner. Das ist harte Arbeit. Aber jeder kann lernen, die Rolle des Redners zu spielen, ohne darüber nachzudenken.“

Sabrina, die Schwierigkeiten mit der Akquise hat, ist dran. Lampenfieber ist nicht das Kernproblem der erfahrenen Architektin. Ihr Auftritt indes offenbart Schwächen in Körpersprache und nonverbaler Kommunikation. Ihr fehlt die Bühnenpräsenz. Die Mimik vermittelt keine Überzeugung, die Gestik wirkt schüchtern, der Körperhaltung fehlt die Spannung. Die Folge: Sabrinas Kompetenz-Botschaft geht unter, weil sie nicht gewinnend vorgetragen wird. „Man muss dem Zuhörer emotionales, bildhaftes Futter geben, damit er ihre Gedanken zu seinen machen kann“, sagt Peter Lüder. „Machen Sie zwischen Kernsätzen kurze Pausen, das stellt die Bedeutung des Gesagten heraus. Und senken Sie zum Ende jedes Satzes die Stimme.“ Eine monotone Stimmlage wirkt ungemein ermüdend.

Entspannung und Intuition

Wir stehen im Kreis und schütteln unsere Arme, schütteln unsere Beine. Wir beugen uns tief nach unten, ganz tief, und berühren unsere Füße. Locker werden. Ruhig atmen. Vor der Körpermitte, etwa in Bauchhöhe, legen wir nun unsere Fingerspitzen gegeneinander und bilden dabei eine Raute. Angela Merkel hat eine ähnliche Geste weithin bekannt gemacht. Fingerspitzen ein paar Sekunden zusammenpressen, dann wieder den Druck lösen. Die Übung soll die Atmung regulieren und helfen, innere Anspannung abzuleiten, lehrt Lüder.

Der Kreis öffnet sich. Nacheinander soll jetzt jeder Teilnehmer außen um den Halbkreis herumgehen, um dann auf der imaginären Bühne vor versammelter Mannschaft eine spontane Ansprache zu halten. „Wirkung ist nichts Absolutes, sondern sehr subjektiv“, hat der Trainer uns mit auf den Weg gegeben. „Sie können und müssen nicht allen Leuten gefallen.“ Stattdessen komme es beim freien Reden darauf an, eine eigene Haltung zu entwickeln, intuitiv zu handeln und nicht blind den Rhetorik-Regeln zu folgen. „Wer etwa stur den Blickkontakt sucht, weil die Regel das verlangt, der starrt nur noch“, sagt Peter Lüder.

Ich sage: „Guten Tag, ich habe den langen Weg einmal rund um den Kreis gemacht, nur um mich bei Ihnen und Herrn Lüder zu bedanken. Dafür, dass ich als teilnehmender Beobachter hier mitmachen und ein bisschen spionieren darf.“ Na ja. Das Publikum hat mich immerhin nicht mit Tomaten beworfen. Kritik vom Trainer: Ich suche zu wenig den Blickkontakt und rede zu leise. Er schickt mich erneut zum Gang um den Kreis. Beim zweiten Versuch konzentriere ich mich darauf, einige Zuhörer direkt anzusprechen und ihnen dabei in die Augen zu schauen. Leider vergesse ich darüber, lauter zu sprechen. Innerlich formuliere ich recht laut ein Wort mit S. Der Kreislauf des Übens sieht für mich noch viele Runden vor.

Zum Glück bin ich in dieser überschaubaren Runde nicht nervös, zumindest nicht sehr. Denn trotz Merkel-Geste und Rennen auf dem Flur – gegen starkes Lampenfieber ist wenig auszurichten. Auch Peter Lüder hat da nur schwachen Trost, wenn er von Schauspielern berichtet, die vor einem Auftritt den ganzen Tag in der Kneipe flippern müssen, um es zu bekämpfen. Er selbst war immer sehr nervös, sobald sich der Vorhang hob, sagt er. Man kann wohl nur mit dem Lampenfieber umgehen lernen, irgendwie.

PowerPoint nur in der Nebenrolle

In der letzten Übung des Tages möchte Peter Lüder, dass wir mit sechs Drudeln – das sind erklärungsbedürftige Kritzeleien – eine Erfolgsgeschichte erzählen. Man steht also neben dem Tafelschreibblock, kritzelt, vom Publikum halb abgewandt, Comicbilder, sagt etwas dazu und kritzelt wieder. Da macht nicht mehr jeder Teilnehmer mit, der Tag war lang. Das Übungsziel ist zwar nachvollziehbar: Es geht um das lebendige Einbeziehen von Bildern in den freien Vortrag. Berufsnäher wäre es jedoch gewesen, dies mit PowerPoint-Folien zu trainieren. Aber die Seminarteilnehmer haben schon bei der nächsten Präsentation im Job die Gelegenheit, den Beamer mal ein Stück aus dem Rampenlicht zu rücken. Und sich selbst hinein. Wie man nach und nach in die Rolle des Redners wachsen kann, wissen wir ja jetzt. n

Die Vornamen der Architekten sind geändert.

Ralf Kalscheur ist freier Journalist in Berlin.

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