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[ Jachtausbau ]

Tatort Schiff

Die Projekte eines Innenarchitekten müssen nicht immer die Bodenhaftung behalten. Es kann durchaus auch mal hoch in die Lüfte oder weit hinaus aufs offene Meer gehen, wie die Arbeit des Münchner Büros „Egg and Dart“ zeigt.

Flybridge: Verschiedene Braun- und Beigetöne prägen das Design auch im Außenbereich dieses Schiffes.

Von Simone Hübener

Sommer, Sonne, Urlaub, Meer – wer schweift beim Anblick einer großen, edlen Jacht nicht in diese Gedankenwelten ab? Für Mareid Moosbrugger und Georg Decker von „Egg and Dart“ steht eine Jacht hingegen für einen weiteren Auftrag und für neue Ideen. Die beiden Innenarchitekten entwerfen seit mehreren Jahren das Interieur privater Jachten und sind auf diesem Gebiet mittlerweile auch international tätig.

Begonnen hat alles mit einem anderen ­Verkehrsmittel – dem Flugzeug. Nach einem ersten Auftrag für Diehl Aircabin aus Laupheim folgten Projekte für EADS in Hamburg, für Airbus in Toulouse und schließlich einer der größten Aufträge der Luftfahrtgeschichte im ­Zusammenhang mit dem A380, den das Büro aufgrund einer erfolgreichen Wettbewerbsteilnahme erhalten hatte. Dank Mund-zu-Mund-Propaganda drehte sich das Rad weiter, bis es am 11. September 2001 fast vollständig zum Stillstand kam. Dem Büro konnte das nichts anhaben, denn als zweites Standbein hatte man sich die klassische Innenarchitektur immer erhalten. Wie es der Zufall dann wollte, tat sich in einer luxuriösen Nische eine neue Tür auf.

Salon mit Essbereich: Das „Dining-Rondell“ kann durch eine Schiebetür vom Salon abgetrennt werden.

Es gibt nichts, was es nicht gibt

„Da wir uns im Bereich des Innenausbaus von Flugzeugen einen Namen gemacht hatten, kam ein Werftbesitzer auf uns zu und fragte uns, ob wir denn nicht auch eine neue Inneneinrichtung für eine 32-Meter-Jacht entwerfen könnten. So hat alles begonnen“, resümiert Georg Decker den Einstieg ins Jachtdesign. Und bei genauerem Hinsehen wurde klar, dass es zwischen beiden viele Ähnlichkeiten gibt – und einen Unterschied: Der Spaßfaktor beim Entwerfen eines Schiffsinterieurs ist größer als bei Flugzeugen. Denn bei diesen ist der Platz sehr begrenzt, die Sicherheit spielt eine wichtige Rolle. Bei einer Jacht dagegen ist vieles freier, die Wünsche der Kunden kennen keine Grenzen. Discos, Panik­räume für den Fall eines Piratenangriffs, Wasserfälle, Hubschrauberlandeplattformen, Friseursalons, Operationssäle oder Kinos hat das Team von Egg and Dart bereits geplant.

Neben all diesen Besonderheiten müssen auf einer Jacht, die mal wie eine herkömmliche Wohnung, mal wie ein Hotel funktioniert, auch die ganz alltäglichen Räume wie Wohnzimmer und Küche untergebracht werden. Von „alltäglich“ im Hinblick auf die Ausstattung kann dagegen keine Rede sein. Extravagante Entwürfe werden mit edlen Materialien kombiniert, mit viel Liebe zum Detail wird auch die kleinste Nische zum Stauraum umfunktioniert. Da stört es überhaupt nicht, dass so simple Dinge wie Gipskarton- oder MDF-Platten ungeeignet sind. Sie sind viel zu schwer und vertragen die ständige Feuchtigkeit auf hoher See einfach nicht. Wo an Land V2A-Stahl genügt, muss für Jachten der resistentere V4A-Stahl verwendet werden. Die Möbel werden aus Leichtbau- oder Walzplatten gearbeitet und dann mit den gewünschten Oberflächen versehen. Bei Stein sind das beispielsweise extrem dünne Schichten, denn Naturstein wiegt zu viel. Die Holzpalette beschränkt sich für den Außenbereich im Wesentlichen leider auf Tropenhölzer wie Teak und Mahagoni, für den Innenausbau ist dagegen fast alles erlaubt. Dort versucht Egg and Dart dann auch, seine Kunden auf den ökologisch richtigen Pfad zu lenken. Außerdem hat das Büro im Laufe der Zeit festgestellt, dass es vielen Eignern einer Jacht in erster Linie darum geht, mit dem Schiff eine Geschichte zu erzählen. Dieses Ziel lässt sich bei einem cleveren Design auch (fast) ohne ökologisch und ethisch fragwürdige Komponenten erreichen.

Lower Deck

Dazu bedarf es eines interdisziplinär besetzten Teams, das Moosbrugger und Decker besonders wichtig ist. Denn, so Moosbrugger: „Jeder ist in seinem Themengebiet auch etwas eingefahren. Dadurch, dass wir die verschiedenen Bereiche miteinander kombinieren, können wir aus jedem Bereich das Optimum herausziehen und kommen so zu perfekten Lösungen.“ Mit von der Partie ist bei einem Schiff immer auch ein Navalarchitekt, dem die Aufgabe des Statikers bei Bauwerken zukommt.

Main Deck

Die anderen Gewerke kennt man teilweise aus dem Hochbau, wie Sanitär, Elek­tro, Heizung und Klima, manchen begegnet man nur bei maritimen Verkehrsmitteln, wie der Großtechnik für Maschinen und Generatoren oder schwerer Mechanik wie dem Anker. Das Ergebnis hängt aber natürlich auch ganz wesentlich von den Handwerkern ab, die die Inneneinrichtung realisieren. „In Deutschland gibt es – im Hinblick auf die Qualität – die weltweit besten Innenausbauer“, ist sich Decker sicher. Und nicht zuletzt muss jeder Arbeitsschritt kontrolliert werden, was bei Kunden und Werften, die über die ganze Welt verstreut sind, manchmal eine logistische Herausforderung ist. „Mithilfe der neuen Medien lässt sich vieles von München aus bewerkstelligen. Nichtsdestotrotz muss man immer wieder vor Ort sein oder bei größeren Projekten einen Mitarbeiter dort positionieren“, gibt Moosbrugger zu bedenken. Egg and Dart übernehmen bei ihren Projekten meist die künstlerische Oberleitung, ein Mitarbeiter der Werft die Projektleitung. Dadurch bleibt Moosbrugger und Decker genügend Zeit für all die anderen Projekte, die sich nach wie vor um Flugzeuge und klassische Innenarchitektur drehen und die alle voneinander profitieren. So kam vor Kurzem ein Kunde, der von den Schiffsinterieurs begeistert war und sich daraufhin von Egg and Dart den Innenraum seines Hauses gestalten ließ. Mit Bullaugen an Land wollte er aber glücklicherweise ebenso wenig zu tun haben wie Moosbrugger und Decker selbst.

Simone Hübener ist Fachjournalistin für Architektur und Bauen in Stuttgart.

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