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[ Bauen mit Membranen ]

„Besonders filigrane Konstruktionen“

Andreas Kaufmann, Geschäftsführer der Fraunhofer-Allianz Bau, über Membran-Kissenkonstruktionen

Interview: Marion Goldmann

Mehr als 350 pneumatisch gestützte Dachkissen regulieren das ­Gebäudeklima des Einkaufszentrums Dolce Vita in Lissabon. Mit einer überspannten Fläche von 42 000 Quadrameter ist es die derzeit zweitgrößte ­Konstruktion dieser Art weltweit.

 

Welche Einsatzbereiche von Membran-Kissen ­favorisieren Sie?

Zunächst alle Arten von Freizeitanlagen, die im Inneren ein Freiluftgefühl vermitteln sollen. Ebenso gut sind sie als äußere Hülle zweischaliger Fassaden geeignet, nicht nur beim Neubau. Vor allem bei Sanierungen könnten sie als transparente, hinterlüftete Vorsatzschale fungieren, wenn die Fassade vor Witterung geschützt und klimatisch optimiert werden soll. Membrane bieten hier eine einfache und kostengünstige Lösung. Dabei haben die Kissen-Konstruktionen das stärkste Wachstumspotenzial. Die Bauweise ermöglicht besonders filigrane freitragende und gleichzeitig transparente Konstruktionen, die zudem kostengünstiger sind als herkömmliche Konstruktionen aus Glas.

Wie schätzen Sie die Lebensdauer ein?

Vorausgesetzt, die Konstruktion wurde fehlerfrei geplant und ausgeführt, halten die Membranen Jahrzehnte. Wir haben uns viele Objekte angesehen. Darunter viele über 20 Jahre alte Konstruktionen, die alle tadellos in Ordnung, optisch einwandfrei und sauber waren. Denn auf der glatten und selbstreinigenden Folienoberfläche setzt sich kaum Schmutz an, oder er wird vom Regen einfach abgewaschen.

Wie steht es um den Wärmeschutz?

Man kann zwar den sommerlichen und winterlichen Wärmeschutz durch zusätzliche Maßnahmen etwas verbessern, aber es ist und bleibt ein leichtes System. Vor allem sind jedoch die verfügbaren Normen zur Ermittlung der thermischen Eigenschaften wie g-Wert und U-Wert nicht ohne Weiteres anwendbar. Trotzdem werden sie aber verwendet, da es keine Alternative gibt, und das kann dazu führen, dass die Anlagentechnik falsch dimensioniert wird. Wir haben hier aus bauphysikalischer Sicht neue Erkenntnisse gewinnen können, wo wir auch beratend unterstützen können.

Sind auf ETFE-Folien auch Low-E-Beschichtungen möglich?

Das war bisher ein Problem, denn die glatte und dehnbare Oberfläche ist schwer zu beschichten. Doch wir haben auf die Frage der Haftung ­eine praxistaugliche Antwort gefunden und ein Verfahren entwickelt, wie man langzeitstabile Low-E-Schichten aufbringt. Bisher ließen sich ­Beschichtungen immer wieder abrubbeln oder haben sich selbstständig abgelöst.

Die Kissen benötigen eine permanente Luftzufuhr, damit sich der Innendruck dem Außendruck anpassen kann. Ist das energetisch vertretbar?

Ja, denn die Kosten dafür sind gering. Beispiel ist unser 1 000 Quadratmeter großes Versuchsdach, das als Hülle über dem neuen Fluglabor auf unserem Freilandversuchsgelände in Holzkirchen errichtet wurde. Hier sind vier Lüfter mit einer Anschlussleistung von je 1 500 Watt installiert. Die Laufleistung liegt bei etwa 700 Watt. Es läuft immer nur ein Lüfter, was eine durchschnittliche Leistung von etwa 200 Watt ergibt. Die Betriebsenergie dafür ist also sehr niedrig.

Weshalb haben Sie nun Membran-Kissenkonstruktionen für die Forschung ausgewählt?

Es sind weltweit in den letzten Jahren immer mehr Bauwerke entstanden, deren Fassaden und Dächer aus Hightechmembranen bestehen. Durch Projekte wie die Münchener Allianz-Arena ist diese Bauform auch ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Mittlerweile werden nun aber auch immer mehr kleinere Objekte realisiert.

Ein Schwerpunkt Ihrer Forschung war die Entwicklung neuer Verbindungstechniken. Was haben Sie hier erreicht?

Wir haben ein Laserschweißverfahren und ein Klebeverfahren entwickelt. Mit dem Laser lassen sich nicht nur beliebige Geometrien schweißen, sondern diese können auch sehr fein ausgebildet werden. Man kann damit beispielsweise bionische Formen schweißen – wie etwa Adern, die sich mit allen möglichen Materialien wie Gel, Wasser oder Gasen befüllen lassen und die dann thermisch genutzt werden können. Gleichzeitig wird der Energieeintrag ins Gebäude verringert. Auch ist der Druck in bionischen Formen so steuerbar, dass dadurch der Trommeleffekt bei Starkregen verringert werden kann. Außerdem sind die Schweißnähte nur noch zwei bis drei Millimeter dick. Da ein Laserschweißgerät ­vergleichsweise klein und leicht ist, können damit auch Reparaturen an eingebauten Kissen erfolgen. Bisher werden die ETFE-Folien mit einem thermischen Verfahren geschweißt, wobei die Membranen miteinander verschmolzen werden. Dazu sind große Anlagen erforderlich, sodass nur große Radien geschweißt werden können. Herkömmliche Verfahren ermöglichen im Grunde nur das Schweißen gerader Linien. Wir haben auch einen transparenten und UV-stabilen Klebstoff entwickelt. Zwar ist die Klebenaht noch etwas breiter als die Schweißnaht, aber auch hier sind beliebige Geometrien und damit unterschiedlichste ­Kissenformen möglich.

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