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[ Kampf der Stile ]

Größenwahn im Büro Hadid

Zaha Hadids Partner Patrik Schumacher strebt nach gestalterischer Weltherrschaft: Der Baustil des Büros soll überall den Ton angeben. Schumachers neues Buch schwankt zwischen Genie und Größenwahn

Nach Schumachers Willen weltweit stilbildend: Phaeno in Wolfsburg

Von Holger Rescher

Er ist einer der mächtigsten Architekten der Welt – Patrik Schumacher. „Patrik wer?“ werden sich viele fragen. Schumacher arbeitet seit den Gründungstagen für das Architekturbüro von Zaha Hadid und leitet es gemeinsam mit ihr. Er ist das „Gehirn“ des Büros. Alle theoretischen Schriften stammen von ihm. Er ist federführend bei den Projekten. Sie ist das „Gesicht“ des Büros, die Pritzker-Preisträgerin, die Künstlerin.

Nach wie vor reißt sich die ganze Welt um ihre Entwürfe, von London bis Abu Dhabi, von Rom bis China. Überall holen sich Unternehmen, Städte und Staaten ein Stück „Avantgarde“ nach Hause. Und sie haben recht. Die Bauten des Büros Zaha Hadid sind etwas fürs Auge. Sie machen Wüsten zu zentralen Orten, sie verwandeln Brachen in kleine Attraktionen, ihre Einzelbauten überstrahlen die Masse.

Der Traum vom neuen Internationalen Stil

Nun geht Patrik Schumacher aber zu weit. Vor der renommierten Londoner „School of Architecture“ stellte er sein Buch “Die Autopoiesis der Architektur” vor.

Autopoiesis ist ein Begriff aus der Systemtheorie und bedeutet so viel wie „Selbsterschaffung“. Das Buch ist sein „Opus Magnum“, wie er selbst sagt. Er versteht es als Manifest, das den Bauten des Büros Zaha Hadid den theoretischen Unterbau gibt. Er analysiert darin auch die Entwicklung und Bedeutung von Baustilen seit der Antike und legt fest, welche Baustile wichtig oder unwichtig sind, welche Nebenstile sind, welche nur Moden. Und sehr schnell spricht er unverhohlen aus, was ihn eigentlich antreibt. Sein Ziel ist die Führerschaft, die Einführung des von ihm erfundenen „Parametrismus“ als globaler neuer Stil. Patrik Schuhmacher benützt in seinem Vortrag nur ein deutsches Wort, mit dem er die beabsichtigte Wirkung der Arbeit des Büros und seiner Theorien umschreibt: Urknall.

Kampf der Stile

Was ist aber Parametrismus? Dies sei, so Schumacher, der neue globale Stil, der auf die Moderne folge. Er soll im „Krieg der Stile“ alle anderen Stilrichtungen besiegen. Hauptfeind ist der Minimalismus. Grundlage des Stils ist die konsequente Verwendung digitaler Entwurfstechniken. Sie lassen am Rechner alle denkbaren Formen entstehen, die teilweise der Natur entlehnt sind. Hierdurch entsteht eine Freiform-Architektur, die zu weich fließenden Formen führen kann. Jede Veränderung des parametrischen Modells führt zu Veränderungen an anderen Stellen des Entwurfs. Alles hängt von allem ab. Durch die Arbeit in einer ausschließlich digitalen Welt können Architekten, Planer und Ingenieure gleichzeitig und weltweit an den Entwürfen arbeiten. Der neue Stil beansprucht Anwendbarkeit auf allen Entwurfsebenen, von der Innenarchitektur bis hin zur groß angelegten Stadtplanung.

Es steht außer Frage, dass Zaha Hadids Büro faszinierende Bauten realisieren kann. Sogar ein Platz in der Architekturgeschichte scheint gewiss. Für den Bereich „avantgardistische Freiform-Architektur“ sind die Bauten ohne Beispiel. Die Skisprungschanze in Bergisel hat eine Dynamik, die ihresgleichen sucht. Das Phaeno-Center in Wolfsburg gleicht einem Raumschiff, das gleich wieder abhebt.  Die Haltestelle in Innsbruck ist ein elektrisierend raumgreifender Entwurf. Auch die Brücke in Zaragoza und das Museum in Rom sind wegweisende Meilensteine. Und wenn wahr wird, was in den nächsten Jahren geplant ist, darf man noch einige Male ins Staunen geraten.

Verfälschte Architekturgeschichte

Doch entsteht hier aus dem Nichts ein neuer Baustil? Nein. Patrik Schumacher berauscht sich an sich selbst und blendet dabei Generationen von Architekten aus. Das Wort „organische Architektur“ findet bei ihm nicht statt. Von Alvar Aalto, Gaudi, Eero Saarinen und Santiago Calatrava ist nicht die Rede. Keine Erwähnung findet der Begründer der organischen Architektur, Louis Sullivan. Der Slogan „form follows function“ stammt von ihm. Und gerade in Deutschland gibt es eine fast lückenlose Tradition organischer Architektur. Erich Mendelsohn hatte mit dem Einsteinturm nicht die technischen Möglichkeiten, aber denselben Willen. Und die Entwicklung eines neuen Stils auszurufen, ohne die Philharmonie in Berlin oder die Schule in Marl von Hans Scharoun zu erwähnen, ist weltfremd. Einzig Frei Otto, der Architekt des Olympiastadions in München, findet Gnade in der selbst gebastelten Welt von Patrik Schumacher.

Nicht als einiger ignoriert: Erich Mendelsohns Einsteinturm in Potsdam

Der grüne Megatrend wird ignoriert

Der eigentliche weltweite Megatrend der Architektur findet ebenfalls keine Beachtung: Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, ökologisches Bauen. Dies sind die Themen, für die neue Lösungen gefunden und neue Technologien erprobt werden. Und dies hat erst einmal nichts mit der Form zu tun. Selbstverständlich kann sich hier heraus eine eigene Formensprache entwickeln. Im Moment ist das aber nicht abzusehen ist und wird wahrscheinlich auch nicht nötig werden. Der Zaha Hadidsche Parametrismus ist daher derzeit noch ein Gestaltungsphänomen ohne Begründung. Und es haben gerade einige deutsche Architekturbüros der nächsten Generation den Zusammenhang zwischen Form und Funktion schon besser verstanden. Grüne Architektur ist ihre Grundlage. Digitale Entwurfstechniken werden ganz selbstverständlich verwendet. In der Kombination können auch spektakuläre Freiformen entstehen und vielleicht sogar einmal ein neuer Stil.

Zwei Sätze aus einem Blog des britischen „Architects`Journal“ bringen das ganze Dilemma der Stararchitekten auf den Punkt. Hierin berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter von Zaha Hadid über seine Arbeit: „Da hatten wir also ein halbes Jahr darüber diskutiert, wie die Gebäudehülle aussehen soll. Was war das dann für ein demütigender Moment, als der leitende Architekt seine Hand hob und die Frage stellte, wie man eigentlich in das Gebäude hineinkommen sollte“.

Dr. Holger Rescher ist studierter Kunsthistoriker und Betriebswirt sowie Architekturkritiker.


(Patrik Schumacher, “The Autopoiesis of Architecture, Volume I: A new Framework for Architecture”, John Wiley & Sons, Dezember 2010)

3 Gedanken zu „Größenwahn im Büro Hadid

  1. Dem kann ich nur stark entgegnen.
    Patrik ist ein Denker, Philosoph und Visionär.
    Dieser Artikel spricht, unberechtigter Weise, von Machtideen.
    Ich kenne Patrik nur zu gut aus Diskussionen im interfamiliären Kreis und eines kann ich, dazu muss ich auch nicht die Fachkenntnis im Bereich der Architektur benötigen, sagen:
    Er ist, so wie ich ihn erlebe, ein Mensch der für seine Theorien lebt und sich, aus berechtigen Gründen, der Größe seiner Theorien bewusst ist. Wie kann eine Theorie bestehen, wenn der Begründer nicht voll hinter ihr steht ?
    Patrik ist auf jeden Fall eines nicht: Machthaberisch.

    Gruß,
    Julius Weishaupt.

    Antworten
  2. Hr.Schumacher hat ein tolles Werk geschaffen.
    Toll, das jemand sich die Zeit genommen hat ein Buch zu schreiben, das den skriptenden Architekten im Kontext der kreativen Skript-Kultur wie ein Standardwerk fungiert, eine Orientierung.
    Es gibt diese Interessen besonders bei jungen Architekten, aus mehreren rationalen Gründen. Um z.B. dem aktuellen Getriebe in CAD Planungsbüros wieder Herr zu werden, durch die Komplexität heutiger Gebäude nicht die Übersicht zu verlieren oder eben auch, um Zeit für den kreativen und irrationalen Prozess wieder zu gewinnen.
    Dr.Reschers Kritik an diesem Buch offenbart seine akademische Entfernung zur heutigen Planungsrealität.
    Dank historischen Theoretikern wie Dr.Rescher, die eine Sehnsucht nach alten Zeiten pflegen, hat sich die Überstundenmentalität und Wochenendarbeit zur Normalität in vielen Architekturbüros entwickelt und entgegen anderen kreativen Branchen zumindest in Deutschland zur bedenklich ausbreitenden Technikskepsis geführt. Bevor Architekten weitere Aufgabenfelder an nicht gestaltende Berufe aufgeben, sollten wir lieber offen sein für die Neuen Möglichkeiten, die uns die steigenden Rechenleistungen der PCs, die eleganten neuen Programmiersprachen oder künftige Herstellmethoden anbieten.

    Kristian Gerlich, Architekt

    Antworten

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