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[ Vitruv und Sanaa ]

Käsige Anmut

Von Vitruv zu den Weltstars vom Büro Sanaa und zurück

Von Roland Stimpel

Unser aller Urlehrer Vitruv ist nun 2 000 Jahre tot, und niemand liest ihn mehr. Er war ja auch ein ziemlicher Langweiler: ein gelernter Bauingenieur, der fürs römische Wassernetz pingelige Rohrnormen festlegte und dessen zehn Architekturbücher Wikipedia als sprachlich „umständlich und wenig flüssig“ bezeichnet.

Da wir in der Architektur sowieso nur nach vorn gucken und nicht zurück, sind Vitruvs  drei Grundeigenschaften eines guten Baus heute erst recht egal: Stabilität, Nützlichkeit und Anmut. Nehmen wir nur das  coolste, genialste, avantgardistischste Architekturbüro der vorigen und vorvorigen Saison: Sanaa aus Tokio. Dessen einziger deutscher Bau, der Essener Zollvereins-Würfel, ist in puncto Stabilität und Nützlichkeit so ausgereift, dass er ohne großen Umbau vier nachhaltige Jahre ausgekommen ist. Nun erst muss er für sechs Monate dichtgemacht werden, weil die Dachterrasse nicht begehbar ist, die Teppichböden und einige Platten darunter verschlissen sind und die Kloböden aus Beton Hygienemängel haben, weil die ambitionierte Grubenwasserheizung nicht recht läuft und weil vor dem Haus so banales Zeug fehlt wie Mülltonnenplätze, Parkplätze und Fußwege. Eine Design-Hochschule ging drinnen schon pleite (nicht des Baus wegen natürlich). Die nächste will einziehen – aber erst, wenn sie noch ein weiteres Haus bekommt, dessen Räume zum Lehren und Lernen taugen.

Aber hat der Bau nicht umso mehr von Vitruvs dritter Tugend, der Anmut? Da sind wir im Reich des Geschmacks, wobei sich im Kontext mit Sanaa der minimalistisch-löchrige Geschmack von Schweizer Käse anbietet. Den Essener Bau bezeichnete schon vor drei Jahren diese streng riechende Kolumne als „Prototyp des Emmentalers mit eckigen Löchern“. Was natürlich Quatsch wäre, hätte nicht später die in Käsefragen viel kompetentere Neue Zürcher Zeitung geschrieben, Sanaas neuer Hochschulbau in Lausanne gemahne „im Grundriss an eine Scheibe Emmentaler“ (diesmal sogar mit runden Löchern). Und der erfüllt allemal Vitruvs Forderungen: Er ist bei kurzer Lagerung sehr nützlich zum Essen, wird bei längerer recht stabil, und für Nase und Mund entfaltet er eine ganz eigene Anmut.

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