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[ Konservatives Hochhaus ]

Blick zurück nach vorn

Hochhäuser gelten oft als technisch fortschrittlich und stadträumlich schlecht. Der Frankfurter Opernturm versucht das Gegenteil: den Rückgriff auf traditionelle Werte bei Fassade und Platzbildung.

Klassisch: Fassade, Gebäudekopf mit der „Stadtloggia“ und die Empfangshalle mit der großen Glasfront, die den Blick auf andere Türme öffnet

Rosa Grewe

Frankfurt will mal besonders avantgardistisch, mal besonders traditionell sein. Der jetzt errichtete Opernturm von Christoph Mäckler versucht beides – den Rückgriff auf überkommene Bauformen und den Vorgriff auf zukunftsfähigeren Hochhausbau zugleich. Der fast fertiggestellte Komplex ersetzt eines der ersten Hochhäuser Frankfurts. Dieses gehörte der ­Zürich-Versicherung und löste mit seinem Bau 1960 den Strukturwandel im Frankfurter Westend aus. Mit 68 Metern Höhe – damals Frankfurter Rekord – und einer filigranen Stahlbeton-Glas-Konstruktion symbolisierte es wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt. Das Zürich-Haus, so der Name, besetzte zusammen mit einer Gebäudescheibe und einem niedrigen Sockelgebäude einen Teil des vormaligen Rothschildparks. Das Areal um die Gebäude ging fließend ohne baulichen Abschluss in den Freiraum des Opernplatzes über – eine bewusste Entscheidung, um die Oper baulich nicht zu bedrängen und luftige Übergänge zu schaffen, ganz nach dem Ideal der aufgelockerten Stadt. Doch 2002 ließ die Zürich-Versicherung es wegen baulicher Mängel abreißen.

Eigentümerin des Neubaus ist die New ­Yorker Immobilienfirma Tishman Speyer; die Schweizer Großbank UBS wird die Hälfte der 60 000 Quadratmeter Büroflächen nutzen. Hinzu kommen größere Anwaltskanzleien; zuletzt war der Opernturm zu drei Vierteln vermietet. Zur städtebaulichen Situation erklärt Christoph Mäckler: „Zwei Hauptaspekte sind gestalterisch entscheidend für die städtebauliche Einbindung: Die Ausbildung der Kante zum Opernplatz soll diesem wieder die Proportionen eines Platzes aus dem 19. Jahrhundert geben. Und die Fassade mit portugiesischem Kalksandstein orientiert sich an den Natursteinfassaden der Nachbarbauten, nicht zuletzt der Oper.“

Mäckler setzt auf die verdichtete Stadt, rückt die Baukante wieder an den Reuterweg und gibt dem Opernplatz einen klaren Abschluss. Einige Meter westlich des Platzes liegt an der Bockenheimer Landstraße ein kleiner Eingangsplatz zum Turm; daneben ist der Rothschildpark zur Straße geöffnet. „Mit einem ­Federstrich verzichtete der Bauherr auf rund 5 000 Quadratmeter mehr überbaubare Grundstücksfläche, indem er sich gegen einen wei­teren Baukörper und stattdessen für das freie Eingangsportal entschied“, sagt Christoph Mäckler. Der Park ist damit 5 000 Quadratmeter größer als zuvor und die Proportionen von Dichte und Freiraum sind verbessert.

Der Opernturm deutet nach außen vier Baukörper an, die durch vertikale Glasfugen verbunden sind. Doch drinnen erkennt man, dass es sich um einen einzigen Baukörper in Stahlbetonskelettbauweise handelt. Das Tragwerk leitet die Gebäudelast über einen inneren Kern und über Stützen in der Fassade ab. Ein Sockelgebäude, ebenfalls Teil des Gesamtbaukörpers, liegt dem Turm westlich entlang der Grundstückskante zu Füßen. Seine Höhe orientiert sich an der Nachbarbebauung. Dahinter bildet der Eingangsbereich des Turms in gleicher Höhe den Sockel des Hochhauses. Über einer strengen Lochfassade krönen zwei Loggien das Hochhaus nach Westen und Osten. Ihre schlank wirkenden Stützpfeiler geben der Fassade einen oberen Abschluss.

Die städtebauliche Einbindung findet breite Zustimmung. Anders Fassade und Proportion: Die Materialität der Kalksandsteinfassade ist manchem zu retrospektiv, andere bemängeln die Monumentalität des Bauwerks durch die im Mittelteil des Turms monotone Lochfassade und die gedrungene Proportion auf seiner breiten Seite, vom Opernplatz aus betrachtet. Christoph Mäckler hatte zunächst eine filigranere Ausgestaltung vorgesehen.

Eine Natursteinfassade wählte Mäckler aus energetischen und baukulturellen Gründen. Seine Position zu den Glasfassaden benachbarter Hochhäuser ist eindeutig: „Angesichts der Klimaentwicklungen haben reine Glasbauten keine Zukunft mehr.“ Der Glasanteil in der Fassade des Opernturms liegt nur bei 52 Prozent. Vor allem der passiven Kühlung der Büroräume kommt das zugute: Das Gebäude verbraucht 23 Prozent weniger Energie als nach der EnEv 2007 möglich und strebt ein amerikanisches LEED-Zertifikat in Gold an.

Stadtbaumeister: Christoph Mäckler sieht Hochhäuser nicht als Solitäre, sondern will mit ihnen Straßen- und Platzräume ausformen.

Schlitze öffnen per Hand

Seine Klimatechnik befindet sich nicht in der Fassade, sondern in abgehängten Hybridkühl- und Heizdecken. Temperiert werden die Räume durch Aktivierung der Deckenplatte und über ein Lüftungssystem, das die klimatisierte Zuluft an die Betondecke pustet. Das innova­tive Raum-Konditionierungssystem dient der Lüftung, Kühlung, Beton-Thermo-Aktivierung, Heizung und Raumakustik zugleich. Statt aufwendiger Fassadentechnik gibt es manuell steuerbare Öffnungsschlitze. Zwar spart das im Voraus Energie und erleichtert die Bedienbarkeit, verhindert aber Energiegewinne durch Sonneneinstrahlung. Doch wegen der ersparten Kühlung lohnt es sich unterm Strich, die Sonneneinstrahlung zu minimieren.

Außerdem begründet Mäckler die Natursteinfassade mit der Materialität des alten Frankfurt. Der gelbe Stein erinnert an die Kaiserzeit und knüpft an die benachbarten klassizistischen Natursteinfassaden an. Über Materialität und Formsprache möchte sich Mäckler den schnell wechselnden Trends entziehen: „Ein Gebäude sollte nicht modisch sein.“ Daher setzt er bei Material und Fassadendetails auf eine reduziert klassizistische Architektur, die die meisten Passanten und Investoren als schön, elegant und zeitlos empfinden dürften. Die Fassadenplatten des Sockelgebäudes strukturiert er detailliert mit länglichem Relief, betont Brüstung und Sturz. Doch kann Zeitlosigkeit überhaupt gelingen? Jedes Gebäude weckt Assoziationen und Emotionen an bestimmte Epochen. Auch der Opernturm ist ein Kind seiner Zeit.

Die Nutzung machts

Architekturdiskussionen drehen sich oft allzu sehr um die Fassade. Letztlich entscheiden aber die innere Qualität und die Nutzbarkeit des Gebäudes über dessen Lebensdauer – gerade beim aktuellen Frankfurter Büroleerstand. Flexible Nutzungen sowie Misch- und Umnutzungspotenziale, aber auch halböffentliche und öffentliche Flächen sichern den Wert der Immobilien.

Beim Opernturm hatte Mäckler anfangs auf der Westseite zum Park hin Wohnungen vorgesehen. Da gemischt genutzte Gebäude teurer und die Spitzenmieten für Wohnungen weit niedriger sind als für Büros, wurde das Mischkonzept auch hier nicht umgesetzt. Die Büro-Regelgeschosse lassen sich immerhin flexibel einteilen: Sie gliedern sich in vier Bereiche rund um den Kern und sind selbst stützenfrei. Vertikale Verknüpfungen und halböffentliche Flächen über mehrere Ebenen und Galerien findet man indes nicht, sie wären wohl auch kaum rentabel gewesen.

Ein buchstäbliches Highlight ist die Empfangshalle: Durch ein mächtiges Portal tritt der Besucher in eine 18 Meter hohe und 400 Quadratmeter große Eingangshalle mit Decken und Wänden aus Naturstein. Eine Lichtdecke erhöht den Raum optisch noch mehr.

Massenblätter von „Spiegel“ bis „Welt“ schwärmten vom Opernturm als „äußerst gelungen“, als „rücksichtsvollem Riesen“ mit „spektakulärem Design“. Heftige Schwärmerei ist aber genauso falsch wie ideologisch begründete Kritik. Der Opernturm ist städtebaulich gelungen, energetisch sparsam, in der Proportion ruhig, in Fassade und Material Geschmacksache und in der Nutzung leider einseitig. Man hätte sich mehr von Mäcklers ursprünglichem Entwurf mit flügeliger Leichtigkeit und Wohnnutzung gewünscht. Stattdessen hat Frankfurt nun das Unaufgeregte, „den alten Bekannten“, wie der „Spiegel“ resümierte. Und der ist ja selten spektakulär.

Rosa Grewe hat Architektur studiert und betreibt das Fachpressebüro quer-streifen in Darmstadt.

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