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[ Baukultur ]

Hohe Schule

Bibliotheks- und Lehrbauten mit hoher Gestaltqualität

Dr. Jürgen Tietz

Bildschirme mit Stadtblick

Hochschulbibliothek und Medienzentrum der HTWK Leipzig von Léon Wohlhage Wernik

Mit ihrer weiß schimmernden Fassade und den großen, bildschirmartigen Fenstern bildet die neue Bibliothek der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) schon von Weitem einen Blickfang im Leipziger Stadtbild – und markiert auf ihrem Eckgrundstück zugleich für die rund 6 000 Studierenden der Universität den Abschluss ihres Campus.

Aufgrund der städtischen Lage des Uni-Areals übernimmt der Bibliotheksneubau die Auf­gabe, zu den angrenzenden Wohnbauten entlang der Karl-Liebknecht-Straße zu vermitteln, die an dieser Stelle deutlich schmaler wird. Vermittlung ist auch zur Gustav-Freytag-Straße gefragt: Dort schließt neben der Bibliothek das neue Medienzentrum der Universität an einen Altbau an.

Fassadenformen (links): Die Fassaden sind rhythmisiert durch die Dehnungsfugen, die Fensteröffnungen mit dunklem Metall gerahmt. Es sind schwarze Löcher, die mal bündig, mal ­zurückgesetzt in die Fassade eingeschnitten sind und ihr Tiefe verleihen. Lesesaalfarben (rechts): Die großformatigen Fensteröffnungen wirken wie Bildschirme: Wechselseitig holen sie das Stadtpanorama in das Haus ­hinein und wirken zugleich in den Straßenraum hinaus. Fast ­alle Lesesäle sind doppel­geschossig ausgeführt.

Das Berliner Büro Léon Wohlhage Wernik nutzt die hervorgehobene Lage der beiden Neubauten, um die Straßenecke durch eine anspruchsvolle städtebauliche Figur aus miteinander verschränkten Kuben zu betonen. Das avancierte Spiel des Äußeren mit Kontrasten setzt sich in der Komposition des Bibliotheksbaukörpers fort: In der Grundform streng kubisch, kragt er an einer Seite weit aus.

So entsteht ein Vordach über der Eingangszone. Das Motiv des Auskragens nimmt das angrenzende Medienzentrum auf – und wendet sich damit der Bibliothek zu. So fügen sich die beiden Bausteine zu einer gebauten Plastik im Stadtraum, wie sie für die Arbeit von Léon Wohlhage Wernik so charakteristisch ist. Die räumliche Spannung der beiden Baukuben setzt sich im Inneren fort – vor allem bei der Bibliothek, die für rund 260 000 Medien ausgelegt ist.
Bunte Bibliothek

Deren drei dezentrale Leseräume wurden jeweils doppelgeschossig ausgeführt. Hier sind die Ebenen des Hauses zu einem Raumkontinuum mit grünem Teppichboden verwoben. Grün muss man freilich mögen, um sich in dem Haus wohlzufühlen, denn knallig grün sind auch Stufen und Brüstung des Treppenhauses ausgeführt. Jeder Lesesaal hat einen lasierenden Anstrich auf dem Beton erhalten – Goldgelb, Purpur und Blau.

Filigrane kinetische Metallplastiken von Rolf Lieberknecht unterstreichen den besonderen Charakter dieser Räume, die dank der großen Wandöffnungen auch von den Regalbereichen aus erlebbar sind. Und bei abendlicher Beleuchtung an den rund 180 Arbeitsplätzen strahlt der weiße Kubus farbig in den Leipziger Stadtraum aus. Möglich wird dies durch die großformatigen Fensteröffnungen, die wie Bildschirme wirken.

Bibliotheksentree: Hier herrscht ein Dreiklang aus Sichtbeton, quietschgrünem Kunststoffboden und sehr schönen Möbeln aus hellem Ahornholz samt Arbeitsplatte aus Corean, die im Büro von Léon Wohlhage Wernik entworfen wurden. Nicht im Bild: Vor einem großen Stadtfenster zur Karl-Liebknecht-Straße stehen farbige Sitzmöbel und lassen die Lesezone für Zeitungen und Zeitschriften wie eine Lounge wirken.

Die aufwendige räumliche Binnenstruktur, die die Bibliothek kennzeichnet, findet sich beim Medienzentrum nicht. Mit ihm ist vielmehr ein funktionaler Werkstattbau mit Druckmaschinen entstanden, der nach der anstehenden Sanierung von dem angrenzenden Altbau aus erschlossen wird. Und auch auf den grünen Boden der Bibliothek wurde hier zugunsten eines funktionalen Graus verzichtet. Farbe gibt es dennoch: im Treppenhaus (Orange) und vor allem im Vorführraum, wo die Architekten eine Komposition unterschiedlicher Rottöne verwirklicht haben.

Herzstück des Medienzentrums sind die neuen Studioräume für die eigene Radio- und Fernsehproduktion der Studierenden. Bis an den Rand mit Technik vollgestopft, schafft die Architektur dort in erster Linie den funktionellen Rahmen für die praxisorientierte Ausbildung der Studierenden.

 

 

Barock-Moderne

Die Evangelische Hochschule Ludwigsburg von Klumpp und Klumpp

Im schwäbischen Ludwigsburg ist der Barock allgegenwärtig – und mit dem Neubau für die Evangelische Hochschule von Julia und Hans Klumpp aus Aichtal ist er auch in der Moderne angekommen.

So stand für die Fassade ihres Neubaus der helle Sandstein der Ludwigsburger Barockhäuser Pate. Wie üblich bei ihren feinsinnigen Projekten ist es Klumpp und Klumpp auch in Ludwigsburg gelungen, die Vorgaben des Ortes mit den Anforderungen der Bauaufgabe zu einer subtilen Einheit zu verbinden. So präsentiert sich ihr 2008 fertiggestellter Bibliotheks-, Seminar- und Verwaltungsbau mit einer haptisch rauen Ziegeloberfläche samt breiten Fugen.

Kubisch: Mit seiner L-Form begrenzt der kubisch-klare Baukörper den Verlauf der Straße. Dazu erzeugen die schräg aus der Baumasse herausgeschnittenen Zonen für den Eingang und eine seitliche Terrasse vor der kleinen Cafeteria eine dezente Spannung. Für die Fassade stand der helle Sandstein der Ludwigsburger Barockhäuser Pate. Die Vorgaben des Ortes sind auf feinsinnige Weise mit den Anforderungen der Bauordnung zu einer subtilen Einheit verbunden.

Die Fluchttreppe als Zeichen

Mit dem Hochschulneubau ging die Sanierung des in Sichtweite liegenden Altbaus aus den 1970er-Jahren einher, die 2009 abgeschlossen wurde: ein polygonaler Betonbau mit aluminiumverkleideter Fassade. Die Errichtung eines notwendigen Fluchttreppenhauses haben die Architekten genutzt, um bereits im Straßenraum ein Zeichen zu setzen: Die Standard-Stahlkonstruktion der Treppe wurde mit Metallpaneelen verkleidet, die ein stammartiges Muster zeigen – eine Anspielung auf den Lebensbaum, der sich zur Bauzeit noch im Logo der Hochschule befand.

Das Muster setzt sich auf Teilen der alten Aluminiumpaneele der Fassade fort, um dann aus Kostengründen auszulaufen.

Im Inneren des Altbaus ist es den Architekten trotz des übersichtlichen Budgets von 2,8 Millionen Euro gelungen, die Qualitäten des vieleckigen Hauses zu nutzen. Dabei ist ein aufgeräumter Foyerbereich entstanden, der für größere Veranstaltungen wie Abschlussfeiern, aber auch für Gottesdienste genutzt wird. Um zusätzlichen Raum zu gewinnen, wurden die gläsernen Außenwände im Erdgeschoss weiter nach vorn gezogen.

Zwar zeigt der raue, in die Jahre gekommene Sichtbeton im Haus deutlich die Spuren seiner Nutzung, doch auch ohne seine wünschenswerte Aufarbeitung beweist das Erdgeschoss dank der Intervention von Klumpp und Klumpp Qualitäten: Durch die unterschiedlich großen, runden Deckenleuchten wird es trotz seiner vielen Ecken, Höhenversprünge und einer Galerie im ersten Obergeschoss zu einer Einheit zusammengebunden.

Treppenhaus: Auf den Spuren der Baugeschichte wandeln Klumpp und Klumpp auch mit dem Treppenhaus im Inneren der Hochschule. Dabei präsentiert es sich ganz zeitgemäß in rauem Sichtbeton mit waagerechter Brettschalung. Den Bezug zum Barock liefert die plastische Gestaltung der Treppenanlage mit ihrem Dualismus aus breitem Mittellauf und schmalen Seitenläufen – samt Podest auf halber Treppe. Da an die Stelle der erwarteten Rechtwinkligkeit bei der Treppe eine gewitzte trapezoide Grundform tritt, entsteht eine zusätzliche räumliche Spannung. Der Weg über die Treppe wird für Studierende und Professoren zum erlebbaren Auftritt. Er führt dem Licht in den oberen Geschossen entgegen, das durch die runden Oberlichter einfällt.

Zugleich eröffnen die runden Leuchten eine motivische Verbindung zum Neubau am anderen Ende der Straße. So entsteht über die räumliche Distanz hinweg eine Spange, die beide Bauten zusammenbindet und der Hochschule eine architektonische Visitenkarte verleiht. Mit ihrer Sanierung haben die Architekten eine bemerkenswerte Lösung verwirklicht: Denn einerseits wurde die Grundstruktur des Hauses erhalten, andererseits wurden Mängel wie das fehlende Fluchttreppenhaus ausgemerzt.

Und das geringe Budget hat dazu beigetragen, dass in den Vorlesungssälen die abgehängte Decke mit ihren kreisrunden Elementen im höchst hippen Siebzigerjahre-Konservendosenduktus erhalten blieb. Nur dem alten Farbkonzept wollte man nicht mehr folgen. Schließlich erschöpft sich die Faszination recht schnell, die von Schwarz, Olivgrün und Orange im Zusammenklang mit Kiefernholz bei der täglichen Begegnung ausgeht. An ihre Stelle ist eine zurückhaltende Farbauswahl getreten, die sich an der des Neubaus orientiert.

Kunstvoll: Der zentrale Raum im zweiten Obergeschoss des Altbaus, der früher der Bibliothek vorbehalten war, nimmt nach dem Umbau einen zusätzlichen Hörsaal auf. Die alten Regale an den Wänden wurden weiß gestrichen und wirken nun wie Raumobjekte samt zusätzlicher Sitzbank, während die runden Oberlichter den Hörsaal erneut formal mit dem Neubau verbinden. So gelingt ein kleines Kunststück: Die Hochschule gewinnt eine „corporate architecture“, und der Bestand aus den vielfach ungeliebten 1970er-Jahren wird im wahrsten Sinne vorbildlich erhalten und aufgefrischt. Im Zusammenklang mit dem Neubau entsteht so eine nachhaltige, weil aus dem Ort und seiner Geschichte heraus entwickelte Bildungsarchitektur.

 

 

 

 

Märchen und Rationalismus

Das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität Berlin von Max Dudler

Es sind mächtige Fußstapfen, die Jacob und Wilhelm Grimm für die deutsche Literatur und Sprache hinterlassen haben, mit ihrem „Deutschen Wörterbuch“ ebenso wie mit ihrer legendären Sammlung der „Kinder- und Hausmärchen“. Auf das epochale Werk der Brüder Grimm, die als Namenspatrone die neue Berliner Zentralbibliothek der Humboldt-Universität (HU) zieren, antwortet Max Dudlers Neubau mit steinerner Monumentalität.

Nach der weitaus kleineren Diözesanbibliothek in Münster, die problemlos in den Lesesaal des Grimm-Zentrums passen würde, hat sich der in Berlin lebende Schweizer erneut mit der anspruchsvollen Bauaufgabe Bibliothek auseinandergesetzt. Herausgekommen ist dabei ein typischer Dudler: eine rationalistisch strenge Architekturplastik.

Bereits die Lage des Neubaus, parallel zur Bahntrasse zwischen Bahnhof Friedrichstraße und Museumsinsel in Mitte, ist markant. Dank eines klugen Städtebaus gelingt es Dudler hier, dem Grundstück in der zweiten Reihe hinter der Friedrichstraße dennoch eine der Bauaufgabe angemessene, hervorgehobene Bedeutung zu verleihen.

Grimm’sche Terrassen: Die Terrassenlandschaft des Lesesaals ist das geistige und räumliche Herzstück der Bibliothek. Um sie herum sind die Regalbereiche angeordnet. In vier Stufen wächst diese Leselandschaft zu beiden Seiten empor, ein symmetrisches Duett der Terrassen. Welche Seite ist wohl Jacob und welche Wilhelm Grimm gewidmet? Mit jedem Stockwerk gewinnt der Raum an Weite, wird seine Wirkung eindrucksvoller. Insgesamt bieten die Grimm’schen Terrassen Raum für über 300 Arbeitsplätze. Derweil eröffnet das gläserne Dach über dem Lesesaal einen Blick in den Berliner Himmel und sorgt zugleich für eine lichte Arbeitsatmosphäre.

Durch leichte Vor- und Rücksprünge des Baukörpers gestaltet er den Übergang von der Berliner Traufhöhe zum Kopfbau des Grimm-Zentrums, der sich 40 Meter emporschwingt. Einen besonderen Gewinn bedeutet der lang gestreckte Platz, der zwischen Bibliothek und Bahntrasse entsteht. Er schafft nicht nur Raum, damit der Bau seine Wirkung entfalten kann, sondern auch eine Verbindung zur Geschwister-Scholl-Straße und künftig weiter bis zu den künftigen Museumshöfen der Staatlichen Museen.

Die Konzentration und Klarheit, die die Fassade der Bibliothek beherrscht, kennzeichnet auch ihren Innenraum. Bei der Freihandbibliothek hat man sich für eine Kombination aus zentralem Lesesaal und dezentralen Arbeitsplätzen entschieden. Sie bildet die beeindruckende Terrassenlandschaft des lang gestreckten Lesesaals, den auch das Titelblatt dieses Heftes zeigt. Dank seiner Wandverkleidung aus amerikanischem Kirschholz besitzt der Raum trotz seiner Größe eine ansprechende warme Wirkung. Durch die gläsernen Öffnungen im gleichmäßigen Wandraster bieten sich immer wieder Ausblicke auf die Bücherregale des Freihandbereichs, die diesen Lesenukleus umschließen. Und damit sich die Studierenden nicht in der Einsamkeit der konzentrierten Geistesarbeit verlieren, öffnen sich auch die ganz in Holz ausgeführten Einzelstudienkabinette mit einer bis zum Boden reichenden Glaswand zum großen Lesesaal.

Konzentration und Klarheit: Aufgrund des doppelgeschossig ausgeführten, hochrechteckigen Natursteinrasters zeigt der Baukörper des Grimm-Zentrums eine mächtige Monumentalität. Die Fassade aus wassergestrahltem, rauem Jurakalkstein ist durch den Wechsel der unterschiedlich schmalen Fensteröffnungen bestimmt, die tief eingeschnitten sind und dem Bau eine fast monolithische Wirkung verleihen. Hinter den breiteren ­Schlitzen von rund 60 Zentimetern befinden sich im Inneren des Hauses Leseplätze. Hinter den extrem schma­len schießschartenartigen Fugen verlaufen dagegen jeweils Gänge entlang der Bücherregale. So wird die innere Logik des Baus bereits außen ablesbar. Noch deutlicher wird dies vermutlich, wenn künftig bis tief in die Nacht hinein die Leseplätze illuminiert sein werden.

Eine intimere Variation des großen Lesesaals bietet der schöne, doppelgeschossige Sonderlesesaal. Und wer sich mit seinem Buch gleich am Regal niederlassen will, der findet entlang der Außenwand weitere Arbeitsplätze. Zwischen den schlanken Fenstern schimmern immer wieder die Stadt und die Bahntrasse hindurch. Zwar findet man in Dudlers klarem Grimm-Zentrum keine verborgenen zauber- oder märchenhaften Momente, wie sie Jacob und Wilhelm Grimm in ihren „Kinder- und Hausmärchen“ zusammengetragen haben. Gleichwohl ist sein Bibliotheksneubau bei aller Monumentalität ein stadtkompatibles Aushängeschild für die Humboldt-Universität.

Dr. Jürgen Tietz ist Kunsthistoriker und Journalist in Berlin.

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