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[ Kita Eimsbüttel ]

Weder Quietschbonbon noch Sichtbeton

Eine Hamburger Tagesstätte zeigt den dritten Weg zwischen vermeintlich kindgerechtem Kitsch und kargem Purismus.

Claas Gefroi

Eine Analyse zeitgenössischer Kindergarten- und Schularchitektur aus soziologischer und psychologischer Sicht wäre gewiss eine erhellende Lektüre. Warum nur sind viele Erziehungs- und Lernanstalten so schematisch und wenig kindgerecht? Der Verdacht liegt nahe, dass den Entwürfen oft stereotype Vorstellungen der kindlichen Psyche oder rigide pädagogische Vorstellungen zugrunde liegen. Und offenbar hat auch der verjährte Anspruch der Moderne, mit Architektur einen besseren Menschen zu schaffen, in der Bauaufgabe der Erziehungs- und Lernanstalten eine letzte Zuflucht gefunden.

Zumeist lassen sich die Bauwerke in zwei Kategorien einteilen: Entweder wird versucht, sich der rätselhaften Welt des Infantilen mit bonbonbunten Farben und einer überbordenden Formen- und Materialvielfalt zu nähern. Oder aber der Architekt verfällt ins andere Extrem und schafft eine minimalistische, karge Umgebung aus Sichtbeton; mehr Kloster als Kita. Doch unbefriedigende Neubauten entstehen auch, weil es den Bauherren an Geld, Interesse und Engagement fehlt. In den Verwaltungsapparaten der Schulbehörden und Kita-Träger kennt man zwar alle Vorschriften, aber kaum die konkreten Bedürfnisse vor Ort.

Doch es gibt erfreuliche Ausnahmen von der Regel: Bei der städtischen „Vereinigung Hamburger Kindertages­stätten“, dem größten Träger in Hamburg mit 173 Einrichtungen, stand ein Neubau für die Kita Kaifu im Stadtteil Eimsbüttel an. Diese benötigte ein neues Quartier, weil ihr jahrzehntealter Holzpavillon, schön gelegen im Grünzug des Kaiser-Friedrich-Ufers entlang dem Isebekkanal, marode war.

Die Kita wollte ihren Standort in der Grünanlage behalten, was rechtlich nicht unproblematisch war, weil dort nicht gebaut werden darf. Auch unter den Anwohnern war das Vorhaben umstritten, denn das dicht besiedelte gründerzeitliche Eimsbüttel besitzt, untypisch für das grüne Hamburg, kaum Park- und Freizeitflächen.

Puristisch dezent: Die Materialien, Farben und Formen sind reduziert.

Kita-Leiterin mit Architekturverstand

Nach langem Hin und Her fand man eine salomonische ­Lösung: Der Neubau bleibt im Park, rückt jedoch an eine wenig frequentierte Schmalseite und wird kompakt gestaltet. Das örtliche Architekturbüro Wacker Zeiger entwarf analog zur Form des Grünzugs einen lang gestreckten, schmalen Riegel mit zwei Etagen und 940 Quadratmeter Nutzfläche, der einen vierzig Meter breiten Streifen bis zur Uferkante freihält. Eine bizarre Sparvorschrift für Kita-Neubauten gab als Baustoff Holz vor – ein in diesem Umfeld etwas fremd wirkendes Material. Die Architekten leiteten daraus eine kostengünstige und schnell zu errich­tende Holzelementbauweise ab. Dass die tragenden Wände als Holztafelkonstruktion und die Decken als offenliegende Brettstapelkonstruktion ausgeführt sind, wirkt sich positiv auf Raumklima und Akustik aus. Außen sind die Wände mit Lamellen aus sibirischer Lärche verkleidet, die bereits eine schöne silbrige Farbe erhalten haben.

Eine klare lineare Struktur, ein Riegel: Man erwartet im Inneren die übliche Zweibundlösung mit an einen Mittelflur gereihten Räumen. Umso überraschter ist der Besucher nach dem Eintritt: keine Spur von Monotonie. Die inneren Längswände wurden entweder ganz weggelassen oder leicht aus der Flucht gerückt und in frei stehende Wand- oder Schrankelemente aufgelöst, abgeschlossen von Oberlichtern, die Licht in den Flur bringen.

Immer wieder neue Raumsituationen mit Aufweitungen und Verengungen, offenen und geschlossenen Bereichen schaffen Komplexität im Einfachen. Dennoch gibt es eine klare Raumaufteilung für die vielen Funktionen. Am Eingangsbereich liegen die Verwaltungsräume; rechts davon die Krippe mit zwei Gruppenräumen. Linker Hand die Küche, an die sich der Essraum für die Kinder und ein separater Pavillon anschließen, in dem die Schüler des gegenüber­liegenden Gymnasiums verpflegt werden. Diese Cafeteria bildet zur Kita einen Winkel, gliedert so den öffentlichen Raum und leitet zum Haupteingang. Im Obergeschoss sind Elementarbereich und Hort untergebracht. Dort gibt es ­eine üppige Ausstattung mit Räumen zum Basteln, Bewegen, Lesen, Computern, Malen.

Freundlich und licht: Das Haus gibt sich auf unprätentiöse Art kindgerecht.

Alle Räume wirken licht und groß, weil die Außen­wände bis zu den Seitenwänden bodentief verglast wurden; die Gruppenräume an den Gebäudeenden haben gar den Charakter von Schaufenstern. Doch die fehlenden Wandnischen und Brüstungen machen sich unangenehm bemerkbar, weil Stauräume und die für Kinder so wichtigen Rückzugsorte fehlen. Aber sonst sind alle Details wunderbar praktisch und auf die jungen Nutzer abgestimmt: Es gibt Verbindungsfenster auf Kinderaugenhöhe, Wasserspielbecken im Bad, praktische Fotoleuchtkästen, Magnet-Pinboards und Glasschaukästen. Alles ist so robust ausgeführt, dass es die alltäglichen Stürme ohne Blessuren übersteht.

Die Materialien, Farben und Formen sind reduziert: Holz für Decken und Einbaumöbel, rotes Linoleum auf dem Boden, weiße und rote Farbe an den Wänden. Das soll nicht dem Purismus frönen, sondern die Architektur auf den dezent ordnenden Hintergrund beschränken. Dass dies gelang, ist nicht allein den Architekten zuzuschreiben, sondern auch der Kita-Leiterin. Diese ist, ein Glücksfall für jeden Planer, eine Freundin zeitgenössischer Architektur und zugleich eine engagierte Vertreterin der Wünsche und Bedürfnisse ihrer kleinen Schützlinge. So konnte trotz eines äußerst geringen Etats von 900 000 Euro ein Bauwerk entstehen, das weder eine Designpreziose noch eine Erziehungsanstalt ist, sondern einfach ein zweckhaftes, durchdachtes Gebäude, in dem sich sowohl Kinder als auch Erzieher wohlfühlen.

Claas Gefroi ist Presse- und Öffentlichkeitsreferent der Architektenkammer Hamburg und freier Autor.

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