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[ Deutscher Architekturpreis ]

Poetischer Minimalismus

Mit einem von Reduktion und Schlichtheit geprägten Projekt gewann das Münchener Büro Fink+Jocher den Deutschen Architekturpreis 2007.

Außenansicht: Hinter der schlicht gehaltenen Fassade verbirgt sich viel privater Lebensraum

Cordula Rau
Deutschlands renommiertesten Architekturpreis erhält ein einfaches Studentenwohnheim in Garching bei München. Das ist ungewöhnlich: In den Vorjahren waren vor allem Gebäude prämiert worden, die den öffentlichen Raum prägen oder zumindest starker öffentlicher Wahrnehmung unterliegen. 2005 erhielt Zaha Hadids BMW-Zentralgebäude in Leipzig die Auszeichnung, 2003 das Bundeskanzleramt oder 1999 das Jüdische Museum in Berlin. Diesmal würdigen Auslober und Jury das Thema Wohnen, das fast 30 Jahre nicht im Fokus des Deutschen Architekturpreises gestanden hatte.

Die Jury prämierte die Garchinger Arbeit von Dietrich Fink und Thomas Jocher als wegweisende Lösung für studentisches Zusammenleben. Hinter der schlicht gehaltenen Fassade verbirgt sich ein ausgeklügeltes System unterschiedlicher öffentlicher und privater Lebensräume, das „den Bewohnern größtmögliche Freiheit der Nutzung einräumt“. Christoph Ingenhoven, der seit zehn Jahren den Vorsitz in der Jury innehat, wies auf Missverständnisse in der Architektur hin, nach denen „Schönheit in Zweckbauten nur mit Mitteln des Schmucks auszuführen wäre“. Er lobt den „poetischen Architektur-Minimalismus“, mit dessen Hilfe die Architekten ein Haus entworfen hätten, das nichts Überflüssiges enthalte, in dem nichts fehle, aber auch nichts weggelassen werden könne. Ingenhoven bezeichnet das Studentenwohnheim als ein kommunikatives und ökologisches Haus, das alt werden könne. In einer durchdachten Form der Auseinandersetzung und gleichzeitig nachlässigen Lösung komme der Bewohner zwangsläufig in Kontakt mit seinen Mitstudenten.

Spannung im Inneren: Die Jury würdigte das ausgeklügelte Raumsystem

Der Deutsche Architekturpreis wird seit 1971 alle zwei Jahre von E.ON Ruhrgas ausgelobt und steht unter der Schirmherrschaft der Bundesarchitektenkammer. Deren Präsident Arno Sighart Schmid sagte bei der Preisverleihung: „Architektur ist Kunst und Kultur, aber sie ist auch Ökologie“, und bezeichnete den Siegerentwurf als Musterbeispiel für integrative Lösungsansätze. Mit einem außergewöhnlichen Raumkonzept sei das Gebäude hervorragend in Baukunst und Baukultur und mit seinem Energiekonzept verantwortungsvoll im Umgang mit der Ökologie. „Architektur fordert zur strittigen Herausforderung heraus“, sagte Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee und bekräftigte die gesellschaftliche Relevanz: „Architektur steht in der Öffentlichkeit. Sie braucht aber noch mehr Öffentlichkeit. Und Architektur im Verborgenen bedarf eines solchen Architekturpreises, um ans Licht zu kommen.“

Das Büro Fink + Jocher und sein Garchinger Studentenwohnheim stehen mit dem ersten Preis jedenfalls im Licht. Das Heim besteht aus zwei Gebäuden und liegt in Fuß­wegentfernung zum Campus. Die einzelnen Wohn­einheiten werden durch außen entlangführende Gänge ­erschlossen und ermöglichen den Bewohnern die unkomplizierte Kontaktaufnahme. Einzel-, Zweier- und Viererwohnungen erlauben ein gemeinschaftliches oder individuelles Leben in unterschiedlichen Konstellationen. Das Projekt gibt eine der möglichen Antworten auf temporäres Wohnen im Wandel unserer Gesellschaft und Zeit.
Die Jury bescheinigte den Architekten, sie hätten ihre Aufgabe „lässig und locker, originell und doch höchst ­präzise“ gelöst und „durch strikte Reduktion der Mittel den Bewohnern größtmögliche Freiheit der Nutzung“ eingeräumt. Leitgedanke des Entwurfs sei „die Einsicht, dass die Zeit des Studiums nicht nur eine Zeit des Lernens, sondern auch eine entscheidende Phase der Erprobung von Lebensformen und der Entwicklung sozialer Kompetenzen ist“.

Grundrissvarianten: Gemeinschaftswohnungen wechseln ab mit Paarräumen und Einzelzimmern

Wie das gesamte Projekt sei auch das Energiekonzept „ebenso einfach wie wohldurchdacht“. Es folgt dem Prinzip der „thermischen Zwiebel“ und nutzt den Einsatz der Brennwerttechnik. Im Übrigen gefielen der Jury besonders die Brüstungen der Laubengänge, die aus einem Drahtnetz zur Berankung mit Weinlaub bestehen. Geplant ist, dass dieses „in wechselnder Dichte bis zum Dach weiterwächst, um schließlich das ganze Haus in ein grünes Kleid einzuhüllen“. Die Jury weiter: „Im periodisch wechselnden Farbspiel des Weinlaubs entfalten die nur auf den ersten Blick spröde erscheinenden Zwillingsbauten auf dem Campus in München eine Poesie der Jahreszeiten, die wiederum auch für klimatische Regulierung sorgen, da im Sommer die Blätter Sonnenschutz bieten und nach ihrem Abfallen im Herbst wärmende Einstrahlung erlauben.“

Dipl.-Ing. Cordula Rau ist Architektin und freie Journalistin in München.

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