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[ Bunker ]

Glück im Bunker

Wie aus innerstädtischen Betonfestungen des Zweiten Weltkriegs Wohnhäuser werden.

Kunstbunker: Ein Sammler und Beton-Connaisseur richtet unterm Dach eines Berliner Hochbunkers seine Wohnung ein.

Florian Heilmeyer

Zeit vermag bekanntlich Wunden zu heilen. So erklärt der Generationenwechsel, dass in jüngster Zeit ehemalige Luftschutzbunker zu Wohnzwecken umgebaut werden: Die Altersgruppe, die in den verschlossenen Betonfestungen, hinter Gasschleusen und Splitterschutz, vor den Fliegerbomben des Zweiten Weltkriegs Zuflucht gesucht hat, hätte diese wohl nur schwer als Zuhause in friedlichen Zeiten akzeptiert.

Art Inside: Im Bunker­inneren hängen die Kunstwerke.

1940 eskalierte der Luftkrieg zwischen Deutschland und England rasch; die ersten großen Bombenangriffe auf London und Berlin verursachten immense Schäden. Deutschlands bis dahin wenige und sparsame Zivilschutzprogramme wurden fieberhaft beschleunigt: Im Rahmen des sogenannten „Führer-Sofortprogramms“ entstanden fast 6 000 Luftschutzbunker auf dem Gebiet des Dritten Reichs, die meisten innerhalb von nur drei Jahren. Etwa die Hälfte davon wurde für Rüstungsbetriebe und militärische Anlagen gebaut, die andere Hälfte in 61 Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnern. Hier entstanden meist oberirdische Hochbunker, die schneller und preiswerter als unterirdische Anlagen zu erstellen und fast genauso sicher waren. Damit wurde aus dem Bunker zum ersten Mal eine innerstädtische Gebäudetypologie. Eine, die vor allem den Regeln der Tarnung folgt, die mit ihrem städtebaulichen Umfeld verschmelzen möchte, um aus der Luft nicht gesehen zu werden, oder sich gar als Wohngebäude, Kirche oder in ländlicher Umgebung als Scheune „verkleidet“.

Eigentumsbunker: 17 Wohnungen entstanden in einem Kölner Bunker. Hier war der Eingriff radikal.

Nach Kriegsende waren Abriss und Sprengung wirtschaftlich kaum zu rechtfertigen, oft hätten sie die Umgebung schwer beschädigt. So wurden die Bunker als Warenlager oder temporärer Wohnraum genutzt. Unbeschädigter Wohnraum war knapp; Mitte der 1950er-Jahre lebten in der Bundesrepublik noch über 300 000 Menschen in Bunkern. Um deren brutaler Ausstrahlung und den damit verbun­denen Erinnerungen entgegenzuwirken, wurden sie gern hinter Wandgemälden oder Fassadenbegrünungen „versteckt“. Bauliche Veränderungen gab es zunächst nur selten, in Braunschweig etwa wurden zwei Bunker bereits Ende der 1940er-Jahre zum Wohnen umgebaut. Allerdings waren die technischen Möglichkeiten begrenzt und die Maßnahmen hatten eher experimentellen Charakter. Auf einem der Bunker wurde 1952 das erste Braunschweiger Hochhaus errichtet. In seinem Buch „Überlebensorte – Bunker in Braunschweig“ schreibt Wolfgang Ernst: „In einer weitgehend zerstörten Stadt waren Übernachtungsplätze für Reisende rar, so wurden aus Luftschutzbunkern Bunkerhotels oder Hotelbunker. Auch Bars, Gaststätten, Casinos und ein Kino waren in den Bunkern untergebracht.“

Verwandlung: Von außen ist die Altstruktur kaum noch zu erkennen.

Heute ermöglicht die emotionale Distanz eine andere Annäherung an die Bunker – darüber hinaus gibt es aber auch technische und wirtschaftliche Gründe, die ausschlaggebend sind, warum wir eine ganze Serie gelungener ­Bunkerumbauten begrüßen können. Durch technische Fortschritte bei den Seil- und Diamantsägen können die meterdicken Wände und Decken technisch präzise und zu vertretbaren Kosten aufgeschnitten werden, um Öffnungen für Fenster und Türen zu schaffen. Dadurch können ästhetisch hochwertige, attraktive und dauerhafte Umnutzungen entstehen. Zudem sind zentral gelegene Bunkerimmobilien meist echte Schnäppchen. Sie sind oft lange in staatlichem Besitz gewesen oder sind es noch, als Teil des Zivilschutzprogramms beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Erst kürzlich hat das Bundesinnenministerium den Verkauf des gesamten restlichen Bestands an Bunkern und Schutzräumen angeordnet; jetzt verkauft sie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Es wird interessant sein, zu sehen, wie sich durch die positiven Umbaubeispiele der Bunkerpreis entwickelt.

Bunker im Umbau.

Wärmedämmung bombenfest

So brauchte es in Köln einen jungen Investor, der in dem Bunker im begehrten Stadtteil Nippes das Potenzial für ein Wohnungsbauprojekt sah. Luczak Architekten aus Köln erstellten in einem begrenzten Wettbewerb ein Konzept für 17 Wohnungen mit Tiefgarage, Lichthöfen, Dachterrassen und flexiblen Grundrissen – von außen erinnert fast nichts mehr an die Vergangenheit des Gebäudes. Insgesamt 5 000 Tonnen Stahlbeton haben die Architekten aus dem 45 mal 15 mal 7,5 Meter großen Quader entfernen lassen. Während der Abriss der klaustrophobisch engen Raumzellen im Inneren mit konventionellen Techniken erfolgen konnte, mussten die Ausschnitte in den 110 Zentimeter starken Außenwänden und der 140 Zentimeter starken Bunkerdecke durch Seilsägen mit Diamantbesatz erfolgen, um die gewünschte Exaktheit zu erreichen. „Diese Technik ist überhaupt erst seit dem Preisverfall bei Kunstdiamanten bezahlbar“, sagt Thomas Luczak. „Bündige Wandverläufe von innen nach außen und ein nahtloser Übergang in die Deckeneinschnitte machten wegen der erforderlichen Dämmschichten Schnitte mit Versätzen im Zentimeterbereich erforderlich. Seilsägen bei schräg verlaufenden Armierungen, die im Bunkerbau üblich sind, führen aber leicht zu Wellen oder schrägen Schnitten.

Ohne Maschinen undenkbar: Seilsägen mit Diamantbesatz erledigten den härtesten Teil des Jobs.

Daher wurden mit dem Spezialunternehmen realistische Toleranzen vereinbart, die dann nur an wenigen Stellen Nacharbeiten erforderlich machten. Das war auch für uns überraschend.“ Die Baukosten lagen bei insgesamt 5,1 Millionen Euro. Bei einem Verzicht auf Dachterrassen oder Tiefgarage hätte das Projekt deutlich günstiger realisiert werden können, so die Architekten. Zu Preisen zwischen 2 300 und 2 900 Euro pro Quadratmeter – in Nippes mittleres Niveau – waren die Eigentumswohnungen rasch verkauft. Ein Vorzug des Bunkers sind die extrem starken Außenwände, die die Wärme speichern und im Winter für niedrige Heizkosten sorgen.

Eingegrünt und aufgestockt: Auf einen dreigeschossigen Bremer Bunker kamen zwei Staffelgeschosse und ein Dachgarten.

Lufthaus statt Luftkrieg

Andere Investoren geben sich bei ihren Bunkerumbauten mit etwas weniger Aufwand zufrieden, etwa das auf einen Bunker in Hamm aufgesetzte Pent­house, entworfen von Archivolver (Bonn): Hier blieb der Bunker äußerlich unangetastet und innerlich ungenutzt. Lediglich ein Loch wurde in die Bunkerdecke geschnitten, um das Penthouse an das Treppenhaus des Bunkers anzuschließen. Der neue Aufbau setzt sich mit einer deutlich akzentuierten Fuge vom Bestand ab, ein wenig als würde er über dem Bunker „schweben“. Auch in der Materialwahl und den wie Bootsanlegern auskragenden Bauteilen wird ein klarer Abstand zum Bunker formuliert, der als „Erschließungskern“ für das Einfamilienhaus dient. Hier ist der Bunker wirklich nur billiger (und sehr solider) Baugrund.

Vom Bunker keine Spur.

Auch ein dreigeschossiger Hochbunker in Bremen steht in einem begehrten Wohnquartier: Im Steintorviertel gibt es überhaupt kein freies Baugrundstück mehr, daher wählte ein junges Ärztepaar den leer stehenden Bunker als neues Zuhause für sich und seine beiden Kinder. Der Bunker bemüht sich, in seinen Dimensionen (25 x zehn x acht Meter) den Bremer Stil seiner Umgebung zu imitieren; durch die dichte Begrünung der Fassade wirkt er eher wie eine etwas klumpige und zu hohe Hecke. Die Architekten vom Londoner Büro Recort berichten, sie seien von der Massivität des Bunkers erst erschreckt, dann beeindruckt und schließlich fasziniert gewesen. Als Kontrast habe man die etwa 160 Quadratmeter Wohnfläche als etwas betont Leichtes entworfen. Die dreigeschossige Struktur wurde in leichter Stahlskelettbauweise quasi von oben in den Bunker „hineingeschoben“, was in dem großen, entkernten Innenraum unverborgene und unvermittelte Kontraste zwischen Alt und Neu schafft. Im Innern sind durch die neuen Lichtöffnungen vor allem Reserveflächen zum späteren Ausbau entstanden; die Baumaßnahme konzentrierte sich ganz auf den Neubau. Auf dem Dach erlaubte die Bauvoranfrage zwei neue Staffelgeschosse. Ein leichter Zaun und die zarte Begrünung lassen auf dem Bunkerdach tatsächlich einen Hauch von suburbanem Heile-Welt-Gefühl einkehren. Das allerdings eine Etage tiefer vollständig vergeht.

Vom Schutzraum zum Wohlfühlraum.

Kunst im Klotz

Auch Christian Boros war in Berlin nicht auf der Suche nach einem „Heile-Welt-Gefühl“. Zwei Jahre lang suchte der Sammler moderner Kunst ein Haus in der Berliner Innenstadt, das sich als Kunsthalle und Wohnort für seine Familie eignen könnte. Er fand einen Hochbunker in der Reinhardtstraße, direkt zwischen Deutschem Theater und der Friedrichstraße, allerbeste Lage. Der Kaufpreis für Bunker und Grundstück soll etwa eine Million Euro betragen haben; Boros verhandelte klug, und schließlich musste der Vorbesitzer auf eigene Kosten ein Loch in die drei Meter dicke Bunkerdecke stemmen. 150 Kubikmeter bewehrten Betons mussten entfernt werden. Die Arbeiten mit Diamantseilsäge und zwei Baggern haben drei Monate gedauert: „Bis zur Friedrichstraße konnte man hören, ob gearbeitet wurde“, erinnert sich Jens Casper vom Büro realarchitektur. „Beim Bau war glatter Stahl verwendet worden, dadurch konnten unsere Statiker keine ausreichende Nutzlast mehr garantieren. Wir haben dann einen experimentellen Tragfähigkeitsnachweis durchführen lassen. Selbst die Ingenieure waren überrascht, als die Grenztragfähigkeit bei 23 Kilonewton pro Quadratmeter nicht erreicht wurde.“

Aufgesetzt: Das Penthouse in Hamm nutzt den Bunker als Sockel und zur Erschließung.

Durch das Loch in der Bunkerdecke ragt heute eine leichte Treppen- und Fahrstuhlkonstruktion; das Penthouse ist luftig und man blickt in edelstem Ambiente über Berlin: offene Grundrisse, raumhohe Verglasungen, Oberlichter, Dachterrasse. Im Innern des Altbaus wurde dagegen das klaustrophobische Labyrinth der Bunkerräume weitgehend erhalten, nur sehr vereinzelt wurden Decken oder Wände entfernt, um mehr Raum oder Sichtbeziehungen zwischen den „Galerieräumen“ zu schaffen. Auch die Wandbeschriftungen aus den verschiedenen Nutzungsphasen, ob als Bunker, Lebensmittellager oder Techno-Disco, blieben erhalten, sodass der Bunker hier von seiner gesamten Vergangenheit erzählt. Dazwischen richtet Boros derzeit seine Privatsammlung ein, die eines Tages – quasi halb-öffentlich – nach telefonischer Vereinbarung auch zu besichtigen sein soll.

Fast Originalgetreu: Bis auf ein Loch in der Decke ist er innen und außen kaum verändert.

„Es braucht mutige Bauherren, wenn man etwas aus den Bunkern machen will“, sagt Jens Casper von realarchitektur als Fazit des Berliner Umbaus. „Die Substanz ist sperrig und mit bauphysikalischen Standards kaum in den Griff zu bekommen. Man muss bereit sein, Experimente zu wagen.“ Auch in Köln ist Thomas Luczak glücklich mit dem erzielten Ergebnis und sagt, er würde sofort wieder einen Bunker umbauen: „Jetzt wissen wir ja besser, was uns erwartet.“ In Bremen hingegen hatten sich die Bauherren und die ausführenden Unternehmen den Umbau wohl einfacher vorgestellt: Bis zum Abschluss eines derzeit laufenden Mängelverfahrens dürfen von dem 2005 fertiggestellten Projekt derzeit keine weiteren Fotos gezeigt werden.


Buchtipp

Andrea Heinemann, Heike Zieher

­Bunker update – ­Vorschläge zum ­heutigen ­Umgang mit Bunkern in innerstädtischen Lagen.
Rohn Verlag, Dortmund 2007, 22 Euro

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