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[ Architekt ohne Grenzen: Türkei ]

Boom am Bosporus

Das Bild vieler türkischer Städte ist vom Baustellen geprägt. Deutsches Fachwissen ist gefragt, doch vieles geht nur mit einheimischen Partnern.

Schöner Wohnen: Luxusappartements im Stadtteil Ataköy im Westen von Istanbul.

Christian Raschke

Prächtige Paläste, schlanke Minarette und gewaltige Kuppeln: Das sind die Wahrzeichen des alten Istanbul. Das neue Gesicht der Stadt sieht anders aus. Geschäfte werden heute nicht mehr in den engen Gassen rund um den alten Basar gemacht, sondern in gläsernen Hochhäusern im Bankenviertel Levent. Im Westen, in der Nähe des Flughafens, und im Osten, auf der asiatischen Seite jenseits des Bosporus, entstehen neue große Wohnquartiere. Im Norden wachsen die Villenviertel der Reichen entlang der Meerenge immer weiter in Richtung Schwarzes Meer.

Yusuf Coban will an diesem Bauboom teilhaben. Seit März 2007 betreibt der Deutsche mit türkischem Ursprung ein Architekturbüro in der Türkei. „Hier entsteht ständig Neues. Istanbul wächst im Jahr um 250 000 Einwohner“, sagt Coban. „Und die Menschen müssen irgendwo leben. Während die Situation für Architekten in Deutschland kaum besser wird, ist die Türkei ein riesiger wachsender Markt.“ Istanbul ist dafür nur ein Beispiel. Die Regionen um Antalya, Ankara und Izmir wachsen ähnlich schnell.

Cobans Eltern zogen aus Antakya, im Süden der Türkei gelegen, in die Pfalz, als er drei Jahre alt war. Nach dem Abitur und dem Studium in Koblenz baute er sich dort ein kleines Architekturbüro für alle Arten von Leistungen auf: von Projektplanung über Wohnungsbau, Altbausanierung und Gewerbebau bis hin zu energetischer Beratung und Gebäudewertermittlung. Die Entwicklung seines Herkunftslandes hat er dennoch nie aus den Augen gelassen.

Die Entscheidung

auch beruflich einen Schritt in die Türkei zu wagen, fiel, nachdem Coban bereits von Deutschland aus einige Projekte in seiner Geburtsstadt Antakya abgeschlossen hatte. „Das hatte zwar nichts mit der Arbeitsweise zu tun, die ich aus Deutschland kannte“, sagt er, „aber danach war ich überzeugt, dass ich eine gute Grundlage habe, um in der Türkei erfolgreich zu sein.“

Vor allem die Arbeit mit türkischen Handwerkern war zu Beginn gewöhnungsbedürftig. „Die Mentalität ist eher südländisch“, sagt Coban augenzwinkernd. Fristen werden oft überzogen, auf den Baustellen wird viel improvisiert. Auch ist die Handwerksausbildung in der Türkei nicht mit deutschen Verhältnissen vergleichbar. Viele sind im Umgang mit modernen Baustoffen und Produkten völlig unerfahren. „Da muss der Architekt den Baufortschritt viel genauer begleiten und überwachen“, weiß Coban inzwischen aus Erfahrung. Andererseits müsse man einfach lernen, mit der „Gelassenheit der Türken umzugehen“.

Deutsche Tugenden

„Fachwissen und Dienstleistungen aus Deutschland sind in der Türkei sehr gefragt“, sagt Nikolaus Bemberg, Leiter des Bereichs Marketing und Markterschlie-ßung bei der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Istanbul. Die AHK versteht sich als Ansprechpartner für Unternehmer aus beiden Ländern bei bilateralen Geschäftsbeziehungen. „Deutsche Architekten haben mit ihrer Ausbildung gute Chancen in der Türkei“, sagt Bemberg. Während der Boom im Wohnungsbau allmählich stagniert, wird zurzeit vor allem in Infrastrukturprojekte, Einkaufszentren, Büro- und Gewerbebauten investiert. Genau da sei das Know-how deutscher Architekten gefragt. „Bei einer Klinik zum Beispiel reicht es nicht aus, nur zu berechnen, wie viele Toiletten sie braucht“, sagt Berater Bemberg. „Der Architekt muss die Abläufe in der Notaufnahme oder der Intensivstation kennen und berücksichtigen.“ Dinge, an denen es bei Projekten in der Vergangenheit gemangelt habe.

Ähnliche Erfahrungen hat auch ­Coban bei der Neugestaltung der Büro- und Ausstellungsräume eines türkischen Fliesen- und Keramikherstellers gemacht. „In Deutschland selbstverständliche Dinge wie Farbgestaltung und Wegführung waren völlig neu für den Kunden.“ Der gute Ruf deutscher Planer habe sich inzwischen herumgesprochen. „Türkische Investoren arbeiten gerne mit ausländischen Architekten zusammen“, so Coban.

Formalitäten

Um sich als „Mimar“ in der türkischen Kammer (TMMOB) einzutragen, benötigen deutsche Architekten eine Anerkennung ihres Diploms durch das türkische Kultusministerium. „Das ganze Verfahren hat knapp vier Monate gedauert“, sagt Coban, der seit 2001 nur noch den deutschen Pass besitzt. Geholfen hat ihm bei der Anerkennung seines FH-Diploms das türkische Konsulat in Mainz. Der Eintrag in der TMMOB war anschließend eine reine Formsache. Theoretisch ist Coban damit berechtigt, in der Türkei selbstständig Bauprojekte abzuwickeln. Von Alleingängen rät Nikolaus Bemberg von der AHK jedoch immer wieder ab: „Dafür ist die Branche schon zu stark. Wer Erfolg haben will, braucht unbedingt türkische Partner, nicht zuletzt wegen der Sprache.“

Auch Coban hat sich Partner in der Türkei gesucht. Er arbeitet mit einer türkischen Landschaftsarchitektin und einer Immobilienagentur zusammen, um Beziehungen zu Investoren und ausführenden Firmen zu knüpfen. Außerdem plant er gemeinsam mit einer italienischen Inneneinrichtungsfirma die Eröffnung eines weiteren Büros in Istanbul, um deren Leistungen auf dem türkischen Markt anzubieten. „Geschäfte werden hier, anders als in Deutschland, viel häufiger über persönliche Kontakte gemacht. Man kennt sich und empfiehlt sich weiter“, sagt er. „Darum ist es so wichtig, die Leute persönlich zu treffen.“ Dazu gehören auch Small Talk und gegenseitige Einladungen. Wenn es passt, kann aus einer Geschäftsbeziehung schnell auch ein freundschaftliches Verhältnis werden. Kollegen, die nicht wie er fließend Türkisch und Arabisch sprechen, rät Coban daher, unbedingt so viel Türkisch zu lernen, dass sie zumindest einige Höflichkeiten austauschen können.

Um seine Kontakte zu pflegen und auszubauen, reist Coban fast jeden Monat für einige Tage in die Türkei. Auch hier spricht ein weiterer Faktor für das Land: seine geografische Lage. Von Deutschland sind es nur dreieinhalb Flugstunden nach Istanbul oder Antalya. Trotzdem schlägt die Türkei eine Brücke nach Asien, in die arabische Welt und die ehemaligen GUS-Staaten. Gerade erst hat Yusuf Coban die Planungen für den Umbau einer Wohnung und einer Villa in Kasachstan abgeschlossen.

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