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[ Praxisprojekt ]

Der Design Build Hörsaal: Green Campus an der FH Erfurt

Die Lehrmethode „Design Build“ war an deutschen Architekturfakultäten lange Zeit ein Fall für Hilfsprojekte in exotischen Ländern oder kleine Pavillons. Ein Projekt der Hochschule Erfurt hebt das studentische Bauen auf ein komplett neues Level – und setzt dabei auf eine ungewöhnliche Zusammenarbeit zwischen dem Nachwuchs und einem etablierten Architekturbüro

Green Campus Gebäude
Der neue Hörsaal der FH Erfurt wurde von Studierenden entworfen und geplant, von Architekten realisiert.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Große Brötchen backen“ im Deutschen Architektenblatt 07.2022 erschienen.

Von Simone Hübener

Ein Durchgangsraum mit schlechter Raumakustik und unbequemem Gestühl – der Hörsaal der Fakultät Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forst verdiente seinen Namen nicht. Dass die Studierenden heute in einer anregenderen Atmosphäre lernen können, verdanken sie der Initiative des Architekten Philipp Krebs und eines engagierten Projektteams. Krebs machte als Professor für Entwerfen und energieeffizientes Bauen aus der Raumnot seiner Kolleginnen und Kollegen kurzerhand eine Tugend und entwickelte gemeinsam mit der Hochschulverwaltung ein interdisziplinäres Entwurfsprojekt für einen flexibel nutzbaren Hörsaal-Neubau.

Green Campus: demontierbarer Holzbau

Diesem gab er einen programmatischen Namen – Green Campus – und ein entsprechend anspruchsvolles Anforderungsprofil: Die Studierenden hatten für den Campus ein frei stehendes Gebäude in Holzbauweise zu konzipieren, das sich komplett demontieren und an anderer Stelle wieder aufbauen lässt. Auch die Haustechnik und die Verarbeitung der Materialien sollten zukunftsweisend sein. Mit Blick auf die Umsetzung bezog Krebs Studierende und Lehrende der Fakultäten für Gebäude- und Energietechnik sowie beratend der Fakultät Bauingenieurwesen und der für Stadt- und Raumplanung in die Teamarbeit ein. So konnten die angehenden Architektinnen und Architekten recht realitätsnah an ihren Entwurf herangehen.

Green Campus Gebäude
Der Hörsaal in Holzbauweise lässt sich demontieren und anderorts wieder aufbauen.

Umsetzbarkeit von Holzbauprofis geprüft

Zunächst entwickelten drei Gruppen getrennt voneinander ihr jeweiliges Konzept für den 150 Quadratmeter großen Hörsaal und stellten dieses im November 2016 erstmals Studierenden und Lehrenden der Fakultät vor. Das Feedback floss in die weitere Bearbeitung ein. Einen Monat später statteten die Studierenden verschiedenen Holzbau-Unternehmen und Herstellern einen Besuch ab, präsentierten ihre Ideen dort und diskutierten mit den Profis über eine mögliche Realisierung.

David Lukas Kleist, einer der beteiligten Studenten, brachte dies für seine heutige Arbeit im Architekturbüro einen großen Mehrwert: „Ich habe von Beginn meiner praktischen Tätigkeit an viel souveräner mit den weiteren Projektbeteiligten diskutiert. Die Gespräche im Rahmen des Green Campus verliehen mir viel Selbstbewusstsein.“

Kombination verschiedener Entwürfe

In nächsten Schritt extrahierten die Studierenden die jeweils besten Aspekte aus den unterschiedlichen Entwürfen zu einem gemeinsamen Projekt. An diesem wurde bis zur Endpräsentation weitergearbeitet – und das bis zu einem sehr ausgereiften Stadium, wie Professor Krebs unterstreicht: „Der Entwurf des interdisziplinären Teams aus Studierenden hatte fast Ausführungsniveau. Sie hatten bereits die statischen Bemessungen durchgeführt und auch das Haustechnikkonzept bis ins Detail entwickelt.“

Architekturbüro für die Umsetzung

An diesem Punkt war für die Studierenden die eigene aktive Mitarbeit dann allerdings beendet, denn die Hochschule war sehr darauf bedacht, dass die angehenden Architektinnen und Architekten keine HOAI-Leistungen erbringen, damit sie nicht in Konkurrenz zur eingetragenen Architektenschaft treten. Also wurde mittels eines VgV-Verfahrens ein Architekturbüro gesucht, das den Entwurf der jungen Menschen in deren Sinne bis zur kompletten Ausführungsreife weiterentwickelt und die Bauleitung übernimmt.

Für die Präqualifizierung hatten sich fünf Büros beworben, von denen drei gebeten wurden, ein konkretes Angebot abzugeben und dann auch vorzustellen. Das Büro Funken Architekten, ebenfalls in Erfurt ansässig, erhielt den Auftrag. Die relativ kleine Größe kam dem Büro bei diesem Vergabeverfahren zugute, vermutet Geschäftsführer und Bürogründer Matthias Funken: „Wir haben wohl auch damit überzeugt, dass wir uns dieses eher kleinen Projekts intensiver annehmen würden und es nicht – wie vielleicht ein größeres Büro – mehr nebenbei mitlaufen lassen würden.“

Hinzu kamen die Affinität zu und die langjährige Erfahrung mit dem Baustoff Holz sowie die Begeisterung für die Reife des studentischen Entwurfs. „In der Regel ist es selbstverständlich unser Ziel, selbst zu entwerfen. Doch dieser Entwurf war so engagiert und gut, dass es uns reizte und gleichzeitig herausforderte, ihn im Sinne der Studierenden umzusetzen“, so der Architekt.

Detaillierte Übergabe

Beschäftigte des Thüringer Landesamts für Bau und Verkehr leiteten das Projekt. Für die Übergabe wurde ein ausführlicher Präsentationstermin angesetzt, bei dem die Studierenden dem Team von Funken Architekten sehr detailliert ihre Vorstellungen weitergaben. Mock-ups der Fassadenstudien inklusive Details zu Rauigkeit, Farbe und Breite der Holzlamellen wurden überreicht, ebenso eine konkrete Auswahl für die Möbel, ein Haustechnikkonzept, das komplett in die Gebäudehülle integriert war, und nicht zuletzt ein detaillierter Plan für einen begrünten Eingangsbereich inklusive des dazugehörenden Bewässerungssystems. Sich auf ein solches Projekt einzulassen und die eigene Kreativität hintenanzustellen, war für das Team des Architekturbüros Neuland.

Innenraum Green Campus
Der Holztafelbau wurde mit vorgefertigten Boden-, Wand- und Dachelementen erstellt und mit Zellulose gedämmt. Der Tragrahmen besteht aus Holzleimbindern.

Herausforderungen bei Dach und Haustechnik

Wenngleich vieles sehr weit entwickelt war, musste das Architektenteam an verschiedenen Punkten ausloten, wie sich die theoretischen Ideen der Studierenden in ein reales Gebäude umsetzen ließen. Besonders herausfordernd war die Ausbildung des Dachs als fünfte Fassade, die analog zur vertikalen Hülle auch mit Leisten verkleidet werden sollte. Der Technikbereich musste umgeplant und die Haustechnik einschließlich einer Luftwärmepumpe für die Beheizung in realistischer Dimensionierung innerhalb der Gebäudehülle angeordnet werden.

Eingangsbereich stark verändert

Zwischen Entwurf und Realisierung sehr stark verändert hat sich der von den Studierenden sorgfältig geplante begrünte Eingangsbereich, dessen rankende Pflanzen einen Sichtschutz geboten und den ökologischen Ansatz nach außen sichtbar gemacht hätten. Die angeführten Gründe kennt man durchaus auch von anderen Projekten: Kostendruck sowie Bedenken des Brandschutzes, da der Bereich ein Flucht- und Rettungsweg ist. In Kleists Stimme hört man Wehmut, als er davon spricht, und kann dies beim Vergleich der Präsentationszeichnungen mit den Fotos des Gebauten nachvollziehen.

Rendering der ursprünglichen Idee des Green Campus
Die Begrünung des ursprünglichen studentischen Entwurfs konnte leider nicht umgesetzt werden.

Zwei Architekturpreise

Nach nur einem Jahr Bauzeit wurde der neue Hörsaal im Frühjahr 2021 eingeweiht. Dass bei diesem Projekt sowohl der Entwurf als auch die Realisierung überzeugen, belegen die beiden Preise, mit denen der Green Campus bereits ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit zwei weiteren Entwürfen erhielt er den Hochschulpreis Holzbau 2017. Die Jury beeindruckte die „konsequente Umsetzung der Idee eines temporären Hörsaals bis ins Detail und die herausragende Qualität des Gesamtentwurfes“, die sie unter anderem auf den interdisziplinären Ansatz und das Einbinden externer Holz-Expertinnen und -Experten zurückführt. Dass am Ende auch qualitätsvolle Architektur entstand, bezeugt die Auszeichnung mit dem Thüringer Staatspreis für Baukultur 2020/2021.

Komplexität und Kosten reduziert

Zu verdanken ist diese Erfolgsgeschichte nicht zuletzt der Hartnäckigkeit von Philipp Krebs, der konstruktiv gegen die strengen Vorgaben der Arbeitsstättenrichtlinien argumentierte. Diese hatte die Bauaufsicht beispielsweise beim Thema der Toiletten ins Feld geführt – obwohl bereits in nächster Nähe WCs vorhanden sind, müsste das Gebäude eigentlich eigene vorweisen. Krebs verhinderte unnötige Kosten durch deren Planung und Realisierung und damit auch höhere Anforderungen an einen möglichen neuen Standort.

Um den Weg für weitere Bauten dieser Art zu ebnen, plädiert Krebs für „Experimentierklauseln“ und fordert mehr Mut für neue Lösungsansätze. Beides wäre wünschenswert, damit in Erfurt und darüber hinaus weit mehr solcher zukunftsweisender und für alle Beteiligten – Studierende, Planende und Verwaltungsmitarbeiter – äußerst gewinnbringender Projekte realisiert werden.

 

Weitere Beiträge finden Sie in unserem Schwerpunkt Jung.

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