
Wenn alles gleich aussieht, tut´s irgendwann weh. Standardisierung ist effizient, braucht aber Grenzen.
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270 neue Kompaniegebäude sollen entstehen, alle gleich. Das Bundesverteidigungsministerium nennt es effizient, Verteidigungsminister Boris Pistorius sagt: „Standardisierung ist der wichtigste Beschleunigungsfaktor.“ Und natürlich hat er recht – eine Kaserne braucht keine Überraschung. Sie soll funktionieren, zuverlässig, überall gleich. Das Militär folgte schon immer der Logik des Standards: gleiche Räume, gleiche Abläufe, gleiche Rituale.
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Das Musterhaus für die Feuerwehr
Ganz anders die Feuerwehrhäuser in Hessen. Dort hat man nun ein Muster vorgestellt – mit festgelegten Grundrissen, Raumprogrammen, sogar Leitdetails. Klingt praktisch: Jede Kommune kann das einfach übernehmen, kein Architekt muss sich mehr abmühen, kein Gemeinderat sich lange streiten. Standardisierung fürs Haus – wie ein Formular. Die Architekten des Musterfeuerwehrhauses (Kölling Architekten BDA) werden übrigens nur sehr versteckt erwähnt.
Doch in vielen Dörfern ist genau solch ein Gebäude das wichtigste Vorhaben überhaupt. Früher war das Feuerwehrhaus Ort der Gemeinschaft – Treffpunkt, Symbol, Stolz. Man plante gemeinsam, stritt über Fensterachsen, feierte Richtfest und Einweihung. Es war das neue Herz des Ortes, manchmal das letzte. Heute soll es nur noch effizient sein, ergo: Standardisierung.
Standardisierung vom Schulbau bis zum Wohnblock
Der Trend reicht längst weiter: Im Schulbau entstehen landesweite Typenprogramme, die Digitalisierung ermöglicht Serienlösungen für ganze Quartiere. Das alles spart Zeit und Geld – und lässt sich hervorragend vermarkten. Aber mit zunehmender Standardisierung unserer Baukultur, verschwinden auch die Geschichten, die Orte einmal unverwechselbar machten.
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Verlust der Eigenart
Ich verstehe die Gründe. Wir bauen zu langsam, zu teuer, mit zu vielen Vorschriften. Aber wenn wir jedes Projekt der Standardisierung unterziehen, sparen wir nicht nur Zeit – wir sparen auch Haltung. Was bleibt dann noch vom Ort?
Kasernen dürfen gleich aussehen. Dörfer nicht. Und wenn schon kaum noch gebaut wird – keine Kirche, kein Rathaus, kein Platz –, dann sollte wenigstens das, was neu entsteht, wieder etwas erzählen: Wer wir sind. Und warum es uns hier gibt.
Was gleich aussieht, bleibt selten in Erinnerung
Standardisierung kann helfen, klar. Sie ordnet Prozesse, reduziert Fehler, schafft Verlässlichkeit. Aber sie darf nicht das Denken ersetzen. Denn was gleich aussieht, bleibt selten in Erinnerung. Und Heimat, die austauschbar wird, hört auf, Heimat zu sein.
Architektur ist keine Nebensache, sie ist Teil unseres Gedächtnisses. Wenn Standardisierung überhandnimmt, wenn jedes Gebäude gleich aussieht, verliert der Raum seine Geschichte – und mit ihm die Menschen, die darin leben. Gerade weil heute so wenig Identitätsstiftendes gebaut wird, trägt jedes neue Haus doppelte Verantwortung: für die Funktion und für die Erinnerung.
Vielleicht sollten wir neu darüber sprechen, was Standardisierung bedeuten darf – und was sie niemals ersetzen sollte.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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