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Ehemalige Sparkasse

Eine Sparkasse aus den 70ern? Ein typischer Abrisskandidat. Doch nicht so in Lemgo! (Klicken für mehr Bilder)

[ Umbau statt Neubau ]

Außergewöhnliche Wohnhäuser: wo Umbau überall möglich ist

„Umbau vor Neubau!“, schallt allerorts der Ruf. Wir zeigen, wie aus Krankenzimmern, Büros, Kindergartenräumen oder gar einer Sparkassenhalle attraktiver Wohnraum werden kann – und welche Herausforderungen die Architektinnen und Investoren dabei zu ­meistern haben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Umgewandelt“ im Deutschen Architektenblatt 08.2022 erschienen.

Von Eva Kafke

In ehemaligen Verwaltungs-, Industrie- oder Infrastrukturgebäuden wohnen? Für viele Bauherren hat das noch den Hauch des Exotischen. Die Recherche für diesen Beitrag ergab allerdings: So selten, wie viele glauben, ist diese Art der Wohnraumbeschaffung gar nicht. Und es werden die verschiedensten Wohnbedürfnisse abgedeckt – vom Doppelhaus bis zur Etagenwohnung, von zeitgenössischer Moderne bis zum historischen Ambiente ist eigentlich für jeden etwas dabei.

Ehemalige Uniklinik Ulm
Die imposante Jugendstilfassade der ehemaligen Uniklinik in Ulm musste unverändert bleiben. Zwei Anbauten aus den 60ern wurden durch neue Gebäude ersetzt.

Umbau in Ulm: Wohnen im Krankenhaus

Zum Beispiel Ulm: Hier beherbergt das von 1908 bis 1912 von Stadtbaurat Karl Romann geplante Hauptgebäude der früheren Uniklinik heute 97 Eigentumswohnungen mit Wohnflächen zwischen 28 und 218 Quadratmetern. Nach dem Auszug der letzten Klinik markierte ein Städtebauwettbewerb den Beginn von rund zehn Jahren Planungs- und Bautätigkeit. Das Ziel: Auf dem Gelände sollte ein neues Quartier entstehen, das alte und neue Gebäude und Außenanlagen miteinander verbindet.

Der Entwurf des Neu-Ulmer Architekturbüros Nething überzeugte. Eine bestimmende Größe war dabei der Denkmalschutz. „Wir konn­ten zum Glück an der Änderung des Bebauungsplans mitwirken“, berichtet die verantwortliche Architektin Claudia Lampert. „Beispielsweise durften zwei Anbauten aus den 60er-Jahren abgerissen und an deren Stelle neue Gebäude errichtet werden. Über deren Höhe wurde gemeinsam entschieden.“

Grundriss mit Abriss und Neubau
Grundriss EG: schwarz der Bestand, gelb der Abbruch, rot der Neubau. Zeichnung: Nething Architekten

Ohne Balkone schwer zu vermarkten

Die imposante, zur Stadt gewandte Jugendstilfassade musste allerdings unverändert bleiben. Sie wurde von innen gedämmt. Anhand von alten Bildern empfanden die Architekten die ursprüngliche Sprossengliederung mit EnEV-gerechten Holzdenkmalfenstern nach. Balkone durften an dieser Gebäudeseite nicht vorgebaut werden. „Das hatte gravierende Auswirkungen auf die Wohnungsgrundrisse.

Große Wohnungen im doch etwas gehobenen Preissegment lassen sich ohne Balkon nicht verkaufen“, erläutert Architektin Lampert. „Wir haben für den Mittelteil des Gebäudes vorrangig kleine Einheiten geplant, die dann mehrheitlich von Kapitalanlegern und Investoren erworben und vermietet wurden, oft an Bewohner, die nur für einen begrenzten Zeitraum in Ulm leben.“

Wohnung mit großen bogenförmigen Balkontüren
Die denkmalgerechten neuen Holzfenster sind EneV-konform und nehmen die historische Sprossengliederung auf.

Denkmalschutz als Herausforderung und als Reiz

Größere Einheiten fanden in den nach vorn hinausragenden Gebäudeflügeln Platz. Dort entstanden durch Einschnitte Loggien. Auf der Gebäuderückseite wurden Balkone als Stahlkonstruktionen vorgesetzt. Darüber hinaus erforderte die Struktur des Gebäudes spezifische Lösungen. „Wir konnten nicht einfach drei Wohnungstypen auf der Grundfläche verteilen, sondern mussten sehr individuell planen. Außerdem mussten aufgrund der Raumhöhe auch die Zimmer größer werden als im Neubau üblich“, sagt Claudia Lampert.

Die dicken, meist tragenden Wände zwischen den ehemaligen Krankenzimmern durften zwar herausgenommen und Türen zum Flur zugemauert werden, doch die Veränderungen sollten sichtbar sein. Nun gliedern Wandvorsprünge und geschlossene Rundbögen das Gebäudeinnere. „Das hat sich natürlich auf die Wirtschaftlichkeit und den Preis der Wohnungen ausgewirkt. Andererseits macht genau diese Gestaltung den Reiz und die Qualität der Wohnungen aus.“

Die größte Planungsschwierigkeit entstand dadurch, dass dieses Projekt für Käufer inte­ressant war, die eine Denkmalabschreibung nutzen wollten. Daher konnte mit dem Bau erst nach dem Verkauf aller Einheiten begonnen werden. „Wir mussten also möglichst exakte Planungen und darauf basierende Wirtschaftlichkeitsberechnungen vornehmen“, erklärt Claudia Lampert. Für Überraschungen im Bauverlauf wurde zwar ein finanzieller Puffer eingepreist, dennoch waren Planänderungen heikel: Die Käufer erwarteten, dass genau das entsteht, was ihnen versprochen wurde.


Umbau in Köln: Büros zu Wohnungen

Diese Hürde musste Christian Mammel vom Kölner Büro JSWD bei Umwandlung des ehemaligen Sitzes des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) in Wohneinheiten nicht meistern, auch keine Vorgaben des Denkmalschutzes erfüllen. Ansonsten gibt es jedoch viele Parallelen zwischen den beiden Umnutzungsprojekten. Nach dem Wegzug des BDI legte auch in Köln ein Wettbewerb der Stadt den Grundstein für die Umgestaltung des Geländes.

Ziel war die Schaffung eines Wohnquartiers rund um die markant geschwungene, 1978 von Claus Winkler geplante Hochhausscheibe am Rhein. „Sehr früh war klar, dass eine Stand-alone-Lösung für diese Immobilie wirtschaftlich nicht machbar war. Wir haben also Untersuchungen durchgeführt, in denen Verdichtungspotenziale aufgezeigt wurden“, erklärt Christian Mammel.

Schwierige Gebäudeform für Wohnungsgrundrisse

Für das Architektenteam stellte der Umgang mit der Gebäudeform eine der größten Herausforderungen dar. „Der Baukörper mit den vertikalen Stahlstützen im Abstand von 1,60 Metern hat unsere Grundrissplanungen deutlich eingeschränkt“, beschreibt Architekt Christian Mammel. Zugleich galt es, die Grundrisse so zuzuschneiden, dass jede Wohnung einen Freisitz erhalten konnte und zumindest die Wohnräume ausreichend Tageslicht erhielten.

„Entstanden sind letztlich fünf unterschiedliche Geschosse mit 132 Wohnungen und einem sehr geringen Wiederholungsfaktor. Wir haben jede Wohnung einzeln geplant und die Skizzen unzählige Male überarbeitet, bis es in der Gesamtheit passte.“ Versetzt angeordnete Balkone greifen die geschwungene Fassadenform auf und kaschieren zugleich die unterschiedlichen Wohnungsgrößen. Eine Sonderrolle nimmt der hohe, ehemals großflächig verglaste Gebäudesockel ein: Hier schufen die Architekten als besondere Wohnform schmale zwei- bis dreigeschossige Stadthäuser als Haus im Haus.

Ertüchtigung bei Brandschutz und Statik

Auch die konstruktiven Erfordernisse waren nicht zu unterschätzen. „Brandschutz, Statik und Schallschutz zwischen den Wohneinheiten bekamen eine ganz andere Relevanz als bei der vorherigen Büronutzung“, erzählt Christian Mammel. Die vertikalen Stahlstützen mussten akustisch und brandschutztechnisch eingepackt und konstruktiv verstärkt werden, um die Last der Balkone aufnehmen zu können, die beiden bisherigen Erschließungstreppenhäuser zu Sicherheitstreppenräumen umgebaut werden.

Dank der guten Dokumentation des Gebäudes und umfangreicher Voruntersuchungen gab es im Bauverlauf keine großen Überraschungen. Dennoch: „Wirtschaftlich war dieses Projekt nur umsetzbar, weil es mit der Mantelbebauung einherging. Der Bauherr konnte damit eine Mischkalkulation machen“, so Mammels Fazit.


Umbau in Uslar: Von der Kita zum Doppelhaus

Ganz so hart rechnen Privatpersonen nicht, die bei der Umwandlung von kleineren Gebäuden meist als Bauherren die Initiative ergreifen. Zum Beispiel beim Umbau einer ehemaligen Kita im niedersächsischen Uslar. Hier beauftragte der Eigentümer der benachbarten Tischlerei Tim Grimme vom Büro K17 Architekten mit der Planung eines Doppelhauses für seine Familie und die seiner Schwester. „Natürlich haben die Bauherren auch ein Budget vorgegeben. Aber ihr Hauptinteresse war, dass sie für sich schönen Wohnraum schaffen wollten“, erzählt Tim Grimme. „Ein Projekt wie dieses wäre mit einem Projektentwickler nicht entstanden.“

In Holz aufgestockter Rohbau

Für das Mischgebiet gab es keinen Bebauungsplan, der die Planungen eingeschränkt hätte. Architekt Grimme führte das einstöckige Kita-Gebäude weitgehend auf den Rohbau zurück, errichtete eine neue Betongeschossdecke und setzte ein Obergeschoss in Holztafelbauweise darauf. Nur die mittlere Trennwand zwischen den Wohneinheiten besteht aus Schallschutzgründen aus Beton. Seinen Namen – „Holzbox“ – verdankt das Haus seiner Verkleidung aus senkrechten Lärchenholz-Lamellen. „Sie dient als Sonnen- und Sichtschutz für das komplett verglaste Obergeschoss, als Brüstung für den dahinterliegenden Laubengang und als Wetterschutz für die Fassade. Gleichzeitig verbindet sie das Bestandsgebäude mit der aufgesetzten Etage zu einer Einheit.“

Mini-Atrium im Obergeschoss

Die Wärmedämmung aus Holzfaser, zwei wasserführende, mit Holz bestückte Kamine, die umfangreiche Innenraumgestaltung mit Holz – die Handschrift des Bauherrn ist unübersehbar. Obwohl die Auftraggeber viele, teils schwer miteinander zu vereinbarende Vorstellungen hatten, wurden die Grundrisse am Ende spiegelgleich gestaltet. „Das hatte nicht zuletzt wirtschaftliche Gründe“, so Grimme. „Wir mussten keine Differenzierungen in der Ausführungsart vornehmen.“ Verbindendes Element zwischen den beiden Wohneinheiten ist ein drei mal vier Meter großes Atrium im Obergeschoss. Es bringt Tageslicht in das 18 mal 18 Meter große Gebäude.


Umbau in Lemgo: Sparkassenhalle wird Innenhof

Auch für Reinhard Schwakenberg war bei der Neugestaltung der Sparkasse im nordrhein-westfälischen Lemgo ein Atrium das Mittel der Wahl. Der Architekt entfernte die Lichtrasterdecke der 600 Quadratmeter großen ehemaligen zentralen Kassenhalle und schuf so einen ruhigen Innenhof. Im umlaufenden Gebäude sind zwölf Wohneinheiten zwischen 42 und 150 Quadratmetern entstanden. Sie erweitern sich durch versetzte Erker in Holzbauweise in das offene Atrium. „Dadurch konnten wir zugleich im Erdgeschoss Freisitze und in der oberen Etage Dachterrassen schaffen.“

Aus dem Einfamilienhaus zurück ins Zentrum

Ein Großteil der Bausubstanz des typischen Stahlbeton-Skelettbaus aus den 70er-Jahren blieb erhalten – Decken, Betonstützen und die beiden Treppenhäuser. Die Leichtbau-Innenwände hingegen wurden herausgenommen. Eine angedachte Aufstockung mit einem Penthouse wurde im Zuge der Planungen und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen verworfen. „Die entstandenen Wohnungen zählen mit offenen Grundrissen und hochwertiger Innenausstattung natürlich nicht zu den preiswerten Wohnungen in der Stadt. Dennoch haben sich erstaunlich schnell Mieter gefunden“, so der Architekt. In die größeren Einheiten sind vorrangig ältere Paare gezogen, die bislang in einem Einfamilienhaus gelebt und sich nun verkleinert haben. Die kleineren Einheiten werden vor allem von jungen Leuten und Singles bewohnt.

Genau wie Tim Grimme ist auch Reinhard Schwakenberg überzeugt: Eine Bauträgergesellschaft oder ein Investor, die oder der rein am Profit orientiert ist, hätte dieses Umwandlungsprojekt nicht angepackt. Doch auch wenn die Kosten bei solchen Projekten tendenziell höher sind als bei einem Neubau von der Stange: Eine Nische im Wohnungsmarkt kann durch solche Umwandlungen gut und noch dazu auf ökologisch und städtebaulich wertvolle Weise gefüllt werden.

 

Weitere Beiträge finden Sie auch gesammelt in unserem Schwerpunkt Wohnen.

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