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Katalogseite Richard Heike

Der Firmenkatalog zeigt das ganze Firmengelände hinter der Villa.

[ Fotostrecke ]

Villa Heike: von Fleischmaschinen über die Stasi zum Atelierhaus

Das ehemalige Fabrikantengebäude in Alt-Hohenschönhausen diente zwischenzeitlich als Gefängnis und Archiv. Es wurde entstellt und verfiel. Fünf kreative Nutzer haben die historischen Spuren nun wieder freigelegt und die denkmalgeschützte Bausubstanz behutsam erneuert

Von Lars Klaaßen

Das Haus hat eine wechselvolle Geschichte und ist auch architekturhistorisch interessant: 1910 ließ der Maschinenbaufabrikant Richard Heike sich mit seiner Fabrik für Fleischverarbeitungsmaschinen in Alt-Hohenschönhausen nieder, damals noch vor den Toren Berlins. Direkt daneben sollte ein Ausstellungs-, Büro- und Wohngebäude entstehen. Der Architekt R. Lotts entwarf ihm ein für diese Zeit äußerst modernes und multifunktionales Gebäude.

Avantgardistisch war nicht zuletzt die Stahlbetonskelettbauweise. Hochparterre und Souterrain dienten mit jeweils über 1.000 Quadratmetern als Ausstellungsfläche für Heikes Maschinen. Im ersten und zweiten Obergeschoss waren Büros untergebracht, im dritten Obergeschoss wohnte der Fabrikant. Den Zweiten Weltkrieg hat die Villa Heike weitgehend unbeschadet überstanden, doch alles wurde anders – die Eigentumsverhältnisse, die Nutzung und damit auch die Architektur des Hauses.

Die Russen kommen

1945 konfiszierte die sowjetische Administration die Immobilie. In den Wirren der Nachkriegszeit diente sie zunächst als Kommandantur des sowjetischen Geheimdienstes – samt Gefängniszellen im Souterrain. Anschließend wurde das Haus an die Stasi übergeben. Diese richtete in den 60er Jahren in der Villa und den rückwärtigen Fabrikhallen das Geheimarchiv für die NS-Akten ein. Nebenan befindet sich das Stasi-Gefängnis-Hohenschönhausen.

Das Archiv befand sich dort bis zur Auflösung im Jahr 1990. Nach kurzer Zwischennutzung folgten 20 Jahre Leerstand sowie der Abriss der Fabrikhallen. Der Ausstellungs- und Verwaltungsbau aber blieb erhalten, obwohl auch hierfür der Abriss beantragt worden war. Die Denkmalbehörde hatte jedoch den Wert des Hauses als einzigartiges Zeitzeugnis wechselvoller deutscher Geschichte erkannt und stellte es unter Schutz.

Minimale Eingriffe durch die fünf Kreativen

Die historisch wie architektonisch interessanten Facetten der Villa Heike erkannte auch Christof Schubert. Der Architekt entwickelte ein Nutzungskonzept als Atelier- und Bürohaus und suchte per Kleinanzeige im Internet nach Mitstreitern dafür. „Keine drei Monate später, nach zahllosen Führungen durch die verwahrlosten Etagen der Villa hatten sich fünf Interessenten (Anmerkung des Autors: Schubert und vier weitere) gefunden, die das seit über 20 Jahren leerstehende und akut vom Verfall bedrohte Objekt in ein Atelier- und Bürohaus verwandeln wollten“, erinnert Schubert sich. „Der Kaufvertrag für die Villa Heike wurde im Sommer 2015 unterschrieben.“

Die neuen Eigentümer und Bauherren sind fünf Privatpersonen aus dem Kreativ-Bereich, die das Gebäude selber nutzen. „Die Zusammenstellung der verschiedenen Nutzer machte es möglich, dass beim Umbau Eingriffe in die bauzeitliche Bausubstanz auf ein Minimum begrenzt werden konnten“, erläutert der Architekt. „Denn von der bauzeitlichen Bausubstanz war im Inneren der Villa Heike noch vieles hinter Sperrholzverschalungen, Lackschichten, Tapeten oder PVC-Belägen erhalten: Kastenfenster, Türen, Terrazzoböden, Steinputzoberflächen und Stuckdecken.“ Im Vestibül, im Hochparterre und im Souterrain war das Haus allerdings in der Nachkriegszeit stark umgebaut worden, um es als Stasi-Geheimarchiv zu sichern.

Spuren der Geschichte sichtbar machen

„Die Villa Heike, als architektonisches Einzeldenkmal geschützt, sollte als zeitgeschichtlicher Zeuge die Spuren ihrer wechselvollen Geschichte nach wie vor tragen“, sagt Schubert. „Daher sah das Sanierungskonzept vor, ganz bewusst auch Schäden, Veränderungen und Abnutzungsspuren sichtbar zu lassen.“ Ziel der Sanierung war die Annäherung an den bauzeitlichen Zustand, schloss aber immer wieder auch die Spuren späterer Zeiten bis in die nahe Gegenwart mit ein. Dort wo Eingriffe der Nachkriegszeit das Gebäude stark entstellen, wurde diese zurückgebaut.

Dies war besonders im Hochparterre am Schaufenster und im Vestibül bei der Wiederherstellung des Raumzusammenhangs und der Oberflächen notwendig. Ein Großteil der die Außenwirkung stark prägenden Kastenfenster konnte aufgearbeitet werden. Im Inneren wurde der Terrazzo- und der Magnesiaestrich aufgearbeitet, ebenso die Stuckdecken, Treppengeländer und Türen – soweit sie noch vorhanden waren. Der Fassadenputz wurde lediglich gesichert, Graffitis und eine Leuchte aus den 80er-Jahren blieben erhalten.

Vereinfachte Ausführung, zeitgenössische Architektursprache

Im stark überformten Vestibül entfernten die Bauherren alle späteren Einbauten. Sie legten die stark in Mitleidenschaft gezogenen Oberflächen frei. Fehlstellen wurden in vereinfachter Ausführung im gleichen Material ergänzt, die Farbgebung der Erschließungsbereiche nach restauratorischem Befund ausgeführt. Nicht mehr vorhandene, die Architektur prägende Elemente oder auch notwendige Ergänzungen wie das Eingangsportal, die Treppenbrüstung im Vestibül oder der Balkon im dritten Obergeschoss entwickelten die neuen Nutzer in zeitgenössischer Architektursprache aber in Anlehnung und in Respekt an das bauzeitliche Vorbild.

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