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... und eingebettet in neue Grünflächen sein.

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ICC Berlin mit spektakulärer Klimahülle

In Berlin reift eine Vision für die Sanierung und Nachnutzung des Kongresszentrums ICC heran, die im Bieterverfahren 2019 das Finale erreichte. Die Idee von Neuner & Boeving: Der Koloss soll mit einer Klimahülle überspannt und in einen neuen Grünzug über der Stadtautobahn eingebettet werden. Das DAB sprach mit Roland Böving über die Umsetzungschancen.

Von Christoph Gunßer

„Man darf das nicht als bloßen Modernisierungsfall ansehen“, sagt Roland Böving. Der Mann ist treibende Kraft einer Initiative, die das geschlossene Internationale Congress Centrum ICC an der Berliner Messe zum Mittelpunkt einer spektakulären Klimahülle machen will. Sie soll den 313 Meter langen „Panzerkreuzer“ energieautark machen und zugleich mit dem Stadtteil Charlottenburg durch einen Park über der Stadtautobahn zusammenführen.

Zurzeit wird intensiv über eine Umsetzung des neuen „grünen Tors nach Berlin“ verhandelt. „Wir haben starken Rückhalt in der Politik“, bestätigt Roland Böving. Auch die Architektin Ursulina Schüler-Witte, die das ICC mit ihrem Mann Ralf Schüler plante, und der Denkmalschutz unterstützen das Vorhaben mittlerweile. Seit September 2019 steht der spätmoderne, 1975 bis 1979 erbaute Koloss auf der Berliner Denkmalsliste.

ICC-„Ruine“ schlecht fürs Geschäft

Nun kommt es auf die Messegesellschaft an, die konkrete Vorgaben für den Umbau machen muss. Sie ist bislang Mieterin des landeseigenen Objektes. Seit der Schließung des ICC im Jahr 2014 trägt sie die jährlichen Unterhaltskosten von zwei Millionen Euro. Messe-Chef Christian Göke ließ verlauten, die ICC-„Ruine“ sei schlecht fürs Geschäft, und Berlin brauche die dort vergammelnde Kongressfläche dringend.

Hadi Teherani macht bei der ICC-Klimahülle mit

Roland Böving, der eigentlich Materialwissenschaftler ist, aber Erfahrungen im Projektmanagement hat, nahm 2019 mit der Architektin Christina Neuner am Interessenbekundungsverfahren zum ICC teil und ging als Finalist daraus hervor. Mittlerweile haben sich die Beiden mit dem in Großprojekten erfahreneren Hamburger Architekten Hadi Teherani zusammengetan. Ob eine Investorenlösung angestrebt wird oder ob das Land selbst die Regie übernimmt, ist derzeit noch offen, ebenso wie die Frage, ob noch ein Architekturwettbewerb ausgelobt wird. Für Böving steht jedenfalls fest: „Wir brauchen eine große, umfassende Lösung.“

Große Klimahülle aus ETFE-Membran kein Problem

Zum Klimahüllen-Projekt inspiriert hat ihn das Eden Project in Cornwall (Architekt: Nicholas Grimshaw, 2001), seinerzeit maßgeblich von deutschen Herstellern realisiert. Inzwischen würden bereits größere Klimahüllen aus ETFE-Membranen geplant, so dass eine Realisierung in diesem Maßstab kein Problem sei, so Böving. Ihm schwebt im Rahmen des „grünen Tors“ beispielsweise auf dem Dach des ICC ein Lehrpfad auf den Spuren Alexander von Humboldts vor. Das Parkhaus des Komplexes möchte er durch eine Erweiterung der Kongress-Kapazität ersetzen. Die Klimahülle könnte bis ins Messegelände hinein reichen.

Derzeit stehen bereits 200 Millionen Euro für eine Sanierung bereit. Allein 45 Millionen sollte eine Erneuerung der Klimatechnik kosten, deren gigantische Turbinen unter der Bodenplatte des ICC versteckt liegen – sie müsste dafür entfernt werden.

Natürlich belüften statt monströser Klimatechnik

Bövings Öko-Konzept strebt hingegen eine weitgehend natürliche Belüftung des Komplexes an. Das Gebäude könnte zur Klimahülle geöffnet werden und ließe sich auf diese Weise intelligent temperieren. „Die Transformation des ICC Berlin in ein klimaneutrales Gebäude ist heute technologisch lösbar und hat Vorbildcharakter. Alle Ressourcen, wie frische Luft, Strom, Wärme und Wasser kann ein solches transformiertes Gebäude weitgehend aus sich selbst generieren“, schreiben die Verfasser. Und die Klimahülle ermögliche nebenbei Europas größte Elektrotankstelle für über 300 Fahrzeuge. Charlottenburg gewinne durch den Biosphärenpark zudem an touristischer Attraktivität.

Senatsbeschluss zur Überdeckelung der Stadtautobahn

Gefragt, ob es im BER-geschädigten Berlin nicht Vorbehalte gegen ein neues Großprojekt gibt, kontert Roland Böving, dass es längst einen Senatsbeschluss zur Überdeckelung der Stadtautobahn im Bereich des ICC gebe, die eine Voraussetzung für sein Konzept ist (der Beschluss stammt allerdings aus den Nachwendejahren). Die Finanzierung der kolossalen Transformation könnte seiner Meinung nach wie beim Stadtschloss laufen, wo Sponsoren für die Fassade aufkommen.

Abriss oder Aufbruch in eine klügere Moderne?

„Wir finden das Gebäude großartig und erhaltenswert,“ betont Roland Böving. „Es stand in den Siebzigern für die Zukunft und kann dies wieder tun – wieder zum größten und innovativsten Kongresszentrum Europas werden.“

Die öffentliche Meinung ist da noch gespalten: Nicht wenige wollen den „Asbestpalast“ am liebsten abreißen. Seinerzeit als Pendant zum Palast der Republik errichtet, verdiene das ICC nichts Anderes. Die Gegend sei ein „postapokalyptischer Lebensraum für Autos“.

Abgesehen davon, dass ein Abriss bei dem Koloss sicher nicht leicht wäre und extrem viel „graue Energie“ verlorenginge – die filigrane Einhausung, in der die silberne Megastruktur wie ausgestellt würde, hätte gewiss großen Reiz. Sie wirkte wie der Aufbruch in eine neue, klügere Moderne.

Mehr Beiträge zum Thema finden Sie in unserem Schwerpunkt Nachhaltig

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