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Freie Vegetationsflächen, wie Sandlinsen, Lehmflächen oder Grobkiesbeete, werden von Kleinlebewesen gern als Versteck-, Brut- und Sonnenplätze genutzt.

[ Gründächer ]

Modellprojekt für Artenvielfalt

Auf dem Gründach des Besucherzentrums der IGA Berlin 2017 entstand ein Lebensraum für Flora und Fauna.

Text: Wolfgang Ansel

Dort, wo die Natur durch Baumaßnahmen zerstört und der Boden versiegelt wurde, können Dachbegrünungen Ersatzlebensräume für Flora und Fauna schaffen. Die Entwicklung der Artenvielfalt hängt dabei aber stark davon ab, wie die Lebensräume aufgebaut sind, die den Pflanzen und Tieren auf dem Dach angeboten werden. Durch verschiedene Gestaltungsmaßnahmen und die Berücksichtigung grundlegender Biodiversitätsprinzipien kann die Biotop-Funktion begrünter Dachflächen gezielt gefördert werden. Dieses Konzept wurde auf dem Dach des Besucherzentrums der Internationalen Gartenausstellung in Berlin (IGA Berlin 2017) jetzt erstmals umgesetzt. Gemeinsam mit dem Dachbegrünungsunternehmen fairplants-system GmbH, dem Gründach-Systemhersteller ZinCo GmbH und weiteren Kooperationspartnern wurden durch den Deutschen Dachgärtner Verband verschiedene Biodiversitätsmodule installiert, die auf der knapp 2.000 Quadratmeter großen Fläche Bienen, Schmetterlingen und Käfern Nahrung und Unterschlupf zu gewähren. Im Einzelnen wurden folgende Module installiert:

 

Modulation der Substratoberfläche beziehungsweise der Substrathöhe

Durch Variationen in der Substrathöhe entstehen unterschiedliche Lebensräume, die das Artenspektrum der Bepflanzung erweitern. Während für niedrigwüchsige, anspruchslose Sedumarten und andere Sukkulenten sechs bis acht Zentimeter Substrathöhe ausreichend sind, wurde auf einzelnen Anhügelungen der Wurzelraum für eine artenreiche Kräuter- und Gräservegetation auf zwölf bis 15 Zentimeter erhöht.

Verbesserung der Substratqualität

Neben der Substrathöhe spielt auch die Zusammensetzung der Gründach-Systemerden für die Pflanzenetablierung eine wichtige Rolle. Im Bereich der Substratanhügelungen wurden die nährstoffarmen und mineralischen Systemerden herkömmlicher Extensivbegrünungen mit einem organischen Substrat ergänzt, das als Humus- und Nährstofflieferant für die anspruchsvollere Kräuter- und Gräservegetation dient.

Vegetationsfreie Bereiche (Sandlinsen und Grobkiesbeete)

Vegetationsfreie Bereiche in Form von Sandlinsen, Lehmflächen und Grobkiesbeeten stellen wichtige Biotopbereicherungen dar und werden von Insekten und anderen Dachbewohnern als Versteck, Brut- und Sonnenplätze benutzt. Sandbeete sollen spezielle sandbrütende Insekten anlocken, wie Grabwespen oder Sandbienen. Grobkiesbeete bieten zum Beispiel für Spinnen und Käfer Unterschlupf.

Temporäre Wasserflächen

An einzelnen Stellen der Dachfläche wurden Folien eingearbeitet und mit Sand abgedeckt, um das Regenwasser über einen längeren Zeitraum auf dem Dach zurückzuhalten. Diese Bereiche sollen das Wasserangebot für Insekten und Vögel verbessern.

Pflanzenauswahl

Die abwechslungsreiche und vielfältige Bepflanzung mit mehr als 70 verschiedenen Arten ist das Kernstück des Biodiversitätsdaches. Während bei herkömmlichen extensiven Dachbegrünungen in der Regel nur eine geringe Anzahl von Mauerpfeffer-Arten zum Einsatz kommt, enthält der Bepflanzungsplan für das Gründach des Besucherzentrums auf den angehügelten Bereichen zusätzlich einen bunten Mix aus Kräutern und Gräsern. Dabei wurden gezielt Arten ausgewählt, die Bedeutung als Futterpflanzen für Insekten besitzen. Um die Entwicklung und die Dauerhaftigkeit unterschiedlicher Bepflanzungsarten zu testen, wurde neben vorkultivierten Flachballenstauden auf einzelnen Anhügelungen auch Saatgut ausgebracht.

Nisthilfen für Insekten

Zur dauerhaften Insekten-Ansiedlung werden auf dem Dach verschiedene Nisthilfen eingesetzt. Neben Insektenhotels für Wildbienen und Schlupfwespen kommen Hummelnistkästen und Unterschlupfmöglichkeiten für Florfliegen, Marienkäfer, Raubwanzen und weitere Nützlinge zum Einsatz.

Einbringung von Totholz

Abgestorbene Äste und Stämme stellen ein besonders wertvolles Strukturelement dar. Totholz wird unter anderem von Moosen, Flechten, Pilzen, Käfern, Fliegen, Mücken, Ameisen und solitären Wildbienen bzw. Wespen, als Lebensraum genutzt, weshalb der Begriff „Biotop-Holz“ treffender erscheint. Zusätzlich können Vögel die Totholzhaufen als Ansitzplätze, Singwarten und Nahrungsbiotope nutzen.

Die Entwicklung der Artenvielfalt auf dem Dach ist ein langfristiger Prozess, der im Wechselspiel mit der Umgebung stattfindet. Deshalb wurde ein abgestimmtes und kosteneffizientes Pflegekonzept entwickelt, das über die Laufzeit der IGA 2017 hinausreicht. Dadurch soll die Lebensraumfunktion des Gründaches für Pflanzen und Tiere gezielt gefördert und gleichzeitig der Schutz der Dachkonstruktion dauerhaft gewährleistet werden. Die Dokumentation der Pflanzenentwicklung und das wissenschaftliche Monitoring der Wirksamkeit der verschiedenen Biodiversitätsmodule erfolgen in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin (Institut für Ökologie, Nachwuchsgruppe RuralFutures, Dr. Ina Säumel, Elizabeth Ahner). Dem Deutschen Dachgärtner Verband dient das Biodiversitäts-Gründach in der Zukunft als Referenzprojekt, um bei neuen Gründach-Projekten für eine stärkere Berücksichtigung der Artenvielfalt zu werben. Bereits existierende, artenarme Extensivbegrünungen lassen sich durch den gezielten Einsatz der Module aber auch zu einem Biodiversitätsdach umrüsten.

Wolfgang Ansel ist Geschäftsführer des Deutschen Dachgärtner Verband e.V. (DDV) in Nürtingen

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