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Oberlicht mit Überdeckung

[ Dächer ]

Durchsturzsicherheit auf Flachdächern

Auch durchsturzsichere Dachelemente, wie Lichtkuppel, Lichtplatten und Lichtbänder, erfordern für dauerhafte Sicherheit zusätzliche bautechnische Maßnahmen.

Durchsturzsicheres Glas unterhalb einer Lichtkuppel

Text: Andreas Heiland

Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft BG BAUhat Anfang 2017 das neue Präventionsprogramm „Bau auf Sicherheit. Bau auf Dich.“ gestartet. Ziel ist eine deutliche Reduzierung der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten in der Bauwirtschaft. Das Programm setzt die Schwerpunkte zunächst dort, wo das Unfall- und Gesundheitsrisiko aufgrund langjähriger Analysen besonders hoch ist. Dazu gehören Absturzunfälle, die insbesondere aus großen Höhen, wie von Dächern, oftmals besonders tragisch enden. Maßnahmen gegen Absturz vom Dachrand sind meist bekannt. Auf Flachdächern wird jedoch oft die Sicherheit von Bauteilen gegen Durchsturz unterschätzt.

Infokasten_Massnahmen

Gebäude mit Flachdächern müssen aus vielfältigen Gründen betreten werden. Ob nun die Dachentwässerung oder Oberlichter gereinigt, ob die Dachbegrünungen gepflegt, ob Undichtigkeiten des Daches beseitigt, oder ob technische Anlagen auf dem Dach inspiziert, gewartet oder repariert werden sollen, immer müssen gewerkespezifische Fachkräfte das Dach betreten.

Infokasten_Regelwerke

Werden Flachdächer von Beschäftigten betreten, müssen die Arbeitsplätze und Verkehrswege auf dem Dach den Anforderungen des staatlichen Arbeitsschutzrechts und der Unfallverhütungsvorschriften des zuständigen Unfallversicherungsträgers entsprechen. Diese Anforderungen sind insbesondere in der Arbeitsstättenverordnung (Anhang 2.1 „Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen“) und der dazugehörigen Arbeitsstättenregel A2.1 sowie der UVV „Bauarbeiten“ aufgeführt.

Bei Arbeiten auf Flachdächern sind die Hauptgefahren Absturz über den Dachrand und Durchsturz durch nicht ausreichend tragfähige Bauteile. Schutzmaßnahmen gegen Absturz am Dachrand sind insbesondere:

  • Brüstung am Dachrand oder dauerhaft installierter Seitenschutz (Umwehrung) oder eine Kombination aus beiden,
  • dauerhaft installierte Einrichtungen für die Montage eines zum Gebäude gehörenden Seitenschutzes,
  • mobiler Seitenschutz (Flachdach-Seitenschutz),
  • persönliche Schutzausrüstung (PSA) gegen Absturz an beweglichen Anschlagpunkten (Schienen- oder Seilsystem),
  • PSA gegen Absturz an Einzelanschlagpunkten.

Da diese Schutzmaßnahmen meistens gut bekannt sind, soll hier die Durchsturzsicherheit von Bauteilen in Flachdächern betrachtet werden. Eine Durchsturzsicherheit ist oftmals bei lichtdurchlässigen Dachelementen nicht gewährleistet, zum Beispiel bei Lichtkuppeln, Lichtplatten, Lichtbändern und Flachdachfenstern. Bei lichtundurchlässigen Dachflächen sind Faserzementplatten kritisch, weil sie ohne zusätzliche Verstärkung i.d.R. nicht durchsturzsicher sind.

Gebrochene Faserzementplatte mit Armierung

Vorsicht bei Flachdach-Bauteilen Faserzementplatten

Heute werden in Faserzementplatten überwiegend Polypropylenbänder als Armierung eingebaut, die für eine Durchsturzsicherheit sorgen. Beim Begehen ohne lastverteilende Beläge oder bei einem Sturz können die Platten zwar brechen, aber die Kunststoffbänder verhindern ein Durchstürzen von Personen. Trotzdem gelten Faserzementplatten als „nicht begehbar“, weil sie erstens brechen können und weil zweitens die Oberfläche aufgrund der Wellenform eine Stolper- und Sturzgefahr darstellt.

Flachdächer werden häufig von Flachdachfenstern und Lichtkuppel durchbrochen.

Flachdachfenster

Technisch gibt es heute keinerlei Probleme, die Durchsturzsicherheit von Verglasungen zu gewährleisten. Das häufig eingesetzte Verbund-Sicherheitsglas (VSG) kann zwar beim Aufprall einer Person brechen, aber die Kunststofffolien zwischen den einzelnen Glasplatten halten. Allerdings gibt es zurzeit zum Prüfen von Glas auf seine Durchsturzsicherheit keine Basis, weil sich die neue Norm für Verglasungen immer noch im Entwurf (DIN 18008-6 Stand Februar 2015) befindet.

Lichtplatten und Lichtbänder aus Kunststoff

Oberlichter wie Lichtkuppeln, Lichtplatten oder Lichtbänder dienen der natürlichen Belichtung von Gebäuden und sind auf Flachdächern allgegenwärtig. Sie können auch zur Belüftung und Entrauchung eingesetzt werden. Die Größe von Lichtkuppeln beginnt bei ca. 0,60 x 0,60 m und endet bei ca. 3,00 x 3,00 m. Unter Lichtplatten werden flache Dachbauteile mit gewellten oder trapezförmigen Profilen verstanden. Lichtplatten können zu Lichtbändern aneinandergereiht werden. Unter Lichtbändern werden aber vor allem auch tonnen- oder satteldachförmig gewölbte lichtdurchlässige Konstruktionen verstanden, die es in Breiten bis zu ca. 6 m gibt. Diese Lichtbänder müssen der DIN EN 14963 entsprechen.

Das Hauptproblem von Lichtkuppeln, Lichtplatten und Lichtbändern besteht darin, dass die lichtdurchlässigen Flächen aus Kunststoff bestehen, zum Beispiel Acryl, Polycarbonat oder PVC. Der Kunststoff versprödet mit zunehmender Dauer der UV-Einstrahlung und durch andere, beispielsweise umweltbedingte oder nutzungsbedingte, schädliche Einflussfaktoren. Diese Oberlichter sind heute in der Regel nach der Herstellung zunächst durchsturzsicher. Während der Nutzungsdauer verändert sich jedoch der Kunststoff, so dass die Durchsturzsicherheit irgendwann mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr gegeben ist. Deshalb erhalten positiv getestete Oberlichter aus Kunststoff ohne zusätzliche bautechnische Maßnahmen nur das Prüfergebnis „durchsturzsicher 1 Jahr nach Einbau“. Man ist sich also sicher, dass die Versprödung bis zu einer Zeitspanne von einem Jahr noch nicht so weit vorangeschritten ist, dass Personen durchstürzen könnten. Dieses Wissen hilft aber dem Betreiber einer Immobilie mit Oberlichtern nicht, weil er sein Gebäude schließlich länger als ein Jahr nutzen möchte. Um hier Abhilfe zu schaffen, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, durch entsprechende bautechnische Maßnahmen Oberlichter dauerhaft durchsturzsicher herzustellen.

Bautechnische Maßnahmen

Durchsturzgitter und Verbund-Sicherheitsglas

Durchsturzgitter für Oberlichter als Sicherheit gegen Durchsturz gibt es in vielen verschiedenen Ausführungen. Sie sind der Klassiker bei den konstruktiven Maßnahmen, die von den Herstellern gegen Durchsturz angeboten werden. Durchsturzgitter sind auch nachträglich einbaubar und können in einer verstärkten Ausführung auch als Einbruchschutz dienen. Es gibt auch Lichtkuppeln, bei denen unterhalb der Kunststoffkuppel zusätzlich eine Verbund-Sicherheitsglasscheibe eingebaut ist. Diese kann ebenfalls in der Lage sein, einen tieferen Absturz zu verhindern. Aus Arbeitsschutzsicht sind Durchsturzgitter jedoch nachrangig zu anderen Ausführungen einzustufen, weil sie einen Durchsturz nicht verhindern, sondern nur auffangen. Beim „kontrollierten Durchsturz“ entsteht jedoch eine erhebliche Gefährdung durch Schnittverletzungen, weil die durch UV-Einstrahlung versprödeten Kunststoffschalen beim Brechen in scharfkantige Stücke zersplittern.

Überdeckungen und Seitenschutz

Zum Bauteil gehörende Überdeckungen bieten neben der Durchsturzsicherheit häufig auch einen Hagelschutz. Oberlichter mit Überdeckungen bieten tatsächlich eine Durchsturzsicherheit im Gegensatz zum Durchsturzgitter. Sie sind deshalb dem Einsatz von Durchsturzgittern vorzuziehen. Es gibt jedoch einen gewissen Nachteil bei solchen Elementen, die zu Wartungszwecken geöffnet werden müssen. In diesem Fall wird eine weitere Schutzmaßnahme erforderlich, wie zum Beispiel ein Anschlagpunkt für PSA gegen Absturz oder ein Durchsturzgitter. Es sind auch nachträgliche Überdeckungen von Oberlichtern möglich. Außerdem können Lichtkuppeln auch mit einem Seitenschutz gesichert werden.

Verstärkung der Konstruktion

Insbesondere bei Lichtbändern werden integrierte Durchsturzsysteme angeboten. Die Verstärkung der Konstruktion durch innen oder außen liegende Metallbänder ist einem auf das Lichtband abgeklappten Seitenschutz nachempfunden. Die Stegabstände dürfen jedoch nur max. 0,30 m betragen und die „abgeklappte Seitenschutzhöhe“ muss mindestens 1,20 m hoch sein. Aus Arbeitsschutzsicht ist eine solche Verstärkung der Konstruktion eine sehr gute Maßnahme gegen Durchsturz.

Verstärkung der Konstruktion durch Metallbänder

Fallstopp-Beschichtung

Es gibt einen Hersteller, der Beschichtungen als Schutz gegen Durchsturz für Lichtkuppeln anbietet. Die in vier Arbeitsgängen aufzutragende Beschichtung wirkt im ausgehärteten Zustand wie eine hochfeste Kunststofffolie. Auch wenn die Lichtkuppel bricht, verhindert die Beschichtung ein Durchstürzen von Personen. Der Hersteller gibt eine Gewährleistung von fünf Jahren, die auf zehn Jahre verlängert werden kann. Die „Fallstopp-Beschichtung“ ist insbesondere für Lichtkuppeln im Bestand interessant. Bei der Verarbeitung müssen die Vorgaben des Herstellers jedoch strikt eingehalten werden.

Anschlagpunkte für PSA gegen Absturz

Neben technischen Schutzmaßnahmen können Abstürze auch durch Anseilschutz verhindert werden. In der Hierarchie der Schutzmaßnahmen rangiert Anseilschutz allerdings noch hinter den Durchsturzgittern. Beim Anseilschutz liegt das Problem meistens in der praktischen Umsetzung: Sind alle betroffenen Personen während der gesamten Einsatzdauer angeseilt? Sind alle Auffanggurte und Verbindungsmittel geeignet und geprüft? Ist gewährleistet, dass abgestürzte und im Seil hängende Personen kurzfristig gerettet werden können, um ein Hängetrauma zu verhindern? Ist sichergestellt, dass Verbindungsmittel nicht an scharfen Kanten zerschnitten werden können? Werden Festpunkte auf einem Flachdach installiert, handelt es sich überwiegend um vorkonfektionierte Anschlageinrichtungen. In diesen Fällen sind für den Nachweis der bauwerksseitigen Lastableitung die Angaben der Montageanleitung des Herstellers bzw. der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung zu berücksichtigen. Sollen bauliche Einrichtungen wie zum Beispiel Geländer als Anschlagpunkte genutzt werden, ist für deren Nachweis eine charakteristische Last von mindestens 6 kN für eine Person anzusetzen. Dabei ist ein Teilsicherheitsbeiwert von 1,5 für die Weiterleitung der Last ins Bauwerk zu berücksichtigen.

Ein horizontales Seilsicherungssystem lässt sich auf stark bebauten Dachlandschaften flexibel installieren und ist auf verschiedenen Dachtypen einsetzbar.

Prüfgrundsätze

Seit Februar 2015 gibt es einen neuen Prüfgrundsatz für das Prüfen von Bauteilen auf ihre Durchsturzsicherheit (GSBAU-18). Dieser bezieht sich auf Bauteile, die bestimmungsgemäß nicht betreten werden, die sich jedoch in der Nähe von Arbeitsplätzen oder Verkehrswegen befinden, und auf die deshalb eine einzelne Person stürzen kann. Bauteile aus Glas sind vom Anwendungsbereich der GS-BAU-18 ausgenommen. Wie bereits erwähnt, erhalten positiv getestete Lichtkuppeln, Lichtplatten oder Lichtbänder nur ein eingeschränktes Prüfergebnis „Durchsturzsicher 1 Jahr nach Einbau“. Ausgenommen von dieser zeitlichen Einschränkung sind jedoch solche Produkte, die durch zusätzliche Maßnahmen die Durchsturzsicherheit dauerhaft gewährleisten können. Prüfungen nach GS-BAU-18 werden auch von der DGUV Test, Prüf- und Zertifizierungsstelle, Fachbereich Bauwesen durchgeführt. Der Prüfgrundsatz GS-BAU-18 kann bezogen werden über pr-dguv-test@bgbau.de. Neben der Prüfung von Bauteilen auf Durchsturzsicherheit werden auch wieder temporäre Seitenschutzsysteme geprüft und zertifiziert.

Dipl.-Ing. Andreas Heiland, BG BAU – Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Fachabteilung Prävention


Beitrag aus „BauPortal 4/2017

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