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[ Solar-Energie ]

Sonnige Aussichten

Die Solarförderung hat ihre größte Zeit hinter sich - auch das Bauen mit Photovoltaik? Quantitativ vielleicht. Doch qualitativ ist das Thema noch längst nicht ausgereizt. Auisgewählte Projekte zeigen die Entwicklung.

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PV sakral: Photovoltaik-Zellen erzeugen im Inneren des Lausanner Kongresszentrums eine kirchenähnliche Stimmung.

Text: Frank Maier-Solgk

Beim neuen Kongresszentrum der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) haben die Architekten Richter Dahl Rocha et Associés ­architectes SA großflächig transluzente Photovoltaik-Zellen („Grätzel-Zellen“) eingesetzt. Sie erzeugen im Innenraum eine lichte und farblich dezent abgestimmte Atmosphäre, die von der sakralen Stimmung eines Kirchen­raumes mit seinen farbigen Fenstern nicht mehr weit entfernt ist. Die von Catherine Bolle gestalteten Glaslamellen stellen eine künstlerische Weiterentwicklung der transparenten Sonnenkollektoren dar. „Der rot-grüne Farbakkord der Solarpaneele … beseelt den wohl eindrücklichsten Innenraum, der in den vergangenen Jahren in der Schweiz entstanden ist“, schwärmte die Neue Zürcher Zeitung über das neue Aushängeschild der Stadt.

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Den Bau entwarfen die Architekten Richter Dahl Rocha. Die Glaslamellen gestaltete die Künstlerin Catherine Bolle.

Architektonisch ambitioniertes Bauen mit Nutzung von Solarenergie ist nicht neu. Schon 1999 entstand in Herne mit der Fortbildungsakademie des NRW-Innenministeriums auf der ehemaligen Zeche Mont Cenis ein Vorzeigeprojekt: Eine riesige Glashülle umschließt mehrere einzelne Baukörper und arbeitet wie ein Solarkraftwerk. Dort wie in den meisten Projekten der folgenden ­Jahre blieben die entscheidenden Paneele jedoch als „Auf-Dach-Anlagen“ unsichtbar und wurden mit anderen Techniken und Materialien zum Energiesparen kombiniert.

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PV fast unsichtbar: Die Photovoltaik-Anlage auf dem Fabrikdach von Peter Backwaren in Essen ist von außen nur erahnbar.

Dies gilt auch für die Produktionshalle des Essener Backwarenherstellers Peter Backwaren. Sie wurde 2013 nach Plänen von RMA Reichardt – Maas – Assoziierte Architekten als recycelbarer, vorgefertigter Holzskelettbau gefertigt. Ein abgerundeter Treppenhauskörper aus Glas im Frontbereich und die gewellte, weit vorkragende Holzdachkonstruktion setzen nach außen die Akzente. Im Inneren erzeugt eine helle Produktionshalle mit viel Tageslicht eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Auch die technischen Installationen werden hier bewusst offen im Raum geführt; eine hoch gedämmte, hölzerne Dach- und Wandkonstruktion sorgt dafür, dass die Prozessabwärme für die Raumkonditionierung ausreicht. Die Stromerzeugung leistet auf dem 1.120 Quadratmeter großen Dach eine PV-Anlage (167,6 kWp).

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An dem Projekt von RMA Reichardt – Maas – Assoziierte dominiert optisch die Holzhülle.

Strom wird direkt in den Fertigungsprozess des energieintensiven Betriebs eingespeist. Nicht alle Ambitionen der Bauherren ließen sich bislang realisieren: So gelingt es noch nicht, mit der gewonnenen Energie auch die firmeneigene Fahrzeugflotte zu „betanken“, die rund 50 Bäckereien beliefert. Firmeninhaber Klaus Peter: „Leider kann uns die Industrie noch keine elektronischen Fünf-Tonnen-Laster zur Verfügung stellen. Mehr als Prototypen gibt es bislang nicht.“

Eine ganz andere Wirkung als das Essener Gewerbeprojekt besitzt das Projekt Powerhouse Kjørbo in der Nähe von Oslo, das 2014 eröffnet wurde. Hier hatte das norwegische Büro Snøhetta in einer Arbeitsgemeinschaft mehrerer Partner die Gestaltung übernommen und zwei bestehende Bürobauten aus den 1980er-Jahren in Plus-energiehäuser umgewandelt, bei denen Photovoltaik-Paneele auf dem Dach und Erdwärme zusammen mit einem Lüftungs- und Fassadenkonzept für den gewünschten Energiestandard sorgten (250.000 kWh). Die Fassaden jedoch hatte man in Anlehnung an die vormals dunkle Glas-Alu-Fassade mit verkohltem Holz verkleidet und als Vorsatzschale unterhalb der Fensterbänder angebracht.

PV-Paneele bestimmen das Bild

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PV dominant: Die Fassade des Energieeffizienz-Zentrums der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach gestalteten kadawittfeldarchitektur mit blau schimmernden Photovoltaik-Modulen.

Einen Schritt weiter – nämlich in die Vertikale – gingen die Architekten in Mönchengladbach beim neuen Energieeffizienz-Zentrum auf dem Campus der Hochschule Niederrhein, entworfen von kadawittfeldarchitektur aus Aachen. Hier sind Photovoltaik-Paneele das entscheidende, das äußere Erscheinungsbild ästhetisch bestimmende Element: Die Fassade des auf fünfeckigem Grundriss errichteten Baus besteht aus blau schimmernden, vertikal gefalteten Photovoltaik-Modulen, die gegeneinander geneigt sind, sich in ihrer Winkelstellung an der Himmelsrichtung beziehungsweise dem Sonneneinfall orientieren und derart ein belebendes, fast skulpturales Muster bilden. Die Gebäudehülle werde so gleichermaßen zum maßgeblichen Teil des Energiekonzeptes wie zum Ausdrucksmittel, ein „identitätsstiftender Energiegenerator“, so die Architekten, die 2013 im Wettbewerb den 1. Preis gewonnen hatten. Die Nutzung des Baus, der als Kooperationsprojekt der Hochschule mit dem Energie- und Wasserversorger NEW geplant wurde, der Faktor Nachhaltigkeit und das Erscheinungsbild konvergieren.

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Die erste Kindertagesstätte in Deutschland, die den Standard „Effizienzhaus Plus“ erfüllt, steht seit 2014 in Marburg. Die Leistung der E+ Kita Marburg von opus Architekten aus Darmstadt wird durch Solarmodule aus schwarzem Verbundsicherheitsglas (monokristalline Siliziumzellen) erreicht, die den äußeren Eindruck eines zweistöckigen, in den Abhang eines Parkgeländes eingefügten Baukörpers bestimmen. Sie wurden sowohl auf dem gefalteten Dach als auch in die ebenfalls gefaltete Fassade integriert. Das ermöglicht nicht nur eine maximale Nutzung der Solarfassade, sondern verleiht dem Bau insgesamt die Wirkung eines scharfkantigen Kristalls mit hohem Wiedererkennungswert. Die Anmutung ist zwar technisch geprägt, doch verleihen die sich in der Fassade spiegelnden Bäume dieser Kita im Park auch poetische Züge.

Eine überzeugende ästhetische Wirkung entfaltet auch der revitalisierte Industriebau des Rhein-Kai-Speichers 7 im Mannheimer Hafen, der kürzlich den ersten Platz beim Umweltpreis der Stadt Mannheim erhielt. Verantwortlich für die energetische Sanierung, die den industriellen Charakter des Baus zu bewahren vermochte, war das örtliche Architekturbüro Schmucker und Partner. Der ehemalige Notgetreidespeicher, der heute unter anderem als Hotel dient, erhielt eine fassadenintegrierte Photovoltaik-Anlage, die die Wärmepumpe versorgt, die wiederum die Heiz-/Kühldecken, -wände und -böden temperiert. Das Wasser hierfür wird zwei Brunnen entnommen und über das ehemalige Pegelbauwerk wieder in den Rhein eingeleitet. Im Ergebnis produziert der Bau mehr Energie als er benötigt. Umgeben von Cortenstahl, überzeugt die Fassade in ihrer Verbindung von Hightech und Industriegeschichte.

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PV großflächig: Der revitalisierte Rhein-Kai-Speicher 7 in Mannheim erhielt vom örtlichen Büro Schmucker und Partner eine ausgedehnte Photovoltaik-Anlage. Der Bau produziert mehr Energie als er benötigt.

Forschungs- und Bildungseinrichtungen, spektakuläre Bestandserneuerungen: Die neue solare Fassadenwelt beschränkt sich auf den ersten Blick auf herausgehobene öffentliche Projekte, bei denen öko­logische Nachhaltigkeit auch Teil der Firmenidentität ist. Der neueste Versuch aber betrifft eine ganz andere, aktuelle Nutzungsperspektive, die die soziale Seite betont. Um die aktuelle Nachfrage nach preisgünstigem und schnell verfügbarem Wohnungen zu befriedigen, die zugleich das Prinzip Nachhaltigkeit nicht aufgeben, gibt es inzwischen entsprechende Spezialangebote.


Rolf Disch SolarArchitektur aus Freiburg bietet neuerdings im Werk vorgefertigte, flexibel einsetzbare Wohnmodule, die auf Bau- und Bauvorrats- oder anderen verfügbaren Flächen – auch als Zwischennutzung – Verwendung finden können und laut Hersteller keine Ghetto-Containeratmosphäre erzeugen. Das Grundmodul mit Schlaf- und Abstellgalerie bietet rund 24 Quadratmeter Wohnfläche für bis zu vier Personen. Die Module sind in Plusenergie-Bauweise aus Massivholz gefertigt und versorgen sich selbst durch die Nutzung passiver und aktiver Solarenergie. Sie erzielen einen jährlichen Solarstromüberschuss und übertreffen bereits jetzt den EU-Standard 2021. Auch dieses Projekt zeigt: Die Bandbreite von Funktionen und Gestaltungsmöglichkeiten im solaren Bauen ist noch nicht ausgereizt.

Frank Maier-Solgk ist Publizist zu Architektur- und Kulturthemen in Düsseldorf

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