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[ Recht ]

Nagelstudios, Fitness-­Studios und mehr

Text: Hubertus Schulte Beerbühl

Nagelstudios sind nicht freiberuflich

Ist der Betrieb eines Nagelstudios, in dem Fingernägel kosmetisch modifiziert und unter Umständen auch behandelt werden, ein „freier Beruf“ im Sinne von § 13 BauNVO? Dann wäre diese Ausübung in allen Baugebieten, also auch im reinen Wohngebiet wie in dem entschiedenen Fall, zulässig. Der Bayerische VGH hat das verneint (Beschluss vom 29.5.2015, Az: 9 ZB 14.2580). Kennzeichnend für freie Berufe ist, dass die betreffende Person persönliche Dienstleistungen erbringt, die vorwiegend auf individuellen geistigen Leistungen oder sonstigen persönlichen Fähigkeiten beruhen und in der Regel in unabhängiger Stellung einem unbegrenzten Personenkreis angeboten werden. Dabei kann zur Orientierung auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz zurückgegriffen werden.

Im Nagelstudio stehe dagegen die Abgeltung handwerklicher Tätigkeit im Vordergrund. Es handle sich auch nicht um eine gewerbliche Tätigkeit, die in einer der ­Berufsausübung freiberuflich Tätiger ähnlichen Art ausgeübt werde. Der Gesetzgeber verstand darunter Handelsvertreter ohne Auslieferungslager, Handelsmakler, Versicherungsvertreter oder Masseure. Zudem hatte die Klägerin kein Mindestmaß an individueller Qualifikation dargelegt, wie sie für freie Berufe typisch sei. Es bedürfe dafür eines gewissen, nicht allgemeingültig definierbaren Standards an individueller – namentlich geistiger oder schöpferischer – Qualifikation der Tätigkeit, um den Anwendungsbereich des § 13 BauNVO zu eröffnen. Das sei bei einer Ausbildung mit einer Dauer von nur wenigen Tagen nicht erfüllt.

Keine Fitness am Chemiewerk

Ein Fitnesscenter sollte neben einer Fabrik betrieben werden, in der giftige und umweltgefährdende Stoffe, darunter Blausäure, verwandt werden, und der deshalb als Störfallbetrieb im Sinne der Zwölften Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetztes gilt. Bei dem Fitnesscenter mit rund 1.000 geplanten Benutzern handelte es sich nach Einschätzung des Gerichts um ein öffentlich genutztes Gebäude im Sinne des Gesetzes und der Seveso-II-Richtlinie.

Nach § 50 Satz 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen so weit wie möglich vermieden werden – ebenso Auswirkungen von Unfällen auf „öffentlich genutzte Gebäude“. Dieser Begriff ist Art. 12 Abs. 1 der Seveso-II-Richtlinie entnommen. Dieser Paragraf will eine Gefährdung der Bevölkerung minimieren und verlangt deshalb, dass langfristig ein angemessener Abstand gewahrt bleibt zwischen den unter diese Richtlinie fallenden Betrieben einerseits und – unter anderem – Wohngebieten und öffentlich genutzten Gebieten andererseits. Unter Auswertung auch des Wortlauts der englischen Fassung der Richtlinie („buildings and areas of public use“) und der französischen Fassung („les immeubles et zones fréquentés par le public“) sowie unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck von Art. 12 Abs. 1 Seveso-II-Richtlinie kam der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu dem Ergebnis (Beschluss vom 29.4.2015, Az: 3 S 2101/14), dass ein weites Verständnis des Begriffs „öffentlich genutztes Gebäude“ angezeigt sei.

Entscheidungsschwäche hebt ­Veränderungssperre auf

Eine Veränderungssperre nach § 17 BauGB kann nur ein zweites Mal verlängert werden, wenn besondere Umstände es erfordern. Solche liegen vor, wenn ein Planverfahren durch eine Ungewöhnlichkeit gekennzeichnet wird, die sich vom allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit wesentlich abhebt. Dabei kann es sich um Besonderheiten des Umfangs, des Schwierigkeitsgrads oder des Ablaufs des Planungsverfahrens handeln. Notwendig ist ein ursächlicher Zusammenhang, das heißt, die Ungewöhnlichkeit des Falls muss ursächlich für den Zeitablauf sein und die Gemeinde darf diese Ungewöhnlichkeiten nicht zu vertreten haben.

Der Gesetzgeber sieht für eine Veränderungssperre ohne besondere Umstände eine Frist von drei Jahren vor. Da grundsätzlich eine Gemeinde in dieser Frist ihre Planungstätigkeit abschließen kann, muss die Gemeinde darlegen, dass objektive Gründe aus ihrer Sphäre das im Einzelfall verhindert haben. Das heißt, es muss erkennbar sein, dass die Gemeinde sich bemüht hat, innerhalb der Frist mit der Planung fertig zu werden, und diese erkennbar vorangetrieben hat, insbesondere nicht aufgrund ihrer eigenen „Entscheidungsschwäche“ die Fertigstellung der Planung vor sich hergeschoben hat.

In dem vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Urteil vom 12.5.2015, Az: 1 LB 131/14) entschiedenen Fall hatte die Gemeinde ihre Gründe für die zweite Verlängerung der Veränderungssperre in einer Ratsvorlage niedergelegt. Danach gestalten sich die Planungsüberlegungen schwierig, weil sie aufgrund der breiten öffentlichen und politischen Diskussion vielfach überprüft werden mussten. Weiterhin sei die hier zu lösende Verflechtung zwischen Planungsrecht und Atomrecht schwierig und man habe beschlossen, ein Gutachten einzuholen, das in die Planung eingearbeitet worden sei. Die in der Ratsvorlage genannten Gründe waren nach Ansicht des Gerichts nicht geeignet, überzeugend darzustellen, dass die geforderten besonderen Umstände vorliegen. Eine breite öffentliche und politische Diskussion dieser Planung allein sei nicht geeignet, einen besonders langwierigen Planungsprozess zu rechtfertigen. Eine dadurch bedingte Verlängerung der Planungsphase deute vielmehr auf eine Entscheidungsschwäche der Verwaltung hin.

Die mit allen Gruppen zu führenden Gespräche zeigten nicht einen objektiven Schwierigkeitsgrad der Planung, sondern offenbarten, dass verschiedene Gruppen Ziele verfolgten, die die Beklagte zu Beginn der Planungsphase als rechtlich nicht realisierbar eingestuft hatte. Wenn die Beklagte die „Hartnäckigkeit“ der politischen Forderungen zunächst unterschätzt habe, stelle das nicht eine Schwierigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 BauGB dar. Ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit, die Beobachtung und Kommentierung durch die Medien und die „Androhung“ gerichtlicher Überprüfungen des Bebauungsplans mögen die Verwaltung besonders belastet und herausgefordert haben, seien aber weder jeweils für sich noch in ihrer Zusammenschau geeignet, über den vom Gesetz als angemessen zugrunde gelegten Zeitraum von drei Jahren hinaus einen „Mehrbedarf“ an Planungszeit zu begründen.

Fenster im Nachbarhaus zumauern

Ein Bauvorhaben darf Fenster in dem Nachbargebäude verschließen, auch wenn diese „seit unvordenklicher Zeit“ in der auf die Grenze gebauten Außenwand vorhanden sind. Das entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Fall (Beschluss vom 24.4.2015, Az: 9 ZB 12.1318), in dem ein Bauherr durch ein grenzständiges Gebäude die vorhandene, 4,40 Meter breite Lücke zwischen seinem Wohnhaus und dem Nachbargebäude verschließen wollte, wogegen der Nachbar sich wehrte. Da ein Bebauungsplan nicht existierte und faktische geschlossene Bauweise vorhanden war, kam als Abwehrrecht lediglich in Frage, dass das Vorhaben gegen das in dem Einfügungsgebot nach § 34 BauGB enthaltene Rücksichtnahme-Gebot verstieß. Trotz der unverkennbaren Verschlechterung der baulichen Situation für den Nachbarn sei die Zumutbarkeitsschwelle für diesen nicht überschritten, entschied das Gericht. Denn die insgesamt drei Fenster, die verschlossen würden, belichteten lediglich das Treppenhaus, und das könne auf andere Weise kompensiert werden. Vertrauensschutz oder Bestandsschutz könne der Nachbar nicht für sich beanspruchen. Denn der Bestandsschutz beziehe sich nur auf die bestehende bauliche Anlage; er hindere nicht die Bebauung des Nachbargrundstücks, auch wenn diese für ihn nachteilig sei. Dies gelte zumal dann, wenn der Bauherr in Ausübung der planungsrechtlichen Vorschriften ebenso wie der Kläger auf die Grenze baue.

Im Außenbereich wohnen – ­Agrar-Emissionen hinnehmen

Welche landwirtschaftlich bedingten, von einem fremden Betrieb ausgehenden Geruchsimmissionen müssen im Außenbereich hingenommen werden, wenn die eigene Landwirtschaft schon vor einiger Zeit aufgegeben wurde und nun nur noch „allgemein“, das heißt nicht mehr privilegiert, gewohnt wird? Noch tätige landwirtschaftliche Betriebe und ihnen zugeordnete Wohnnutzungen müssen nach der Rechtsprechung, abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere der eigenen Emissionssituation, Immissionsrichtwerte von 50 Prozent der Jahresstunden nach der Geruchsimmissionsrichtlinie und möglicherweise auch darüber hinaus hinnehmen. Aber auch wenn die Landwirtschaft aufgegeben wurde und ein Übergang vom privilegierten zum allgemeinen Wohnen erfolgt ist, besteht eine nachwirkende Pflicht zur besonderen Rücksichtnahme. Das hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden (Urteil vom 26.11.2014, Az: 1 LB 164/13). Eine feste zeitliche Grenze gilt dafür nicht, der Umfang hängt vielmehr von der weiteren Entwicklung der näheren Umgebung ab und kann viele Jahrzehnte andauern. Es besteht aber ein Schutzanspruch, wenn allgemeine Wohnnutzung oder eine sonstige schutzbedürftige Nutzung in der näheren Umgebung so viel Gewicht erlangt hat, dass eine maßgebliche Prägung durch die Landwirtschaft nicht mehr festzustellen ist.

Dr. Hubertus Schulte Beerbühl ist Richter am Verwaltungsgericht Münster.

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