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Foto: Christian Hacker

[ Geschmack ]

Mahlzeit zeitgemäß

Immer mehr Unternehmen wollen ihre Kantinen runderneuern. Dank Architekten mit speziellem Fachwissen entstehen aus den veralteten Speisesälen wahre Geschmackstempel

Text: Nils Hille

Stellen Sie sich mal schön hinten an! Egal ob man eigentlich nur einen fertigen Salat aus der Kühltheke wollte oder nach dem Essen noch schnell einen Kaffee zum Mitnehmen, in deutschen Kantinen herrschte jahrzehntelang immer ein System vor: ab in die Schlange und brav warten, bis jeder auf dem einen, vorgegebenen Weg mit seinem Plastiktablett bis zur Kasse gelangt ist. Geduld und Genügsamkeit waren die wichtigsten Werte beim allmittäglichen Anstellen wie die Lemminge in einer Reihe. Und um Gestaltung ging es gerade in den Ausgabebereichen schon mal gar nicht. Oft war dafür bei all den Geräten und Theken auch kaum Platz.

Doch seit ein paar Jahren ändert sich das Bild – nicht zuletzt dank Planern wie dem Innenarchitekten Klaus Dotzauer aus Oberhausen. Zunächst gestalteten er und seine Kollegin, Innenarchitektin Erika Lackmann, in dem von ihm 1997 gegründeten Büro fünfzehn neue Gasträume für die Fast-Food-Kette McDonald’s. Das brachte ihnen erste nützliche Erfahrungen in der Gastronomie. Sie lernten unzählige Details, zum Beispiel, wie breit ein Gang zwischen zwei Tischen sein muss und wie sie ein Maximum an Sitzplätzen auf engem Raum unterbringen. Durch diese Arbeit erhielt Dotzauer Anfragen von Unternehmen für ihre Kantinen. Sie alle nennen sie seit dem Umbau stolz Betriebsrestaurant oder gar Kasino, erzählt er. „Früher ging es nur um die schnelle Verköstigung der Angestellten. Heute gilt das Betriebsrestaurant als ein Spiegel der Unternehmenskultur nach innen und außen.“ Die Verpflegung soll möglichst gesund und leicht sein. Die Mitarbeiter sollen sich wohl und wertgeschätzt fühlen. Und die Räume sollen funktional bleiben, aber deutlich gemütlicher werden: In den Kantinen von heute finden Besprechungen statt, Gäste und Geschäftspartner werden hierhin eingeladen und abends werden auch mal Mitarbeiter- oder Kundenevents veranstaltet.

Foto: Christian Hacker
Richtig edel und riesengroß: Das Betriebsrestaurant der Firma Rohde & Schwarz von Landau+Kindelbacher Architekten bietet mit dem Außenbereich 770 Plätze (Foto: Christian Hacker)

Zu dem Abriss von überholten Verkleidungen und Vertäfelungen kommt oft das Aufbrechen alter Gewohnheiten. So hat das Innenarchitekturbüro zum Beispiel beim Stahlkonzern Thyssen Krupp in Krefeld zwei Gasträume vorgefunden: In dem einen aßen die Verwaltungsangestellten, in dem anderen die Arbeiter. Seit dem Umbau gibt es nur noch ein großes Betriebsrestaurant für alle. „Auch das ist ein Aspekt der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern, die sich dadurch mit ihrem Unternehmen mehr identifizieren sollen“, sagt Dotzauer. Eine zeitgemäße Kantine kann noch mehr bewirken, wie die Zahlen der Unternehmen belegen, die eine solche Investition getätigt haben: In den von Dotzauer umgebauten Betriebsrestaurants stieg laut Angaben des Büros die Anzahl der mittagessenden Mitarbeiter durchschnittlich um 50 Prozent.

Um diesen Wert zu erreichen, müssen die Planer alles bisher Dagewesene auf den Prüfstand stellen. Dabei spielt ihnen in die Hände, dass eine moderne Betriebsküche heute nur noch rund halb so viel Platz benötigt wie vor 20 Jahren. Die technischen Geräte sind kleiner und effektiver geworden, viele Speisen werden als sogenanntes Convenience-Food bestellt, sprich: Sie müssen nur noch erwärmt werden. Und selbst frische Gerichte wie Salate werden schon gewaschen und geschnitten von den Lieferanten bis an die Küche geliefert. „Da kann sich der Betreiber die Salatwasch- und Salatschneidemaschinen für zusammen rund 10.000 Euro sparen – und den Platz dafür auch“, erklärt Dotzauer, der mittlerweile genau weiß, was eine moderne Küche braucht und was nicht. Trotzdem setzt er auf die Zusammenarbeit mit Fachplanern sowie Veterinären von der Lebensmittelaufsicht, damit auch alle Richtlinien eingehalten werden und sie später nicht umständlich und kostenintensiv nachbessern müssen. Den Raum, den die Innen­architekten schließlich in der Küche einsparen können, nutzen sie für die Einrichtung sogenannter Free-Flow-Bereiche. Statt an einer langen Theke anzustehen, können sich die Gäste mit ihren Tabletts dann frei nach individuellen Essens- und Getränkewünschen zu verschiedenen Stationen bewegen. So verteilen sich die Mitarbeiter selbst beim Ansturm zu Stoßzeiten relativ gut auf der Fläche.

Separates Café für Kaffeefreunde

Und wer schneller an seine Speisen kommt, hat nach dem Essen noch Zeit für einen Kaffee mit den Kollegen – oder einen Latte macchiato, Cappuccino, Espresso. Denn gut die Hälfte der verkauften Heißgetränke in Betriebsrestaurants sind laut Dotzauer mittlerweile solche Kaffeespezialitäten – und das, obwohl sie gut doppelt so viel kosten wie das Standard-Tässchen. Solche Genusstrends überträgt das Büro auch auf die Raumgestaltung. So planen die Innenarchitekten mittlerweile häufig einen separaten Cafébereich mit ein, berichtet Dotzauer: „Um diesen vom klassischen Mittagsgeschäft abzugrenzen, wählen wir hier gezielt eine andersfarbige Gestaltung und variieren in der Möblierung. Das lädt zum Verweilen ein.“

„Und zur Kommunikation“, ergänzt Architekt Gerhard Landau, geschäftsführender Gesellschafter bei Landau+Kindelbacher Architekten in München. „Denn heute steckt das größte Potenzial eines erfolgreichen Unternehmens immer in der Kommunikation der Mitarbeiter untereinander – und die soll auch in den Betriebsrestaurants gefördert werden.“ Dazu passe ideal ein angrenzendes Café, das auch außerhalb der Restaurantöffnungszeiten die Angestellten mit Heißgetränken und kleinen Snacks versorgt – und zum „informellen Chat“ einlädt, wie Landau es nennt. Bei dem neusten Projekt seines Büros in diesem Bereich, dem Bau des Mitarbeiterrestaurants für den Elektronikkonzern Rohde & Schwarz auf dessen firmeneigenem Campus in München, gehörte eine solche Einrichtung wie selbstverständlich dazu. Auch sonst ist der edle Betriebsrestaurantbau im Tiefgeschoss eines Neubaus sehr auf die Wünsche und das Wohlfühlen der Angestellten ausgelegt. Den von Landau gewählten Materialien sieht man nicht an, dass sie extrem belastbar und die Oberflächen besonders gut zu reinigen sind. Eigentlich macht nur die extreme Raumgröße deutlich, dass es sich hier nicht um ein klassisches Restaurant handelt. Für die 710 Innen- und 60 Außensitzplätze haben die Planer verschiedene Bereiche geschaffen. Nun gibt es die klassischen Sitzmöglichkeiten an rechteckigen Tischen, aber auch an kleinen, runden Bistrotischen sowie an Hochvarianten mit Barhockern. Und zwei sogenannte Oktoberfest-Boxen, optisch klar abgrenzbare Bereiche, können die Mitarbeiter auch in größeren Gruppen zum gemeinsamen Essen sowie für kleinere Veranstaltungen nutzen. „Diese Zonierung ist entscheidend. Wir haben zwar inhaltlich eine Großkantine installiert. Die Besucher nehmen sie als solche aber gar nicht wahr“, sagt Landau.

Um diesen Effekt zu erzielen, sind vor allem Schallschutz und Beleuchtung entscheidend. Die großzügige Raumhöhe von drei bis vier Metern unterstützen die Planer gestalterisch, indem sie eine weiße Akustikdecke wählten. Ebenfalls ganz hell gehalten sind die Raumteiler mit großen Aussparungen, die in der Form an Felssteine erinnern. Diese haben die Münchner immer mal wieder zwischen den Tischen platziert – und damit gut die Bergpanoramen ergänzt, die sich teilweise an den Wänden als Motiv zeigen. Bei der Beleuchtung geht es ebenfalls hell und freundlich zu, beschreibt Landau: „Mit den in die Decke integrierten Spots und dekorativen Leuchten haben wir ein warmes, brillantes Licht auf die Tische gebracht. Es spiegelt sich in Gläsern und Bestecken wider.“

Eine Aussage, die man vor ein paar Jahren wohl selten mit einem Betriebsrestaurant in Verbindung gebracht hätte. Doch heute gibt es immer höhere Ansprüche und immer speziellere Angebote. So sind separate Stationen für Bio- und vegetarische Gerichte keine Seltenheit mehr. Bei Rohde & Schwarz werden im sogenannten Front-Cooking-Bereich viele Speisen vor den Augen der Gäste frisch von den Köchen zubereitet. Und ein eigener Pizzaofen durfte auch nicht fehlen. Dahinter steht nicht nur der Anspruch an eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung. Es geht diesem und vielen weiteren Unternehmen um viel mehr, was auch erklärt, wieso Landau+Kindel­bacher bei dem Elektronikkonzern alle ihre Vorschläge ohne Abstriche umsetzen durften: Jeder Betrieb steht im Wettbewerb um die besten Absolventen und Arbeitskräfte. Landau: „Da gehört für die Firmen neben einem hochwertigen Arbeitsplatz und Zusatzangeboten wie einem hauseigenen, kostenlosen Fitnessstudio auch ein gut gestaltetes Betriebsrestaurant einfach dazu.“

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